Neue Thyssenkrupp-Chefin treibt Umbau nach Verlust voran
Essen – Hohe Verluste, keine Dividende für die Aktionäre: Für Thyssenkrupp endet ein turbulentes Geschäftsjahr ohne versöhnlichen Abschluss. Die neue Frau an der Spitze, Martina Merz, will daher den Umbau vorantreiben, um die Profitabilität des Konzerns wieder herzustellen. Doch das kostet zunächst einmal. Da auch der konjunkturelle Rückenwind fehlt, dürfte das Unternehmen im neuen Geschäftsjahr 2019/20 noch tiefer in die Verlustzone rutschen. Die Mittelfristziele wurden ebenfalls verschoben.
«Wir drehen gerade jeden Stein im Unternehmen um», sagte Merz am Donnerstag bei der Vorlage der Bilanz. Sie hatte Ende September den glücklosen Guido Kerkhoff abgelöst. «Die Performance etlicher unserer Geschäfte ist nicht zufriedenstellend. Das hat auch damit zu tun, dass notwendige strukturelle Verbesserungen und Restrukturierungen nicht mit der notwendigen Konsequenz umgesetzt wurden», so die Managerin. Dies wolle der Vorstand nun angehen. «Zügig und systematisch.»
Auch Anlagenbau und Geschäft mit Autokomponenten auf dem Prüfstand
Im Zentrum steht neben einer möglichen Trennung vom Aufzuggeschäft zunächst der Anlagenbau sowie das Geschäft mit Autokomponenten. Der Anlagenbau, der zur Zeit Verluste schreibt, soll operativ wieder in die Spur gebracht werden. Gleichzeitig prüft Thyssenkrupp die Möglichkeit, das Geschäft mit Partnern oder unter einem neuen Dach weiterzuentwickeln, hiess es vom Unternehmen. Derzeit stelle Thyssenkrupp Informationen zusammen, um «zeitnah» Gespräche mit möglichen Interessenten aufnehmen zu können. Der Anlagenbau hatte sich zuletzt mit einigen Projekten verhoben. Wegen der mauen Konjunktur kämpft der Bereich mit einer zu geringen Auslastung. Grossaufträge fehlen.
Auch im Autozuliefergeschäft will die neue Chefin umbauen. Im Geschäftsfeld System Engineering, das Komponenten rund um die Themen Karosserie und Antriebsstrang für die Automobilindustrie fertigt sowie Automatisierungslösungen für elektrische Speicher- und Antriebssysteme anbietet, sollen etwa 640 Stellen abgebaut werden. Insgesamt hat Thyssenkrupp für Restrukturierungen im laufenden Geschäftsjahr einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag vorgesehen.
Schlankere Zentrale
Auch die Zentrale soll verschlankt werden. So sollen beim Komponentengeschäft sowie beim Anlagenbau die Führungsgesellschaften weitgehend aufgelöst werden. Damit bestätigte Thyssenkrupp frühere Spekulationen in diese Richtung. In der Zentrale soll die Zahl der zentralen Funktionen von 15 auf 10 reduziert werden. Die Zahl der knapp 800 Mitarbeiter werde auf etwa 430 in den kommenden 12 Monaten reduziert.
Bei seinem zur Disposition stehenden Aufzuggeschäft hat sich Thyssenkrupp noch nicht entschieden. So lägen dem Konzern indikative Angebote von strategischen Investoren sowie von Finanzinvestoren vor. Nach einer Due Diligence erwarte Thyssenkrupp bindende Angebote als Basis für potenzielle Verhandlungen im neuen Jahr. Namen nannte der Konzern keine. Auch ein möglicher Börsengang soll weiter verfolgt werden. Mit einer Entscheidung für eine der Optionen rechnet der Konzern im ersten Quartal 2020.
Zuletzt soll noch ein Konsortium aus den Investoren Blackstone, Carlyle und dem Canada Pension Plan Investment Board sowie ein weiteres aus Advent, Cinven und Abu Dhabi Investment Authority für die Aufzüge geboten haben. Interesse hat auch der finnische Wettbewerber Kone bekundet, dieser könnte sich dabei ebenfalls mit Finanzinvestoren zusammen tun, dabei wurde über CVC und zuletzt auch über die asiatische Hillhouse Capital spekuliert. Analysten trauen dem Aufzuggeschäft einen Wert von bis zu 17 Milliarden Euro zu.
Massiver Stellenabbau
Die Erlöse aus einem Verkauf oder Börsengang braucht der Konzern, um seinen Umbau finanzieren zu können. Auch für das Stahlgeschäft soll es ein Zukunftskonzept geben. Es soll im Dezember dem Aufsichtsrat der Sparte vorgestellt und mit den Arbeitnehmervertretern besprochen werden. Das Geschäft leidet unter Überkapazitäten, Preisdruck und hohen Rohstoffkosten. Nachdem die Fusion mit dem europäischen Geschäft von Tata Steel in diesem Jahr geplatzt war, arbeitet das Management an einem Restrukturierungsplan, der auch den Abbau von 2000 Stellen vorsieht. Insgesamt hat Thyssenkrupp für den Konzern bislang die Streichung von 6000 Stellen angekündigt.
Im vergangenen Geschäftsjahr fuhr Thyssenkrupp wegen der vielen operativen Probleme einen deutlich höheren Verlust ein als im Vorjahr. Dazu drückten Restrukturierungskosten sowie Rückstellungen für ein Kartellverfahren. So stieg der Fehlbetrag im vergangenen Geschäftsjahr 2018/19 (per Ende September) um ein Vielfaches von 62 Millionen auf 304 Millionen Euro. Die Dividende strich der Konzern. Analysten hatten auf eine unveränderte Ausschüttung von 0,15 Euro je Aktie gehofft.
Besserung ist für das laufende Jahr nicht zu erwarten. Thyssenkrupp geht im Stahlgeschäft von einer schwächeren Entwicklung aus. Das bereinigte Ebit soll daher das Niveau des Vorjahres von 802 Millionen Euro erreichen. Die Restrukturierungskosten würden zu einem deutlich höheren Verlust führen als im Vorjahr, kündigte Thyssenkrupp an. Analysten hatten dagegen im Vorfeld mit einem Anstieg des bereinigten Ebit sowie der Rückkehr in die Gewinnzone gerechnet. Wegen der schwachen Konjunktur sowie der laufenden Restrukturierung verschob Thyssenkrupp zudem seine Mittelfristziele für das Geschäftsjahr 2020/21. (awp/mc/ps)