Martin Naville, CEO Swiss-American Chamber of Commerce, im Interview
Von Karin Bosshard
Moneycab.com: Herr Naville, wie haben sich das schweizerische Geschäftsumfeld sowie die Beziehungen zu Amerika im Laufe der letzten 15 Jahre, seit Sie CEO der Swiss-American Chamber of Commerce sind, verändert?
Martin Naville: Die Geschäftsbeziehungen zwischen der Schweiz und den USA sind in den letzten 15 Jahren von Rekord zu Rekord geeilt. Schweizer Export nach USA wuchs jährlich rund 12 Prozent. Um dies anschaulich zu machen: Vor 15 Jahren exportierten wir etwa gleich viel nach USA, nach Frankreich und nach Italien. Heute exportieren wir mehr nach USA als nach Frankreich, Italien und UK – kumuliert!
Wir exportieren heute auch doppelt so viel nach USA als in die BRIC Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). Das Verhältnis wurde etwas getrübt durch die Probleme zwischen den Schweizer Banken und der US-Regierung. Aber dies war nicht ein Schweizer Problem, auch wenn es einige Schweizer Banken ungerechtfertigterweise getroffen hat. Von allen in den USA durch Banken bezahlten Bussen haben die Schweizer Banken kumuliert weniger als 5 Prozent bezahlt.
«Vor 15 Jahren exportierten wir etwa gleich viel nach USA, nach Frankreich und nach Italien. Heute exportieren wir mehr nach USA als nach Frankreich, Italien und UK – kumuliert!»
Martin Naville, CEO Swiss-American Chamber of Commerce
Welches sind aktuell die wichtigsten Themen in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Amerika und der Schweiz?
Wichtigstes Thema ist ein mögliches Freihandelsabkommen. Dies würde das Wirtschaftsverhältnis zwischen der Schweiz und den USA nochmals bedeutend stärken. Und es würde der Schweiz die Sicherheit geben, auf dem US-Markt nie schlechter gestellt zu sein als EU-Firmen. Daneben gibt es technische Punkte bei Unternehmenssteuern und im Urheberrecht.
Die Schweiz und Amerika sind sehr unterschiedliche Länder. Gibt es dennoch etwas, das die Schweiz von Amerika übernehmen und lernen kann?
Die Schweiz könnte von den USA lernen, dass Entrepreneurship immer mit Risiko verbunden ist. Ein junger Entrepreneur, der schon mal Bankrott ging, ist kein Verlierer, sondern meist ein mutiger und innovativer Mensch mit wertvollen Erfahrungen.
«Die Schweiz könnte von den USA lernen, dass Entrepreneurship immer mit Risiko verbunden ist.»
Und umgekehrt, was kann Amerika von der Schweiz lernen?
Die USA könnten von der Schweiz erstens das duale Bildungssystem lernen und zweitens generell lernen, eine längere Sicht als das quartalsweise Reporting einzunehmen. Dazu wäre etwas mehr Anstand und Gleichmut in der Politik sicher wertvoll.
Was sagen Sie zu den Stichworten Trump, Zinspolitik, Strafzölle und Freihandelsabkommen?
Trump: eine – diplomatisch gesagt – sehr gewöhnungsbedürftige Person, die aber in der Essenz Einiges richtig macht.
Zinspolitik: Negativzinsen sind möglicherweise das kleinere Übel. Doch die langfristigen Schäden an den Sozialeinrichtungen – AHV, Pensionskassen und Lebensversicherungen – sowie in der falschen Ressourcenallokation sind beträchtlich und werden meiner Meinung nach sträflich unterschätzt.
Strafzölle: Als alleinstehendes Mittel sind Strafzölle ungeeignet. Aber sie sind wohl das einzige Mittel, um z.B. die Aufmerksamkeit Chinas zu wecken, damit China ihre im internationalen Verhältnis teilweise unakzeptable Vorgehensweisen einschränken, wie bspw. Diebstahl von intellektuellem Kapital, illegale Staatssubventionierung, Kampf gegen Monopole, Schutz der Privatsphäre, Datenschutz u.v.m..
«Die USA könnten von der Schweiz erstens das duale Bildungssystem lernen und zweitens generell lernen, eine längere Sicht als das quartalsweise Reporting einzunehmen.»
Wo sehen Sie das grösste Potenzial der Schweiz und glauben Sie, dass die Regierung genug tut, um es zu fördern?
