«Zurich Schweiz hat die Lohngleichheit verwirklicht»
Frauenstreik, Frauenförderung, Lohndiskriminierung: Ein offenes Gespräch mit Juan Beer, CEO von Zurich Schweiz.
Herr Beer, was halten Sie vom Frauenstreik?
Beer: Vor allem halte ich nichts davon, Frauen und Männer gegeneinander auszuspielen oder Frauen zu benachteiligen, weil sie Frauen sind.
Das kommt aber häufig vor. Deshalb ja der Streik. Frauen sind bei ihrer Karriere benachteiligt und verdienen weniger.
Die Hauptursache liegt wohl darin, dass Historisches noch nicht konsequent genug aufgearbeitet und angegangen wird. Dies gilt nicht für Zurich Schweiz. Denn wir haben uns schon vor einiger Zeit dazu verpflichtet, Chancen- und Lohndiskriminierung nicht länger zu dulden.
Wie meinen Sie das?
Zurich Schweiz hat die Chancen- und Lohngleichheit von Mann und Frau verwirklicht. Das hat uns die unabhängige Stiftung EDGE nach eingehender Prüfung bestätigt. Und auch, dass wir in vielfältiger Weise auf die Gleichstellung der Geschlechter achten. In der Schweiz haben nur zwei Unternehmen diese Auszeichnung von EDGE erhalten. In der Finanzwirtschaft sogar nur Zurich Schweiz.
Andere Unternehmen behaupten aber auch, gleiche Löhne zu zahlen.
Das ist korrekt. Um die Verpflichtung zur Umsetzung von Chancen- und Lohngleichheit zu untermauern, würde ich jedoch Unternehmen eine unabhängige Überprüfung und eben Zertifizierung empfehlen, denn genau dieser Schritt erhöht den Druck auf eine konsequente Umsetzung. Wie bei vielen anderen Dingen, gilt auch hier die Devise, was gemessen wird, wird auch umgesetzt. Die EDGE-Zertifizierung gilt in diesem Bereich als die umfassendste und international anerkannteste. Die Lohngleichheit umzusetzen war uns wichtig, aber einfach war es nicht, denn es erfordert nicht nur Korrekturen nach oben. In Einzelfällen mussten wir auch Männerlöhne nach unten korrigieren. Lohnstrukturen bilden sich über Jahrzehnte. So entstehen nicht erklärbare und sehr oft unbewusste Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen.
Wo sehen Sie die Unterschiede seit der Zertifizierung?
Der Hauptunterschied liegt in der deutlichen Zeichensetzung, dass wir im 21. Jahrhundert keine Unterschiede zwischen Frauen und Männer dulden. Zusätzlich sehen wir die Zertifizierung als Wettbewerbsvorteil in unserer Ambition, die bevorzugte Arbeitgeberin aller Talente zu sein, Männer und Frauen. Es hilft sehr, wenn Kandidaten und Kandidatinnen wissen, dass wir alle gleichermassen achten, gleiche Löhne zahlen und fähige Leute aller Geschlechter fördern. Diese Standards sind übrigens auch für immer mehr Kunden wichtig, etwa bei der Wahl ihres Versicherers. An der Lohn- und Geschlechtergerechtigkeit führt kein Weg vorbei. Das ist gut so. Und da bin ich stolz auf unsere Vorreiterrolle.
Machen wir die Probe aufs Exempel: Wen würden Sie einstellen, wenn ein Kandidat und eine Kandidatin fachlich exakt gleich gut sind?
In solchen Fällen würde ich verfahren, wie bei zwei gleich fähigen Männern oder zwei gleich fähigen Frauen. Das Fachliche ist ja nur ein Teil des Auswahlverfahrens. Mindestens genauso wichtig ist die Persönlichkeit und die «Chemie», das heisst, passt der Kandidat oder die Kandidatin auch ins Team.
Nach dem Motto «gemischte Teams bringen bessere Ergebnisse», setzen Sie also auch auf eine gute Durchmischung?
Die Fähigkeit, als Team in die gleiche Richtung zu rudern, wird im heutigen Arbeitsumfeld zunehmend wichtig. Dabei spielt die richtige Zusammensetzung eine zentrale Rolle. Erfahrungsgemäss sind in vielen Situationen gemischte Teams die richtige Antwort auf spezifische Chancen und Herausforderungen. Davon bin ich überzeugt. Der Frauenanteil bei Zurich Schweiz liegt bei 44 Prozent. Und von allen Mitarbeitenden, die bei uns eine Führungsrolle bekleiden, sind über ein Drittel Frauen. Wir wollen Mischung in jeder Hinsicht. Deshalb brauchen wir auch ältere Mitarbeitende in unseren Reihen. Frauen und Männer. Wichtig sind Erfahrung, Expertise und Teamfähigkeit. Aber wir mischen nicht mit der Brechstange. Und wir mischen nicht um des Mischens Willen.
Dann betreibt Zurich Schweiz keine besondere Frauenförderung?
Doch, aber Frauenförderung ist nicht Selbstzweck. Das wäre der gleiche Denkfehler, wie Frauen zu benachteiligen. Wir fördern Frauen, die das wollen und verdienen. So wie wir auch Männer fördern, die das wollen und verdienen. Niemand hätte etwas davon, dass sich irgendwann Männer diskriminiert fühlen und ein neues Feuer entfacht wird. Natürlich braucht es in der Initialphase gezielte Verpflichtungen, Massnahmen und Pläne, um den Ernst der Lage zu unterstreichen. Diese muss man konsequent vorgeben und sehr nahe managen, um den Wandel zu erreichen.
Dann ist Zurich Schweiz am Ziel angekommen?
Wenn meine Antwort «ja» wäre, würde ich die Zeichen der Zeit gänzlich ignorieren oder unterschätzen. Ich will die fähigsten Leute für Zurich Schweiz gewinnen. Das ist eine permanente Aufgabe. Ich habe in den letzten 15 Monaten zwei Frauen in die Geschäftsleitung berufen. Nicht weil sie Frauen sind. Sondern weil sie mitbringen, was wir brauchen. Jetzt haben drei Frauen Einsitz in die Geschäftsleitung von Zurich Schweiz. Das wohl zentrale Geheimnis einer erfolgreichen Zukunft ist meines Erachtens der Kulturwandel. Dazu gehören Frauen, Männer, unterschiedliche Kulturen sowie unterschiedliche Generationen, die eine gemeinsame Vision verfolgen. (Zurich Schweiz/mc/ps)