Türkisch-syrischer Konflikt eskaliert
Istanbul – Der Konflikt zwischen der Türkei und Syrien eskaliert: Daraufhin forderte Ankara Beistand von der Nato und der internationalen Gemeinschaft.
Als Vergeltung griff die Türkei in der Nacht zu Freitag Stellungen der syrischen Regierungstruppen an, wie der türkische Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun in einer Stellungnahme mitteilte. «Wir rufen die gesamte internationale Gesellschaft dazu auf, ihre Pflichten zu erfüllen», hiess es darin. Der Sprecher der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, Ömer Celik, forderte, die Nato müsse an der Seite der Türkei stehen. Gleichzeitig drohte er kaum verhohlen damit, syrischen Flüchtlingen im Land die Grenzen in Richtung Europa zu öffnen: «Unsere Flüchtlingspolitik bleibt dieselbe, aber hier haben wir eine Situation. Wir können die Flüchtlinge nicht mehr halten», sagte er.
Am Donnerstagabend waren bei einem Luftangriff in Idlib mindestens 33 türkische Soldaten getötet und 36 weitere verletzt worden. Ankara machte die syrische Regierung verantwortlich und startete Vergeltungsangriffe. Altun teilte mit, die Türkei greife als Reaktion mit Boden- und Luftkräften «alle bekannten Ziele des Regimes» an. Auf einem Sicherheitsgipfel am späten Donnerstagabend unter der Führung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei beschlossen worden, dass «das illegitime Regime, das die Waffenläufe» auf die Soldaten gerichtet habe, auf «gleiche Weise» angegriffen werde, teilte Altun mit.
US-Senator Graham fordert Flugverbotszone
Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu telefonierte der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dieser habe die Luftangriffe verurteilt, hiess es. Der einflussreiche US-Senator Lindsey Graham forderte angesichts der Eskalation eine Flugverbotszone in Idlib. Graham richtete seinen Aufruf am Donnerstag an die Adresse von US-Präsident Donald Trump: «Es ist jetzt an der Zeit, dass die Internationale Gemeinschaft eine Flugverbotszone einrichtet, um Tausende unschuldige Männer, Frauen und Kinder vor einem schrecklichen Tod zu retten.»
USA prüften Unterstützung für Türkei
Ein Sprecher des US-Aussenministeriums sagte, man stehe zum Nato-Verbündeten Türkei und fordere einen sofortigen Stopp der verabscheuungswürdigen Offensive des Assad-Regimes, Russlands und der vom Iran unterstützten Streitkräfte. Es würden Optionen geprüft, wie der Türkei am besten geholfen werden könne.
Syrische Truppen auf dem Vormarsch
Idlib ist das letzte grosse Rebellengebiet in dem Bürgerkriegsland. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Rebellen. Mit Russland als Schutzmacht der syrischen Regierung hatte sie ein Abkommen getroffen, um in Idlib eine Deeskalationszone einzurichten und hatte dort Beobachtungsposten eingerichtet. Eigentlich gilt auch eine Waffenruhe. In den vergangenen Wochen war das syrische Militär mit russischer Unterstützung aber weiter in dem Gebiet vorgerückt. Erdogan hat wiederholt mit einem Militäreinsatz gedroht, sollte sich das syrische Militär in Idlib nicht bis Ende Februar zurückziehen.
Hunderttausende sind vor der Gewalt auf der Flucht. Nach UN-Angaben sind seit Anfang Dezember fast 950 000 Menschen vor der Gewalt geflohen, auch in Richtung türkischer Grenze. Helfer beklagen eine katastrophale humanitäre Lage. Es fehlt an Unterkünften, Lebensmitteln, Heizmaterial und medizinischer Versorgung. Hilfsorganisation sprechen vom schlimmsten Flüchtlingsdrama seit Ausbruch des Bürgerkriegs vor fast neun Jahren. (awp/mc/pg)