Coronakrise Schweiz: Behörden als Superspreader, Denkblockade durch Masken

Coronakrise Schweiz: Behörden als Superspreader, Denkblockade durch Masken
(Photo by Ross Sneddon on Unsplash)

Statt sich auf die echten Probleme bei der Eindämmung des Coronavirus› zu konzentrieren, arbeiten sich die Schweizer PolitikerInnen am Nebenthema der Masken ab und ignorieren das vollständige Versagen bei den wichtigsten Themen: dem Testen und Contact-Tracing. Mit negativen wirtschaftlichen Folgen.

Von Helmuth Fuchs

Aus der Erfahrung der ersten Monate wissen wir alle, wie man die Ausbreitung des Virus› erfolgreich eindämmt: Abstand, Hygiene, Vermeidung von grossen Menschenmengen. Einfach und effizient.

Nachdem das gelang und das Coronavirus sich bezüglich Anzahl der Todesfälle in die Grippejahre 2015 und 2017 eingereiht hat, gab es von der wissenschaftlichen Covid-19 Task Force ebenso einfache Empfehlungen für die Zeit der Öffnung und den Übergang in eine neue Normalität: Testen, Tracen, Quarantäne und Isolation.

Versagen der PolitikerInnen und Behörden bei der Contact-Tracing-App
Als Hilfsmittel zur Feststellung, wer Kontakt mit einer positiv getesteten Person hatte, wurde in einer Kooperation von EPFL, ETH, dem Bundesamt für Informatik und der Firma Ubique auf Basis eines Open Source Projektes eine transparente, sicherere, dezentrale und anonyme Lösung in Form einer App erstellt. Diese auf Freiwilligkeit basierende App wurde inzwischen von rund 25% der Bevölkerung heruntergeladen.

Statt die auch im internationalen Vergleich gute Ausgangslage zu nutzen und die App als notwendiges Eintrittsticket für Besuche in Restaurants, Bars, grossen Menschenansammlungen vorzuschreiben, liessen Politiker und Behörden hier die Betreiber und Veranstalter in jedem Kanton eigene Lösungen erarbeiten, mit dem zu erwartenden Resultat: Nichts funktioniert, ausser die Ausbreitung des Virus› an solchen Hotspots.

Während die Contact-Tracing-App trotz einiger kleiner Mängel technisch auf dem neuesten Stand ist, sind es die Behörden, welche die generierten Codes bearbeiten und das Contact-Tracing vornehmen müssten, offensichtlich nicht. Mit einer Mischung von Unfähigkeit und Unwillen torpedieren sie schon fast aktiv die Möglichkeiten eines schnellen Tracings, welche sich mit der App eröffnen würden. Barnaby Skinner hat das am 14.08.2020 in der NZZ ausführlich beschrieben mit der Erkenntnis: «Das komplexe Problem des Datenschutzes konnte gelöst werden; auch Bürgerinnen und Bürger machten in erstaunlicher Anzahl mit; scheitern wird das Experiment leider an unwilligen Behörden. Nur wenn sie konsequent und rasch die Codes an neu infizierte Personen verteilen, kann die Swiss-Covid-App Infektionsketten unterbrechen.»

«Ob es ein Kanton richtig macht bei der Seuchenbekämpfung, entscheidet sich nicht an der Maskenpflicht in den Läden, das ist ein Nebenschauplatz, sondern ob er sauber testet und tracert. Ich kenne keine grossen Übertragungen in Läden.» Marcel Salathé, Epidemiologe an der ETH Lausanne, Leiter der Expertengruppe Digitale Epidemiologie der COVID-19 Task Force (Interview Tagesanzeiger vom 28.08.2020)

In jedem Kanton entscheidet die Fähigkeit der lokalen Behörden darüber, wie lange es dauert, bis Testergebnisse vorliegen und das Contact-Tracing in Gang gesetzt wird. In den meisten Kantonen dauert das statt Stunden Tage und somit verkommt die ganze Übung zu einer kostspieligen Farce. Mehr noch, mit ihrem Verhalten werden die Beamten zu den eigentlichen Superspreadern, weil sie den Anschein erwecken, dass das Virus bekämpft wird, in Wahrheit aber die Ausbreitung fast ungehindert weiter läuft.

Wer sonst nichts kann, kann Maske
Unter dem Druck der verschiedenen Lobbyinggruppen hat der Bundesrat entschieden, Grossveranstaltungen ab dem 1. Oktober unter Auflagen wieder zuzulassen. Das ist aus Sicht von Eventveranstaltern und Sportvereinen, die um ihr Überleben kämpfen, natürlich zu begrüssen. Unter den Bedingungen jedoch, dass das Tracing nicht funktioniert, es offensichtlich keine Klarheit darüber gibt, wo sich die Menschen am häufigsten infizieren, begibt man sich hier eher in den Bereich von Russisch Roulette.

Das ist dem Bundesrat offensichtlich auch klar, weshalb er jetzt zu der in anderen Situationen schon bewährten «Pflästerlipolitik» greift und vermehrt die Maskenpflicht verordnet oder unterstützt. Auf billige Weise können so Politiker Entscheidungswillen und Tatkraft demonstrieren, was zwar sofort einen sichtbaren und massiven Einfluss auf unser aller Leben hat, wahrscheinlich aber einen eher geringen auf die Eindämmung des Virus›. Man dürfte sogar im Gegenteil eine falsche Sicherheit durch das Tragen von Masken vermitteln, da jetzt dadurch die Abstände wieder verringert werden und die Dauer des Aufenthaltes in dichten Menschenmassen erhöht wird.

