Bei der Swiss droht trotz Staatshilfe ein Abbau von über 1’500 Stellen
Zürich – Trotz der Milliardenhilfe des Bunds droht bei der Swiss ein markanter Stellenabbau. Laut der «SonntagsZeitung» (SoZ) sind über 1’500 Stellen der rund 9’500 Arbeitsplätze bei der Fluggesellschaft in Gefahr.
Der Bundesrat will der Swiss und der Edelweiss wegen der Coronapandemie mit 1,275 Milliarden Franken unter die Flügel greifen. Dabei geht es um Garantien, damit sich die beiden Airlines der Lufthansa-Gruppe Bankdarlehen von 1,5 Milliarden besorgen können, wie die Regierung vergangene Woche bekannt gegeben hatte. Das Geschäft kommt in der am (morgigen) Montag beginnenden Sondersession ins Parlament.
Der Bundesrat knüpft dabei Bedingungen an die Staatshilfe. So dürfen zum Beispiel keine Dividenden ausgeschüttet werden, zudem werden Standortgarantien vom Swiss-Mutterkonzern Lufthansa verlangt.
Tiefe Einschnitte
Es gebe aber keine Beschäftigungsgarantie im Vertrag, sagte der Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Serge Gaillard in einem Interview mit der «SonntagsZeitung». Der Businessplan für die Kreditvergabe an die Swiss sehe Kostensenkungen von etwas weniger als 20 Prozent vor. Damit dürften laut der SoZ 1’500 bis 1’900 Stellen gestrichen werden.
Bei der Swiss hiess es, der Bund habe nicht vorgegeben, wie diese Kostensenkungen konkret umzusetzen seien. Die Swiss habe bereits Mitte März zahlreiche Sparmassnahmen eingeleitet, sagte eine Sprecherin auf Anfrage: Darunter seien Kurzarbeit, ein Einstellungsstopp, die Verschiebung der Auszahlung von Lohnbestandteilen, ein anteiliger Lohnverzicht des Kaders oder die Einstellung von nicht betriebsnotwendigen Projekten. Die Swiss ist überzeugt, mit diesen Massnahmen die richtigen Weichen gestellt zu haben, um die Krise zu überleben.
«Der Kredit allein sichert die Zukunft der Swiss noch nicht ab», sagte Gaillard. Die Swiss habe aber Gesamtarbeitsverträge. «Die beste Garantie für die Arbeitsplätze ist, dass die Swiss ihre starke Stellung innerhalb der Lufthansa-Gruppe behalten kann. Die Lufthansa sah Letzteres als selbstverständlich an, wir wollten es aber trotzdem im Vertrag.»
Die weitere Entwicklung liege in der Hand der Swiss. «Unsere Hauptaufgabe war, dass die Werthaltigkeit unseres Engagements gesichert ist. Wir verbürgen ja Bankkredite, die übrigens zu Marktkonditionen gegeben werden», sagte Gaillard. Der Zins sei für den ganzen Kredit gleich. «Für den Teil, den der Bund absichert, werden den Banken lediglich die Kosten für die Kapitalbeschaffung plus eine Handling-Gebühr erstattet.» Die Marge des Bundes liegt bei rund 2,5 Prozent, bei einem Kreditvolumen von bis zu 1,275 Milliarden Franken.
Die Aktien der Swiss und damit ihre Vermögenswerte würden als Sicherheit für das Darlehen dienen, sagte Gaillard. «Diese dürfen gemäss der Vereinbarung nicht anderweitig als Sicherheit verwendet werden. Die Swiss ist heute noch eine gesunde Unternehmung. Wie das am Ende der Krise aussieht, vermag allerdings niemand mit Sicherheit zu sagen.»
Kein schneller Neustart
Es gebe verschiedene Szenarien, wann die Swiss wieder hochfahren könne. «Das pessimistischste ist, dass Ende Jahr erst wieder rund 50 Prozent der Flüge aufgenommen worden sind und der Vor-Corona-Zustand erst wieder 2023 erreicht wird», sagte Gaillard.
