Martin Schaufelberger, CEO Coltene Holding AG, im Interview

Martin Schaufelberger, CEO Coltene Holding AG, im Interview
Coltene-CEO Martin Schaufelberger. (Foto: Coltene)

Von Karin Bosshard

Moneycab.com: Coltene konnte das Ergebnis im ersten Halbjahr 2019 erneut steigern. Was hat zum deutlichen Gewinnzuwachs von 29 Prozent beigetragen?

Martin Jürg Schaufelberger: Der Zuwachs beruht primär auf der Akquisition der beiden Firmen SciCan und Micro-Mega im Oktober 2018. Damit haben wir uns in den Bereichen Infektionskontrolle und Endodontie verstärkt und erreichen gemeinsam eine Grösse die es uns erlaubt, den globalen Vertrieb der Coltene weiter effizient auszubauen.

Aufgrund dieser Zukäufe erreichten Sie damit erwartungsgemäss nicht mehr die gleichen Margen wie in der Vorjahresperiode….

Das ist richtig. Einerseits hatten die beiden akquirierten Firmen nicht ganz den gleich grossen EBIT wie die alte Coltene, was zu einer Verwässerung des gemeinsamen EBIT führte. Andererseits haben wir für die Zusammenführung der Unternehmen in die neue Coltene Integrationskosten geplant. Diese werden nötig für die Integration der Betriebsabläufe in SAP, die Vereinheitlichung der Prozesse und Qualitätsabläufe, um für die neu geforderten MDR (Europäische Medical Device Regulation) Standards bereit zu sein. Wir planen, dass sich diese Kosten über zwei bis drei Jahre verteilen werden.

«Asien, insbesondere China, ist für uns wohl der wichtigste Zukunftsmarkt.»
Martin Jürg Schaufelberger, CEO Coltene Holding AG

Verläuft die Integration der akquirierten Dentalspezialisten SciCan und Micro-Mega immer noch nach Plan?

Trotz der Komplexität und der vielen Themen kommen wir gut voran und sind auf Plan. Die Standorte der alten Coltene sowie die von SciCan und Micro-Mega haben eine ähnliche Grösse und kommen aus einer KMU Vergangenheit. Damit herrscht eine sehr ähnliche Firmenkultur an allen Standorten und man versteht sich zwischen den Gruppenmitgliedern sehr gut.

Von welchen Umständen profitierten Sie in den Regionen Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) sowie Asien?

In diesen Regionen ist die alte Coltene sehr gut vertreten. Wir möchten mit dieser Struktur helfen, die Feilen zur Wurzelkanalbehandlung der Micro-Mega und die Desinfektions- und Sterilisiergeräte der SciCan, besser zu verkaufen. Unsere Strukturen können helfen, mittelfristig einen guten Namen für SciCan und Micro-Mega aufzubauen.

Wo liegt Ihr wichtigster Zukunftsmarkt und welches Potenzial sehen Sie in diesem Land?

Asien, aber insbesondere China, ist für uns wohl der wichtigste Zukunftsmarkt. Wir sind da bereits früh und gut vertreten. Unsere Produkte befinden sich in spezialisierten Nischen resp. in einem Segment höchster Qualität. Hier können wir unsere Marken weiter ausbauen, treffen aber auch zusehends auf lokale Konkurrenz. 

«Die Sparte Infektionskontrolle läuft gut. Wir führen dies auf höhere Anforderungen an Sauberkeit, Desinfektion und sterile Instrumente zurück.»

Wo müssen Sie Umsatzrückgänge verzeichnen und worauf führen Sie diese zurück?

In Venezuela ist uns ein früher attraktiver Markt komplett zusammen gebrochen. Aktuell sehen wir Probleme in Argentinien und hoffen, dass sich das Land nicht wie Venezuela entwickelt. Solche Länderrisiken liegen leider ausserhalb unseres Einflussbereiches.

In welchen Produktsparten läuft es besonders gut?

Die Sparte Infektionskontrolle läuft gut. Wir führen dies auf höhere Anforderungen an Sauberkeit, Desinfektion und sterile Instrumente zurück. Wir wünschen uns als Lieferant, aber auch als Patient, dass dieser Trend anhält.

