VP Bank: Erwartungen aus Anlegersicht für das Jahr 2020
Vaduz – Der Finanzmarkt folgt nicht immer der Konjunktur, das hat das Jahr 2019 gezeigt. Jetzt ist die Frage, ob eine Rezession droht.
Die Finanzmärkte zeigten sich 2019 äusserst widerstandsfähig. Mit Ausnahme von Geldmarktanlagen generierten alle Anlageklassen Gewinne. Es herrschte Gelassenheit, entgegen aller Hiobsbotschaften und Unsicherheiten vonseiten Konjunktur und Politik. Aber so stark wie im Jahr 2019 klaffte die Lücke zwischen Börsen- und Konjunkturentwicklung nur selten und das macht die Beurteilung der Aussichten nicht einfacher.
Doch wie lässt sich diese lange Phase der Abkopplung zwischen Real- und Finanzwirtschaft erklären? Im Jahr 2018 diskutierten die Notenbanken den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik. Viele von ihnen fingen an, ihre aussergewöhnlichen Massnahmen langsam zurückzunehmen. So stellte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Anleihenkäufe ein. Einzelne Währungshüter, allen voran die amerikanische Fed, erhöhten sogar den Leitzins. Angesichts der Börsenverluste im vierten Quartal und der gestiegenen Konjunkturrisiken kam Anfang 2019 die Kehrtwende. Auf die verbalen Unterstützungsabsichten folgten Leitzinssenkungen. Auch hier waren die USA federführend und setzten mit ihrem Handeln andere Notenbanken unter Zugzwang, mit dem Ergebnis einer erneuten globalen Lockerung der Geldpolitik.
Hohe Bewertung gerechtfertigt?
In den Augen der Anleger stellte das frühe und aktive Einschreiten ein klares Bekenntnis der Währungshüter zur Unterstützung der Finanzmärkte dar, die damit das Risiko einer Rezession vernachlässigten und die Preise sämtlicher Anlagen in die Höhe trieben. So sehr dies Investoren erfreut, die Bewertungen haben sich dadurch spürbar verteuert. Damit ist die Fallhöhe, sollten sich die Risiken dennoch materialisieren, gestiegen. Die Bewertungen können sich aber auch als legitim erweisen, wenn sich das Umfeld verbessern würde. Das ist im Wesentlichen von vier Themen abhängig.
Fragezeichen gibt es zunächst bezüglich Konjunkturverlauf. Bereits seit zwei Jahren nimmt die Dynamik im verarbeitenden Gewerbe sukzessive ab. Was als Abkühlung begann, hat mittlerweile in der Industrie vieler Länder zu einer Rezession geführt. Zuletzt haben sich die Vorlaufindikatoren zwar stabilisiert, doch eine Trendwende zeichnet sich noch nicht ab. Traditionell hat das verarbeitende Gewerbe einen Vorlauf auf die Entwicklung im Dienstleistungssektor. Je länger die Industrie schwächelt, desto grösser sind die Rezessionsrisiken für die Gesamtwirtschaft.
Allerdings sollten sich in den kommenden Monaten auch positive Effekte einstellen. So etwa vonseiten der Geldpolitik, die in den meisten Ländern gelockert wurde und nun zeitverzögert für Impulse sorgen kann. Es ist jedoch Skepsis angebracht, denn viele Unternehmen halten sich derzeit mit Investitionen zurück, obwohl die finanziellen Mittel vorhanden wären.
Trump oder nicht Trump, das ist die Frage
Sehr bedeutend für die Stimmung von Unternehmenslenkern und Anlegern wird der sinoamerikanische Handelskonflikt sein, Thema Nummer zwei. Nach einer langen Phase des Hochschaukelns sind zuletzt vermehrt gemässigte Töne zu vernehmen. Es scheint, als halten die mittlerweile beiderseits des Pazifiks spürbaren, negativen konjunkturellen Folgen von einer weiteren Eskalation ab. Dies spricht vorerst für einen Waffenstillstand, zumal ja im kommenden November US-Präsidentschaftswahlen anstehen und eine schwache Wirtschaft oder gar eine Rezession die Chancen einer Wiederwahl Donald Trumps erheblich schmälern würden.
Die von der Kehrtwende der Geldpolitik, das dritte Thema, ausgelöste Rallye in risikoreicheren Anlagen zeigt, welchen Einfluss mittlerweile die Notenbanken auf die Finanzmärkte haben. Die Anleger haben grosses Vertrauen in, aber auch hohe Erwartungen an die Währungshüter. An deren Bereitschaft, die Märkte weiter zu unterstützen, lässt sich gegenwärtig kaum zweifeln. Doch eine kontroverse Diskussion über die Effektivität zusätzlicher Massnahmen könnte durchaus entstehen und manch einen Investor skeptisch werden lassen. Ausserdem könnte nach Jahren der Zurückhaltung zumindest in Europa die Hoffnung auf fiskalpolitische Massnahmen für Fantasie an den Märkten sorgen. Wie gross der Spielraum für Fiskalpakete – auch für grüne Investitionen – tatsächlich ist, steht auf einem anderen Blatt.
Gleicher und grüner?
Das Jahr 2019 zeigte auch, viertens, dass die Unzufriedenheit mit der politischen und wirtschaftlichen Ordnung inzwischen in weiten und sehr unterschiedlichen Kreisen der Gesellschaft zunimmt. Thema sind zum einen die Ungleichheit der Vermögens- und Einkommensverteilung und die Notenbankpolitik, die mangels Zins und Zinseszins das Sparen erschwert und das Eigenheim für viele unerreichbar macht. Zum anderen erhebt sich aber auch die junge, meist bürgerliche Generation, die einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur fordert. Selbst Unternehmenslenker in den USA fordern mittlerweile eine neue Herangehensweise ein, um neben den Aktionären zudem andere Anspruchsgruppen zu berücksichtigen – auch im Sinne der Wirtschaft.
Somit ist klar: Das Jahr 2020 wird von diesen und weiteren Themen dominiert. Jedes davon kann sich schnell in eine positive, aber auch negative Richtung entwickeln. Die VP Bank hat deshalb drei mögliche Szenarien formuliert. Wir empfehlen Investoren jedoch, sich nicht zu einseitig auf ein Szenario zu versteifen. Die Grundausrichtung eines Portfolios sollte dem Basisszenario entsprechen, in dem es nicht zu einer Rezession, sondern zu einer leichten Erholung kommt. Deshalb sind Aktien, aber auch Anleihen von soliden Schuldnern, für uns weiterhin Kernbestandteile. Die Beimischung von nicht konjunktursensitiven Anlagen, wie Gold oder auch verbriefte Versicherungsrisiken ILS, erachten wir als zusätzliche wichtige Bausteine für die Positionierung im gegenwärtigen Umfeld. (VP Bank/mc/ps)