Momentan macht es den Eindruck, dass man den Menschen Masken verordnet, weil man die wahren Probleme, welche die Eindämmung des Virus› gefährden, nicht lösen will oder kann.

«Das Tamtam, das man um die Maskenpflicht macht, ist momentan nicht richtig.» Josef Widler, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft (Interview NZZ vom 26.08.2020)

Wo ist die wissenschaftliche Begleitung zur Schulöffnung?
Eine Diskussion mit bisher offenem Ausgang ist die Rolle von Schulen und Kindern bei der Verbreitung des Virus›. Anstatt aber den Schulanfang zu nutzen und mit gezielten und kontinuierlichen und Tests den Verlauf an Schulen auszuwerten und so wissenschaftliche Grundlagen für weitreichende Entscheidungen zu schaffen, geschieht: Nichts. Keine Studien, keine gezielten Testreihen. Scheinbar spekuliert man lieber weiterhin darüber, ob Kinder ein signifikanter Risikofaktor und inwieweit sie auch selbst betroffen sind, verordnet ziellos Masken, anstatt mit vergleichsweise geringem Aufwand eine wissenschaftliche Basis zu schaffen.

Wer schützt die Alten vor dem Pflegepersonal?
Das auch bei der Maskenpflicht immer wieder ins Feld geführte Argument, dass man die besonders gefährdeten älteren Menschen schützen wolle, führt zur Frage, weshalb dann das Pflegepersonal in den Alters- und Pflegeheimen nicht kontinuierlich getestet wird. Hier wäre es ja geradezu überlebenswichtig, dass das Personal das Virus nicht einschleppt. Aus unerfindlichen Gründen scheint hier aber kein Bedarf an Tests zu sein. Inzwischen weiss man, dass in einzelnen Heimen bis zu 50% der BewohnerInnen positiv getestet wurden, ohne aber besondere Symptome entwickelt zu haben. Entweder sind die Alten viel robuster, das Virus weniger gefährlich, oder einfache Hygienemassnahmen und Abstand genügen, um das Virus in Schach zu halten.

Weiterhin schwer geniessbarer Datensalat aus dem BAG
Ein wichtiger Grund für die Unsicherheit und die zunehmende Verärgerung in der Bevölkerung zu Themen rund um das Coronavirus ist die weiterhin schlechte Datenqualität des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Zwar sind inzwischen die täglichen Informationen besser aufbereitet, aber wichtige Fragen wie zum Beispiel, wo sich die Hotspots bei der Ausbreitung befinden und wer überhaupt getestet wird, können schlicht nicht beantwortet werden, oder die Antworten stiften weitere Verwirrung. Economiesuisse spricht zu Recht von einem «schädlichen Datenchaos«.

Hier haben inzwischen einzelne Medien wie der Tagsanzeiger eine Kehrtwende vollzogen und liefern statt nur der alarmistischen Zahl täglicher neuer positiv Getesteter auch weitere Kontextinformationen wie die Anzahl der Getesteten, die Anzahl Hospitalisierter, den Verlauf der Reproduktionszahl in übersichtlicher Form mit zeitlichen Verläufen.

Hier also die Informationen, die einen besseren Kontext erlauben als nur die Zahl der positiv Getesteten («Fallzahl»):

  • Reproduktionszahl (R-Wert). Ein Wert über 1 bedeutet, dass eine exponentielle Verbreitung möglich ist. Die letzten Schätzungen der ETH zeigen den R-Wert relativ stabil auf 1.0.
  • COVID-Patienten in Spitalpflege
  • Anzahl Todesfälle auf Wochenbasis. Die Statistik des BFS zeigt die Todesfälle in der Schweiz immer mit einer Verzögerung von gut einer Woche. Die nächste Aktualisierung findet am 1. September statt.
  • Wochenberichte des Bundesamtes für Gesundheit (BAG)

Mit der dieser Ausgangslage wäre es an der Zeit, medial und in der Politik die Dramatisierungsstufe bezüglich der gesundheitlichen Bedrohung der Bevölkerung durch das Coronavirus um einige Stufen herunterzufahren, die Massnahmen durchzusetzen, die bekannterweise wirken (Abstand, Hygiene, Vermeidung von Massenansammlungen) und den Schutz der Risikogruppen unter Einsatz gezieltem Testens, schnellem Tracings mit der App und Isolation zu verbessern.

Was mit Sicherheit nicht funktionieren wird, ist die ständige Verunsicherung der Bevölkerung durch willkürliche, nicht fundierte politische Entscheidungen, welche für die Gesundheit der Bevölkerung wenig bringen, den wirtschaftlichen Schaden aber nachhaltig erhöhen. Das in einer Phase, in der das Virus zwar nach wie vor da ist, aber sich nicht mehr explosionsartig ausbreitet.

«Man müsste gar nicht so viel mehr machen als bisher. Das ist vielleicht der Lichtblick. Aber man müsste es besser machen.» Marcel Salathé, Epidemiologe an der ETH Lausanne, Leiter der Expertengruppe Digitale Epidemiologie der COVID-19 Task Force (Interview Tagesanzeiger vom 28.08.2020)


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