Was steht bei Ihren Innovationen über die Marktsegmente hinweg im Fokus?

Aktuell ist für uns die Endo-Krone ein interessantes Thema. Um eine Endo-Behandlung, also eine Wurzelkanalbehandlung auszuführen, muss vorgängig der Zahn von der Kaufläche her grossflächig geöffnet werden. Nach der Wurzelkanalbehandlung muss diese Öffnung, analog der Behandlung, nach einem grossen Kariesloch, wieder verschlossen werden. Dies geschieht direkt mit Composite-Material oder mit CAD/CAM und einer Krone. Genau diese beiden Prozesse möchten wir näher zusammenbringen, weil wir eine der ganz wenigen Firmen weltweit sind, welche in beiden Segmenten tätig ist.  

«Coltene entwickelt sich zu einem globalen und führenden Anbieter für dentale Lösungen in den Bereichen Infektionskontrolle, Zahnerhaltung und effiziente Behandlungshilfen.»

Wie beeinflusst die Digitalisierung der Zahnmedizin Ihre Entwicklungstätigkeit?

Die Digitalisierung geschieht in drei Bereichen. Erstens wird der eigentliche dentale Prozess digitalisiert. D.h. um eine Krone herzustellen, wird nicht mehr ein Silikonabdruck ins Labor geschickt, sondern vor Ort der Zahn 3D gescannt, eine individuelle Krone gefräst und diese dann eingesetzt. Für den Patienten ist nur ein Termin nötig und die Gesamtkosten sind tiefer. Coltene stellt für diesen digitalen Prozess alle Verbrauchsmaterialien her.

Zweitens geht die Digitalisierung in der Supply Chain voran. Hier werden die Kundenbedarfe direkt und nahtlos zu den Händlern und den Lieferanten geschickt. Auch die Erstellung von Lieferpapieren und die Auslösung von Zahlungen geschieht vermehrt nur noch elektronisch.

Drittens digitalisieren wir intern unsere Geschäftsabläufe. Alle Produktinformationen werden zum Beispiel in einer sprach- und versionsgesteuerten Datenbank verwaltet. Ändert da drin ein Bild oder ein Textbaustein, so sind sofort alle Prospekte und Webseiten, welche diesen Baustein verwenden, aktualisiert. Auch die Informationen in den Webshops unserer Händler werden so gesteuert.

Welche Trends stellen Sie in der Zahnmedizin fest und wie wirken sich diese auf Ihr Geschäftsmodell aus?

Aktuell sind drei wesentliche Trends ersichtlich:

Erstens wechselt der Beruf von einem Männer- zu einem Frauenberuf. Waren vor 20 Jahre noch über 80% der Studienabgänger männlich, sind es aktuell weit weniger als 20%. Der Trend bedingt, dass gewisse Produkte bezüglich Darreichungsform oder Handhabung besser auf Frauen ausgerichtet werden.

Der zweite Trend bezieht sich auf die Zahnarztpraxen. Diese wandeln sich von einzelnen Zahnärzten hin zu Gruppenpraxen, die Dentalketten gehören. Es gibt bereits mehrere solcher Ketten, die jeweils einige hundert Zahnärzte beschäftigen. Aus der Sicht der Händler und Hersteller wandelt sich somit das Geschäft von einem B2C zu einem B2B Geschäft.

Der dritte Trend ist die bereits angesprochene Digitalisierung der dentalen Prozesse.

Welche wichtige Frage habe ich Ihnen noch nicht gestellt?

Wie die Coltene in 5 Jahren dasteht? Auch wenn wir das aktuell nicht wissen, so haben wir doch eine klare Wunschvorstellung davon und legen jetzt das Fundament dazu. Die sechs Produktionswerke in USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Brasilien und der Schweiz bauen ihre Technologien weiter aus. Wir arbeiten alle mit den gleichen Prozessen und stellen auch die beiden neuen Werke auf SAP um. Die bereits globale Marketing- und Verkaufsorganisation bauen wir gezielt in den Potentialmärkten aus. Damit wird sich die Coltene zu einem globalen und führenden Anbieter für dentale Lösungen in den Bereichen Infektionskontrolle, Zahnerhaltung und effiziente Behandlungshilfen entwickeln.

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