Boris Johnson neuer britischer Premierminister
London – Theresa May ist am Mittwoch von ihrem Amt als Premierministerin zurückgetreten. Zuvor hatte sich die Tory-Politikerin in einer kurzen Rede in der Downing Street von den Briten verabschiedet. Nur kurze Zeit später wurde Mays Nachfolger Boris Johnson von der Queen empfangen und mit der Regierungsbildung beauftragt.
Der neue britische Premierminister wiederholte nach seinem Amtsantritt sein Versprechen, Grossbritannien auch im Falle eines No Deals bis zum 31. Oktober aus der EU zu führen. Die Briten wollten keinen Brexit ohne Abkommen, trotzdem werde er sein Land auch auf diese «entfernte Möglichkeit» vorbereiten, sagte Johnson am Mittwoch in seiner ersten Rede als britischer Regierungschef vor seinem neuen Amtssitz in der Londoner Downing Street. Seine neue Regierung werde «einen neuen Deal, einen besseren Deal» erlangen.
An die EU gerichtet sagte er: «Ich bin überzeugt davon, dass wir einen Deal hinbekommen können.»
Zahlreiche Rücktritte
Mehrere britische Minister traten unterdessen von ihren Posten zurück: Finanzminister Philip Hammond, Justizminister David Gauke und Entwicklungshilfeminister Rory Stewart. Die drei EU-freundlichen Tory-Politiker hatten diesen Schritt bereits in den vergangenen Tagen angekündigt, falls Johnson Premierminister werden sollte. Damit sind sie einem Rauswurf durch Johnson wohl zuvorgekommen. Auch Vize-Premierminister David Lidington gab sein Amt auf.
Viele Brexit-Hardliner im neuen Parlament
Johnson plant Medienberichten zufolge eine grössere Umbildung des Kabinetts, dem viele Brexit-Hardliner angehören sollen. Es wird erwartet, dass Johnson die Namen zumindest einiger der neuen Kabinettsmitglieder noch Mittwoch verkündet.
Priti Patel neue Innenministerin?
Nach einem Bericht der «Times» wird Ex-Entwicklungsministerin Priti Patel eine Schlüsselposition übernehmen: Sie soll Innenministerin werden. Patel war im November 2017 zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass sie sich ohne Absprache im Israel-Urlaub mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu getroffen hatte. Die 47-Jährige ist eine grosse Brexit-Anhängerin und zählt zum rechten Tory-Flügel.
Hauchdünne Mehrheit im Parlament
May hat drei Jahre lang das Land regiert. Nachdem sie drei Mal mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Abkommen im heillos zerstrittenen Parlament durchgefallen war, gab sie schliesslich auf. Fraglich ist aber, wie lange ihr Nachfolger durchhält. Auch er kann nur mit einer hauchdünnen Mehrheit regieren.
Johnson will Brexit umsetzen
Johnson will Grossbritannien am 31. Oktober aus der Europäischen Union herausführen – und scheut nach eigenen Angaben auch vor einem «No Deal» – einem Austritt ohne Vertrag – nicht zurück. Er kritisiert das zwischen May und der EU ausgehandelte Abkommen als «Instrument der Einkerkerung» Grossbritanniens in Zollunion und Binnenmarkt. Er pocht daher darauf, mit Brüssel neu zu verhandeln – was dort strikt abgelehnt wird. Nur Änderungen an der begleitenden politischen Erklärung seien möglich, hiess es auch nach Johnsons Wahl.
Der Brexit ist aber nicht die einzige Grossbaustelle, um die sich Johnson kümmern muss. Er tritt sein Amt mitten in einer Krise mit dem Iran an. Nach mehreren Vorfällen in der Strasse von Hormus setzte Teheran dort zuletzt einen britischen Öltanker fest – aus Sicht Londons eine «feindliche Handlung». Grossbritannien regte eine europäische Seeschutzmission an, um Schiffe in der Meerenge zu schützen. Grosse Mengen Öl werden durch dieses Nadelöhr verschifft.
Sommerpause bis zum 3. September
Die Mitglieder der Konservativen Partei hatten Johnson am Dienstag zu ihrem Chef und damit auch zum künftigen Premier gewählt. Am Freitag beginnt die Sommerpause des Parlaments – bis zum 3. September. Viel Zeit bis zum geplanten EU-Austritt Ende Oktober bleibt Johnson nicht. (awp/mc/pg)