Die Schweiz ist sehr erfolgreich dank ihrer internationalen Ausrichtung und ihrer offenen Märkte und Kulturen. Und es geht noch viel besser. Die Schweiz ist in der Pole Position. Doch diese muss geschützt werden. Regierung und Gesellschaft sollte sich vermehrt bewusst sein, woher der Reichtum, die tiefe Staatsverschuldung, die tiefe Arbeitslosigkeit, die exzellenten Sozial- und Gesundheitssysteme kommen und wie dafür bezahlt wird. Extreme populistische Initiativen müssen mit aller Kraft bekämpft werden und das Verhältnis zur EU wieder normalisiert und mit Augenmass umgesetzt werden. Kopf im Sand verhindert politischen Gegenwind, führt aber mittel- und langfristig zu einem Desaster.
Was kann in der Schweiz noch getan werden, um weitere ausländische Direktinvestitionen anzuziehen?
Wie wir im April 2019 in der Studie «Switzerland Wake Up» mit economiesuisse, Swissholdings und McKinsey dargelegt haben, braucht es drei Dinge: die Unsicherheiten für die investierenden Unternehmen minimieren; Stichworte dazu: Konzernverantwortungsinitiative, Austrittsinitiative, Verhältnis zur EU. Zweitens müssen wir einen grösseren Effort leisten, um die global umkämpften Talente in die Schweiz zu holen und hier zu behalten. Und drittens müssen wir uns nicht scheuen, selbstbewusst die Schweiz als das zu verkaufen, was sie ist: der beste Standort für international tätige Firmen. Singapur hat 700 «Verkäufer» in den wichtigsten Länder, Irland 300, Holland 150 und die Schweiz 50!
Welchen Rat würden Sie amerikanischen Unternehmen geben, die in Richtung Schweiz schauen?
Eine sehr genaue Analyse dieses etwas komplizierten Landes, ich meine zB. kein Staatschef, strikter Föderalismus, Kantönligeist, direkte Demokratie etc. Bei einer kursorischen Analyse kann dies abschrecken, bei tieferer Analyse werden die klaren Vorteile deutlich.
«In Bezug auf die USA kommt die beste Direkthilfe von Switzerland Global Enterprise, daneben gibt es eine Fülle von sehr guten Dienstleistern, die Firmen beim Markteintritt helfen können.»
Ein Schweizer Unternehmen will in den amerikanischen Markt einsteigen. Was sind die ersten Schritte und was muss das Unternehmen wissen?
Auch hier muss eine sehr weitgehende Analyse gemacht werden. Der Markt ist offen, aber auch sehr wettbewerbsintensiv. Und es ist dort alles anders als in der Schweiz. Sogar der erste Stock eines Gebäudes ist an einem anderen Ort; in den USA ist das Erdgeschoss der «first floor».
Welche Rolle spielt die Auslandshandelskammer bei diesem Prozess? Wie können Sie konkret helfen?
In Bezug auf die USA kommt die beste Direkthilfe von Switzerland Global Enterprise, daneben gibt es eine Fülle von sehr guten Dienstleistern, die Firmen beim Markteintritt helfen können. Die Swiss-American Chamber of Commerce fokussiert auf die wirtschaftspolitischen Themen.
Welche Dienstleistungen bietet die Swiss-American Chamber of Commerce an, um die Beziehungen zwischen den beiden Nationen zu erleichtern?
Wir bieten sehr viele Informationen, vernetzen Firmen mit ähnlichen Problemen und werden wirtschaftspolitisch aktiv, um die Probleme zu lösen.
Wer kann Mitglied der Schweiz-Amerikanischen Handelskammer werden, wie viel kostet die Mitgliedschaft und welche Vorteile bietet diese?
Alle Firmen, die sich verbesserte wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zwischen USA und Schweiz wünschen, und alle Firmen, die an einem idealen Wirtschaftsstandort Schweiz interessiert sind, können Mitglied werden.
Eine Firmenmitgliedschaft kosten je nach Grösse des Unternehmens zwischen CHF 950 und CHF 2600 pro Jahr. Dafür bekommen die Mitglieder viele Informationen, Einladungen zu interessanten Veranstaltungen zu den aktuellen Themen und die Möglichkeit der Vernetzung mit Personen mit gleichen Interessen und/oder gleichen Problemen.