Die Lohnschere zwischen Managern und Tieflöhnen öffnet sich weiter

Die Lohnschere zwischen Managern und Tieflöhnen öffnet sich weiter

Bern – Auch 2019 hat sich die Schere zwischen den tiefsten und den höchsten Löhnen in Schweizer Unternehmen weiter geöffnet. Der Chef kassierte im Durchschnitt 148 mal mehr, als sein am wenigsten verdienender Angestellter.

Im Jahr davor war das Verhältnis noch 1 zu 142 gewesen. Am krassesten klaffte die Schere 2019 wie im Vorjahr beim Pharmakonzern Roche, wie die Gewerkschaft Unia am Freitag in der jährlichen Lohnschere-Studie mitteilte. Untersucht wurden wie letztes Jahr 37 Konzerne.

Roche-Chef Severin Schwan liess sich seine Arbeit 308 mal teurer entgelten als der tiefste Lohn im Konzern. Sein Salär belief sich auf 15,1 Millionen Franken.

Goldene Fallschirme
Auf Platz zwei folgt UBS-Spitzenmann Sergio Ermotti mit einer Lohnschere von 241 zu 1, an dritter Stelle Nestlé-CEO Ulf Mark Schneider mit 230 mal den tiefsten Lohn. Novartis-Chef Vasant Narasimhan, der im Februar zurückgetretene CS-Chefbanker Tidjane Thiam und der im April abgetretene ABB-CEO Ulrich Spiesshofer finden sich auf den weiteren Plätzen.

Spiesshofer lässt sich nach dem Rücktritt zwei Jahre lang noch 13 Millionen Franken auszahlen. Für Unia wird damit das Verbot goldener Fallschirme gemäss der Verordnung zur angenommenen Abzocker-Initiative umgangen. Dazu benutze ABB eine Kündigungsfrist und ein Wettbewerbsverbot.

Thiam könnte gemäss Unia als selbst gekündigter sogenannter «good leaver» trotz der Beschattungsaffäre 30 Millionen Franken aufgeschobener Boni erhalten, das Dreifache seines Jahressalärs.

Üppig versorgte Aktionäre
Neben der Chefetage liess es sich der Gewerkschaft zufolge auch das Aktionariat gut gehen. Die 33 börsenkotierten Unternehmen in der Analyse liessen insgesamt 63 Milliarden Franken an Dividenden- oder Aktienrückkauf auf die Konten ihrer Besitzer rieseln.

Spitzenreiter war der Lebensmittelmulti Nestlé mit knapp über 17 Milliarden Franken. Auch Novartis sparte mit 12 Milliarden nicht bei den Aktionären. Von der gesamten Wertschöpfung der 37 untersuchten Konzerne flossen 67 Prozent an die Beschäftigten und 33 Prozent an die Aktionäre. Der Personalaufwand belief sich auf 140 Milliarden Franken.

Besonders hebt Unia die Ems Chemie der Bündner SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher hervor, denn dort war das Verhältnis umgekehrt. An die Aktionäre gingen zwei Drittel der Wertschöpfung, ein Drittel an die rund 2800 Angestellten.

Die drei Töchter von alt Bundesrat Christoph Blocher mit ihrem 70 Prozent-Anteil erhielten Dividenden von 326 Millionen Franken oder 87 Millionen mehr als der Personalaufwand.

Auf der anderen Seite der Skala lagen die tiefsten Löhne in den 37 Unternehmen bei 4000 Franken im Monat (inklusive 13. Monatslohn). Das muss als Tieflohn gelten. Ein Tieflohn fängt gemäss Definition bei zwei Dritteln des Schweizer Medianlohns von 6538 Franken an. Also beträgt er gemäss Unia für 12 Monatslöhne 4360 und für 13 Löhne 4025 Franken.

Dividende trotz Kurzarbeit
Besonders stossend findet Unia, dass mehrere Konzerne während der Coronavirus-Pandemie Kurzarbeit einführten und gleichzeitig Dividenden ausschütteten. Die Generalversammlungen mit dem Beschluss über die Ausschüttung fanden demzufolge alle in der Corona-Krise statt.

Dividenden bei Kurzarbeit schütteten nach Höhe gestaffelt der Baustoffkonzern LafargeHolcim, der Schokoladenfabrikant Lindt & Sprüngli, der Baustoffkonzern Sika, die Medizinaltechnikfirma Straumann, der Personalvermittler Adecco, der Technologiekonzern ABB und der Uhrenriese Swatch aus. Insgesamt belaufen sich die Zahlungen dieses Septetts auf fast 4 Milliarden Franken.

Straumann gab einen Monat nach dem Beschluss, 91,2 Millionen Franken an Dividenden auszuschütten, die Massenentlassung von 660 Personen bekannt. Allein in Basel könnten 60 Stellen wegfallen, schreibt Unia. (awp/mc/ps)

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