Als Standortgarantie habe der Bund mit der Lufthansa-Gruppe vereinbart, dass das Hochfahren der Swiss sich proportional zum Hochfahren in München und Frankfurt entwickeln müsse, sagte Gaillard: «Die Befürchtung war, dass die Standorte in Deutschland bevorzugt werden, wenn es wieder losgeht.» Der Wert der Swiss bestehe zu einem guten Teil aus dem Konzept der Flugverkehrsdrehkreuze.
«Uns geht es vor allem um die Langstreckenflüge. Diese sind für die Beschäftigung und für die Werthaltigkeit des Darlehens wichtig», sagte Gaillard. Darum solle sich der Wiederaufbau der Langstrecken proportional an den Hubs in Frankfurt und München orientieren. Und der Zulieferverkehr soll zudem hauptsächlich von der Swiss oder Edelweiss erbracht werden. «Ein gewisser Schwankungsbereich ist zugelassen», sagte Gaillard.
Die Zusammenarbeit des Bundes mit dem Lufthansa-Konzern werde in einer noch zu gründenden gemeinsamen Stiftung konkretisiert. In diesem Rahmen solle einerseits der Standort Schweiz weiterentwickelt werden. Anderseits werde der Bundesrat auch seine klimapolitischen Vorstellungen einbringen können, sagte Gaillard.
Lufthansa verhandelt über 10 Milliarden-Hilfe
Die Lufthansa ihrerseits verhandelt mit der deutschen Regierung über Staatshilfen in Höhe von insgesamt rund 10 Milliarden Euro. Im Gespräch ist dem Vernehmen nach, dass ein Teil davon als stille Beteiligung fliesst und der Bund dafür gut 25 Prozent der Anteile erhält und auch im Aufsichtsrat vertreten ist. «In diesen Tagen wird über die Zukunft der Lufthansa entschieden», will Konzernchef Carsten Spohr laut vorab veröffentlichtem Redetext bei der Hauptversammlung am kommenden Dienstag sagen.
Das Dilemma des Konzerns ist gross: Von rund 760 Flugzeugen stehen etwa 700 am Boden, 3’000 Flüge pro Tag sind gestrichen. Mehr als 80’000 der insgesamt 130’000 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, statt 350’000 Passagieren täglich fliegen nun nur etwa 3’000 mit der Lufthansa und ihren Konzerntöchtern. Derzeit verfügt die Lufthansa noch über mehr als 4 Milliarden Euro Liquidität. Doch jede Stunde verliert sie aufgrund des Stillstands operativ 1 Million Euro.
Aus Regierungskreisen hiess es zuletzt, die Gespräche dauerten an. Ausser mit der deutschen Regierung verhandelt Spohr wegen der Töchter Austrian Airlines (AUA) und Brussels Airlines auch mit den Regierungen von Österreich und Belgien. Dort dauern die Verhandlungen ebenfalls an. Österreichs Finanzminister Gernot Blümel verlangt Zusicherungen und Garantien für das AUA-Drehkreuz Wien.
Auch die belgische Regierung fordere nicht nur solide Garantien für die Tochterfirma Brussels Airlines im Gegenzug für 290 Millionen Euro als Liquiditätshilfe, berichteten die Zeitungen «L’Echo» und «De Tijd» am Samstag. Ministerpräsidentin Sophie Wilmès forderte zudem eine detaillierte Wachstumsperspektive sowie bezifferbare Ziele zur Entwicklung des Brüsseler Flughafens als Drehkreuz angemahnt. Zur Debatte stehe auch eine Beteiligung des belgischen Staats mit einem möglichen Vetorecht bei der Unternehmenspolitik, etwa bei Reisezielen, so die Zeitungen weiter. (awp/mc/ps)