Stadler verliert wegen Corona im ersten Halbjahr an Tempo

Stadler verliert wegen Corona im ersten Halbjahr an Tempo
Peter Spuhler, VRP und CEO a.i. Stalder Rail.

Bussnang – Der Zugbauer Stadler Rail hat im ersten Halbjahr wegen der Coronakrise markant an Tempo verloren. Der Umsatz sank deutlich, der Gewinn brach ein. In der zweiten Jahreshälfte will das Thurgauer Unternehmen wieder Gas geben und bald wieder mit Volldampf unterwegs sein.

In den ersten sechs Monaten schrumpfte der Umsatz um 16 Prozent auf 934,7 Milliarden Franken. Der Betriebsgewinn (EBIT) sackte auf 5,0 Millionen Franken ab, nachdem im Vorjahr noch 46,9 Millionen Franken in der Kasse geklingelt hatten. Unter dem Strich erzielte Stadler einen Reingewinn von 15,7 Millionen Franken. Das sind 43 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Die Coronakrise führte zu Unterbrüchen in den Lieferketten. Zulieferer hätten wochenlang zu machen müssen. «Von 148 Aufträgen, die sich bei Stadler in der Abwicklung befinden, waren etwa 20 Aufträge direkt von Verzögerungen der Zulieferindustrie betroffen», erklärte der Konzern.

Überdies verordnete die spanische Regierung wegen der Pandemie die Schliessung des Stadler-Werks in Valencia für drei Wochen. Auch in Salt Lake City habe man die Belegschaft ausdünnen müssen und die Produktion massiv heruntergefahren, sagte Stadler-Chef Peter Spuhler am Dienstag in einer Telefonkonferenz.

Keine Zulassungen mehr
Noch grössere Probleme verursachten allerdings die Reisebeschränkungen, die Kunden, Mitarbeiter und vor allem die Zulassungsbehörden trafen. Dadurch hätten fertiggestellte Züge und Trams nicht zugelassen und abgenommen werden können, erklärte Spuhler: «Wir haben keine Rückstände in der Fertigung, sondern einen Abnahmestau.» Dann könnten auch keine Schlussrechnungen gestellt, was auf den Umsatz und Gewinn drücke.

Zudem hätten die privaten Bahnkunden ohne staatliche Transportverpflichtungen während des Höhepunkts der Pandemie ihre Fahrpläne stark ausgedünnt. Teilweise seien nur noch 10 Prozent des normalen Fahrplanangebots gefahren.

Das schlage auf die Umsätze der Servicesparte durch, wo langfristige Serviceverträge in der Regel anhand der Kilometerleistung der Fahrzeuge abgegolten würden. Die Servicesparte habe weniger Umsatz gemacht als erwartet, sagte Finanzchef Raphael Widmer.

Auftragsbestand auf neuem Rekordhoch
Mit den Zahlen wurden die Erwartungen der Finanzgemeinde weit verfehlt. Dennoch stieg die Aktie an der Schweizer Börse am Dienstag 3,6 Prozent, während der Gesamtmarkt SPI klar abgab. Analysten lobten den starken Bestellungseingang, der die Erwartungen übertroffen habe.

Im ersten Halbjahr hat Stadler neue Aufträge im Gesamtwert von 3,1 Milliarden Franken gewonnen. Das ist über ein Drittel mehr als im Vorjahr. Der Auftragsbestand stieg auf 16,8 Milliarden Franken, was der höchste Stand aller Zeiten sei, sagte Spuhler. Die Coronakrise habe zu keinem Bestellungseinbruch geführt. «Es wurden keine laufenden Aufträge storniert», sagte Spuhler.

Einen Grossteil des Rückstands will der Konzern im zweiten Halbjahr aufholen. Dann würden Umsatz und Gewinn gegenüber dem ersten Semester deutlich zulegen. Für das Gesamtjahr 2020 rechnet Stadler mit einem Umsatz leicht unter dem Niveau des Vorjahrs von 3,2 Milliarden Franken. Die EBIT-Marge dürfte über 5 Prozent erreichen.

Und die Auftragspipeline sei gut gefüllt. Derzeit mache Stadler an fünf bis sechs grossen Ausschreibungen für Doppelstockzüge mit. Die grösste sei eine Ausschreibung der österreichischen Staatsbahn ÖBB für 185 Doppelstockzüge.

Die Coronakrise werde nicht dauerhaft auf den öffentlichen Verkehr durchschlagen, ist Spuhler überzeugt. «Ich glaube, dass der öffentliche Verkehr relativ bald wieder auf dem altem Niveau sein wird.»

Die prallen Auftragsbücher würden zu mehr Umsatz führen. «Das Umsatzwachstum wird kommen. Wenn nicht in diesem Jahr, dann wird es konsequenterweise in den kommenden Jahren höher ausfallen», sagte der Finanzchef.

Derzeit keine Suche nach neuem Konzernchef
Die Suche nach einem neuen Konzernchef als Nachfolger für den Ende Mai überraschend abgetretenen Thomas Ahlburg liegt gegenwärtig auf Eis. Es sei jetzt wichtig, zuerst wieder Ruhe in die Betriebs- und Produktionsabläufe reinzubringen und zu alter Stärke zurückzukehren.

«Ich werde die Suche zusammen mit den entsprechenden Gremien im Verwaltungsrat bei Gelegenheit wieder aufnehmen. Aber im Moment läuft da nichts», sagte Spuhler, der nach Ahlburgs Ausscheiden das Steuer vorübergehend wieder selber in die Hand genommen hat. (awp/mc/ps)

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