US-Notenbank signalisiert jahrelangen Nullzins
Washington – Die Corona-Krise dürfte die Leitzinsen in den Vereinigten Staaten über Jahre hinaus an der Nulllinie halten. Dies signalisierte die US-Notenbank Fed am Mittwoch nach ihrer Zinssitzung. Nach neuen Prognosen gehen die meisten geldpolitischen Entscheidungsträger der Fed bis Ende 2022 davon aus, dass das gegenwärtige Zinsniveau von nahezu null Prozent beibehalten wird. Damit bekräftigte die Notenbank das faktische Nullzinsniveau, auf das sie ihre Leitzinsen mit dem Übergriff der Corona-Pandemie auf die USA geschleust hatte.
Die Corona-Krise werde die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Inflation stark belasten, teilte die Fed mit. Es bestünden erhebliche konjunkturelle Risiken. Für dieses Jahr rechnet die Notenbank mit einer Schrumpfung der Wirtschaft um 6,5 Prozent, gefolgt von einem Wachstum um 5,0 Prozent im kommenden Jahr. Die Arbeitslosenquote dürfte in diesem Jahr 9,3 Prozent betragen und 2021 auf 6,5 Prozent sinken. Die Inflation wird den Prognosen zufolge bis 2022 unter dem Ziel der Fed von zwei Prozent liegen.
Darüber hinaus konkretisierte die Notenbank das Ausmass ihrer Wertpapierkäufe zur Belebung der Wirtschaft. Die Käufe würden «mindestens» in dem aktuellen Tempo fortgeführt, teilte die Federal Reserve mit. Die Fed von New York, die für die Abwicklung der Käufe zuständig ist, ergänzte, etwa 80 Milliarden US-Dollar je Monat in amerikanische Staatsanleihen zu investieren. Rund 40 Milliarden Dollar je Monat sollen in hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS) fliessen.
Powell befürchtet dauerhafte Jobverluste
Jerome Powell, der Vorsitzende der Fed, fand angesichts der schweren Wirtschaftskrise klare Worte. Gefragt nach der sprunghaft gestiegenen Arbeitslosigkeit in den USA, sagte er, dass ein erheblicher Teil der Jobverluste dauerhaft sein könnte. Zwar könne er nicht auf verlässliche Schätzungen zurückgreifen. Die Arbeitslosenzahl könne aber durchaus in die Millionen gehen, sagte der Fed-Chef.
Komplett schwarz malen wollte Powell jedoch nicht. Als er danach gefragt wurde, ob die Welt vor einer ähnlich einschneidenden ökonomischen Krise stehe wie während der «Grossen Depression» vor etwa 90 Jahren, antwortete Powell: «Ich glaube nicht, dass die Grosse Depression ein gutes Beispiel ist für das, was gerade geschieht.» Er nannte mehrere Unterschiede, weshalb sich die Corona-Pandemie von der wohl schwersten Krise in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte unterscheide. Unter anderem verwies Powell auf die schnelle und kraftvolle Reaktion der US-Regierung sowie den grundsätzlich guten Zustand der amerikanischen Wirtschaft und des Finanzsystems.
Volkswirte hatten mit den jüngsten Entscheidungen der Fed überwiegend gerechnet. Die Reaktion der US-Notenbank auf die Corona-Krise ist beispiellos und stellt selbst ihr Eingreifen in der Finanzkrise weit in den Schatten. Neben Zinssenkungen wurden Wertpapierkäufe in bisher ungekanntem Ausmass getätigt und zahlreiche Kreditprogramme zur Stützung der Wirtschaft aufgelegt. Die Bilanz der Fed – ein Indikator für ihren Kriseneingriff – hat sich infolgedessen auf einen einsamen Rekordwert von 7,2 Billionen US-Dollar ausgeweitet. Dies entspricht mehr als einem Drittel der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA. (awp/mc/ps)