BAK sieht Vollbeschäftigung mit Vorbehalten

BAK sieht Vollbeschäftigung mit Vorbehalten
(Photo by Charles Koh on Unsplash)

Basel – Der Schweizer Arbeitsmarkt präsentiert sich mit einer zuletzt ausgewiesenen Arbeitslosigkeit von 2,4 Prozent in sehr guter Verfassung, zumindest auf den ersten Blick. Misst man die Arbeitslosigkeit allerdings mit den gleichen Ellen wie Europa, präsentiert sich die Lage etwas weniger rosig.

Dort wird die sogenannte Erwerbslosenquote (ELQ) erfasst. Diese zählt nicht nur die auf den Arbeitsämtern registrierten Personen, welche Arbeitslosengelder erhalten, sondern auch die ausgesteuerten Personen und diejenigen, die nicht mehr aktiv nach einer Stelle suchen. Diese Quote lag in den vergangenen Jahren in der Schweiz im Bereich von 4,5 bis 5 Prozent.

«Nicht so rosig, wie es ausschaut»
Diese Quote ist noch immer tief, wie Martin Eichler, Chefökonom und Mitglied der Geschäftsleitung von BAK Economics, am Donnerstag erklärte. Das BAK ging an einer Veranstaltung in Basel der Frage nach, ob die Vollbeschäftigung in der Schweiz eine Illusion sei. Laut Eichler sind also die 4,5 bis 5 Prozent der ELQ ein guter Wert, in anderen europäischen Ländern sei dieser Wert aber besser; so etwa in Deutschland, Grossbritannien oder in den Niederlanden. «Das ist ein Zeichen, dass in anderen Ländern etwas besser läuft und in der Schweiz nicht alles so rosig ist, wie es ausschaut.»

Vollbeschäftigung ja, aber …
Mit Blick auf die Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent kann die Frage nach der Vollbeschäftigung in der Schweiz laut Eichler mit «Ja» beantwortet werden. Dem stellt er aber die öffentliche Meinung, die sich auch in den Medien spiegelt, gegenüber, welche die Situation keineswegs als Vollbeschäftigung wahrnehme. Ein kontrovers diskutiertes Thema sind unter anderem die Chancen der älteren Menschen am Arbeitsmarkt.

Keine Diskriminierung der Alten
Die These, dass über 55-jährige in der Schweiz vor besonderen Herausforderungen stünden, wird von den Statistiken laut dem BAK-Ökonomen nicht gestützt. Die Aussteuerungen weisen demnach kein altersspezifisches Muster aus. Und die Erwerbslosenquote nach Altersgruppe zeige, dass vor allem die Jungen überdurchschnittlich arbeitslos seien. Dies erklärt das BAK insbesondere mit der hohen Zahl an Studienabgängern, deren Studienrichtung aber nicht mit den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts übereinstimme.

Mit zunehmendem Alter nimmt das Risiko, die Stelle zu verlieren, laut BAK ab. Trifft es einen jedoch trotzdem, dann wird es schwierig, denn die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit ist bei älteren Stellensuchenden höher. Für Eichler stellt dies allerdings ein Problem auf individueller Ebene dar, das auch individuell und nicht über volkswirtschaftliche Massnahmen angegangen werden sollte.

An einem Podiumsgespräch bezeichnete Edgar Spieler, er ist Leiter Arbeitsmarkt im Amt für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Zürich, die Lage der älteren Arbeitsnehmer am Arbeitsmarkt ebenfalls als «ernst, aber nicht dramatisch». Und laut Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, «werden 98 Prozent der Arbeitnehmer bis zur Pensionierung entdiskriminiert arbeiten gelassen.» Daniel Lampart, Chefsekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, sieht dies naturgemäss etwas anders. Er stellte sehr wohl eine Altersdiskriminierung fest und plädierte für einen besseren Kündigungsschutz, insbesondere für langjährige ältere Mitarbeiter.

Aussteuerungen weiter auf hohem Niveau
Mit der Aussage, die Arbeitslosigkeit sei gesunken, die Langzeitarbeitslosigkeit sei jedoch ein Problem, stellte Eichler eine weitere These in den Raum. Tatsächlich wurden in der Schweiz gemäss den Zahlen des BAK und des Seco zuletzt gegen 40’000 Personen im Jahr ausgesteuert. Dieser Wert sei 2018 zwar etwas zurückgekommen, eine nachhaltige Trendwende sei damit aber noch nicht gegeben, so Eichler.

Ein Problem sieht Eichler zudem in der Qualifikation der Mitarbeiter. Die Arbeitslosigkeit nimmt mit dem Alter und bei höher Qualifizierten ab. Umgekehrt haben demnach weniger Qualifizierte bei der Stellensuche immer mehr Schwierigkeiten.

Gutes Zeugnis für den Arbeitsmarkt
Abschliessend stellte Eichler dem Arbeitsmarkt in der Schweiz ein gutes Zeugnis aus. Dabei profitiere dieser einerseits von seiner liberalen Ausrichtung und andererseits von der erfolgreichen Wirtschaft. Es gebe jedoch Segmente, die davon nicht profitieren könnten. Er strich dabei die älteren Arbeitnehmenden heraus, für den Fall dass sie arbeitslos werden, sowie gewisse Qualifikationen. «Wir bewegen uns in der Nähe der Vollbeschäftigung, einzelne Segmente haben allerdings Schwierigkeiten», so sein Fazit. (awp/mc/pg)

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