Volkskongress: Chinas Motor stottert, aber Militäretat steigt stark

Volkskongress: Chinas Motor stottert, aber Militäretat steigt stark
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang.

Peking – Chinas Wirtschaft boomt nicht mehr, aber für das Militär ist reichlich Geld da. Das Haushaltsdefizit steigt, doch Premier Li Keqiang reisst noch grössere Löcher in die Staatskasse, indem er die Steuern und Sozialabgaben senkt. Irgendwie muss der Regierungschef die zweitgrösste Volkswirtschaft wieder auf Trab bringen. Aber in seinem Rechenschaftsbericht zum Auftakt der Jahrestagung des Volkskongresses am Dienstag in Peking warnt Li: «Der Abwärtsdruck auf die chinesische Wirtschaft nimmt weiter zu.» Das Wachstum im Konsum lasse nach. Den Investitionen fehle der Schwung.

Die Aussichten sind düster: Angesichts des Handelskrieges mit den USA und der hohen Verschuldung soll China in diesem Jahr nur noch mit 6,0 bis 6,5 Prozent wachsen, sagte der Premier vor den 3000 Delegierten in der Grossen Halle des Volkes. Es wäre das niedrigste Wachstum seit fast drei Jahrzehnten. Er verspricht gerechtere Wettbewerbsbedingungen und mehr Marktzugang, wovon auch die deutsche Wirtschaft profitieren könnte – wenn es denn umgesetzt wird.

«Faires und unparteiisches Marktumfeld» zum Ziel
Er macht aus der Not eine Tugend, redet viel von Reformen: Denn im Handelskonflikt mit den USA muss China ohnehin Entgegenkommen zeigen – dann lieber jetzt aus freien Stücken. Und es muss mehr ausländische Investitionen anwerben, um die lahme Wirtschaft anzukurbeln. Ziel sei «ein faires und unparteiisches Marktumfeld, in dem chinesische und ausländische Unternehmen gleich behandelt werden». Unternehmen aus dem Ausland sollen in mehr Bereichen Geschäfte machen können. Der Finanzmarkt wird geöffnet, um ausländisches Kapital anzulocken.

Die angespannte Finanzlage lässt das Haushaltsdefizit von 2,6 Prozent der Wirtschaftsleistung im Vorjahr auf 2,8 Prozent klettern. Trotzdem werden die Militärausgaben mit 7,5 Prozent stärker zulegen als der Gesamthaushalt mit 6,5 Prozent. Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen im Süd- und Ostchinesischen Meer sowie Pekings Drohungen gegenüber Taiwan beobachten insbesondere die Nachbarn und die USA den Ausbau des chinesischen Militärs mit Sorge. Im Vorjahr war der Verteidigungshaushalt auch schon um 8,1 Prozent gestiegen.

Li ist unbeirrt: China werde seine Streitkräfte weiter stärken und das «Training unter Kampfbedingungen» verbessern. Nicht nur die Souveränität und Sicherheit, sondern auch «Entwicklungsinteressen» des Landes müssten geschützt werden. Er bekräftigte das Ziel einer Eroberung Taiwans. China werde entschieden gegen «separatistische» Aktivitäten vorgehen, die nach Unabhängigkeit strebten, sagte der Premier. Die kommunistische Führung betrachtet die demokratische Insel als Teil der Volksrepublik, obwohl sie nie dazugehört hat.

In seiner 100-minütigen Rede warnte der Premier vor Unsicherheiten in der Welt. «Das Wachstum der globalen Wirtschaft verlangsamt sich, Protektionismus und Unilateralismus nehmen zu», sagte Li. Chinas Wirtschaft sei mit vielen Herausforderungen konfrontiert. «Nur Wachsamkeit für Gefahren wird Sicherheit gewährleisten.»

Es sei ein «kritisches Jahr». Das Volk sei unzufrieden über Mängel im Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungswesen, in der Altenversorgung, wegen der Arznei- und Nahrungsmittelsicherheit und der ungleichen Einkommensverteilung. Ihm ist klar, dass China über seine Verhältnisse lebt und die hohe Verschuldung der Unternehmen und Kommunen ein Problem ist: «Es gibt weiter viele Risiken und verborgene Gefahren im Bereich der Finanzen und anderswo.»

Steuersenkungen
Grosse Konjunkturprogramme wie nach der globalen Finanzkrise 2008 kann Li deswegen nicht mehr ausrollen, aber dafür Steuern und soziale Abgaben senken. Unternehmen sollen so um zwei Billionen Yuan, heute umgerechnet 263 Milliarden Euro, entlastet werden, sagte Li. Die Mehrwertsteuer wird von 16 auf 13 Prozent gesenkt. Auch sollen die Kredite an kleine und private Firmen um 30 Prozent gesteigert werden.

«Die private Wirtschaft, die High-Tech- und Internet-Industrie müssen gestärkt werden», kommentierte Wu Qiang, ehemals Professor der Tsinghua Universität, die Pläne. Das Wachstum hänge allein von der Privatwirtschaft ab. 6,0 bis 6,5 Prozent seien vielleicht viel für entwickelte Länder, aber für China sei es die untere Grenze, um zu funktionieren und genug Arbeit zu schaffen. Es gebe auch Experten, die das Wachstum tatsächlich nur auf ein bis zwei Prozent schätzten.

Geschäftsleute sind hingegen skeptisch, ob die Regierung oder die Tagung des Volkskongresses ihr Leben verbessern könnten. «Wenn Sie Chinese wären, dann wüssten Sie, dass es nichts mit uns zu tun hat», sagte der 38-jährige Unternehmer Guo der Deutschen Presse-Agentur. «Ich kann nur sagen, dass es für kleine und mittlere Unternehmen immer schwieriger wird.»

Viele haben ein Gefühl der Krise, die sich noch verschärft. Die Wirtschaft leide, der Aktienmarkt sei «eine Katastrophe» und der Preis von Wohnungen «verrückt», sagte auch der 28-jährige Bäcker Gao. «Mit dem wirtschaftlichen Abschwung war es ein schwieriges Jahr für Ladenbesitzer». Ob die Politik jetzt wirklich Abhilfe schaffe und die Wirtschaft sich erhole, sei «schwer vorherzusagen».

Peking steckt im Smog
Wenig Glück hatte Premier Li schon mit dem Auftakt der Jahrestagung. Während er in der Grossen Halle zum Kampf gegen Umweltverschmutzung aufrief, umhüllte draussen heftiger Smog die mehr als 20 Millionen Einwohner der Hauptstadt. Die Feinstaubbelastung erreichte 278 Punkte im Luftindex – mehr als das Zehnfache des empfohlenen Grenzwerts der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und «sehr ungesund».

Die Parlamentssitzung endet am 15. März. (awp/mc/ps)

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