EU-Schluss: «Technologiekrieg» treibt Anleger in die Flucht
Paris – Der sich zuspitzende Handels- und «Technologiekrieg» zwischen den USA und China hat die Kurse an Europas Börsen am Donnerstag in die Knie gezwungen. Öl ins Feuer gossen zudem schwache Konjunkturdaten aus Deutschland, der grössten Volkswirtschaft der Eurozone. Der EuroStoxx 50 als Leitindex für die Eurozone büsste 1,76 Prozent auf 3327,20 Punkte ein.
Der Index vermied ein Abrutschen auf ein Zweimonatstief nur knapp. Im als saisonal schwach geltenden Börsenmonat Mai büsste der Index bislang bereits mehr als 5 Prozent ein – nachdem er vom Jahresanfang bis Ende April noch um gut 17 Prozent gestiegen war. Der französische Cac 40 rutschte am Donnerstag um 1,81 Prozent auf 5281,37 Punkte ab. In London verlor der FTSE 100 1,41 Prozent auf 7231,04 Zähler.
Das deutsche Ifo-Geschäftsklima hatte sich im Mai deutlich eingetrübt, der Ifo-Index war auf den niedrigsten Wert seit Ende 2014 gefallen. Das sei gewissermassen «vorprogrammiert» gewesen, schrieb Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Die fortwährenden Handelskonflikte zwischen den USA und China hätten bereits handfeste Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf der Unternehmen.
«Die Risikoaversion nimmt wieder zu», sagte Christian Schmidt von der Helaba. Börsianer verwiesen auf chinesische Presseberichte, worin darüber spekuliert wird, dass der Geduldsfaden in Fernost allmählich reisst. In den Berichten hiess es, China könnte seine wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA zum Eigenschutz grundsätzlich überprüfen.
Chipwerte wie STMicroelectronics oder AMS litten mit Abschlägen von 5,7 und 4,6 Prozent erneut unter dem Technologiestreit zwischen den USA und China. Der europäische Index des Technologiesektors fiel um 2,5 Prozent. Der sehr schwache Ölpreis drückte den Öl- und Gassektor sogar um 3,4 Prozent nach unten. Für den Automobilsektor , für den China einer der wichtigsten Märkte ist, ging es um 3 Prozent abwärts.
Die geringsten Kursverluste erlitten wie an solchen Börsentagen üblich die Branchen mit defensivem Charakter. Der Teilindex der Gesundheitsbranche zeigte sich stabil und war damit der stärkste Sektor. Gestützt wurde er durch Kursgewinne grosser Pharmawerten: Astrazeneca , Novo Nordisk , Roche und Novartis legten um 0,6 bis 1,3 Prozent zu.
Bei den Einzelwerten waren vor allem britische Aktien auffällig. Bei dem Zuckerkonzern Tate & Lyle überlagerte ein schwacher Ausblick die guten Jahreszahlen. Für die Papiere ging es in London um 3,8 Prozent bergab.
In Paris verloren Aktien von Vivendi 4 Prozent. Börsianer begründeten die Einbussen mit Berichten, wonach Investoren das Interesse an dem zum Verkauf stehenden Musikgeschäft UMG des Medienkonzerns verlieren könnten. Die Gründe seien hohe Preisforderungen und zähe Verhandlungen.
In Frankreich sorgten die Mutterkonzerne des Supermarktbetreibers Casino Guichard für Aufsehen, ihre Aktien wurden vom Handel ausgesetzt. Händler verwiesen auf Spekulationen rund um deren finanzielle Lage. Casino-Aktien verloren am Vormittag 6,4 Prozent, bevor auch der Handel mit diesen Papieren an der Börse Euronext gestoppt wurde. (awp/mc/pg)