Roman Hartmann, Co-CEO & Founder Farmy, im Interview

Roman Hartmann, Co-CEO & Founder Farmy, im Interview
Roman Hartmann, Co-CEO & Founder Farmy. (Foto: Farmy)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Hartmann, Farmy war im Pandemiejahr 2020 gefragt wie nie. Um satte 170% stieg Umsatz auf 26 Mio Franken. Wie sind Sie der Bestellflut gerade während dem Lockdown «light» im Frühling Herr geworden?

Roman Hartmann: Durch die Tatsache, dass wir auf einer komplett eigenentwickelten IT-Infrastruktur fahren und innert weniger Tage die Prozesse umstellen konnten sowie durch unser Crossdocking-Logistikkonzept konnten wir vergleichsweise gut auf die massiv erhöhten Bestellungen reagieren. So konnten wir schnell unsere Kapazitäten ausweiten und auf die Bauern und Produzent*innen, welche täglich im Rahmen des Crossdocking-Models anliefern, übertragen.

Wie viele Produkte wurden an den Standorten Zürich und Ecublens an Spitzentagen verpackt und ausgeliefert?

An Spitztagen haben wir bis 40’000 Produkte verpackt und ausgeliefert.

Durch den Umzug des Standorts Prilly nach Ecublens wurde eine Verzehnfachung des Durchlaufvolumens möglich. Welchen Anteil hat das Geschäft in der Romandie mittlerweile?

Der Anteil unseres Standortes in der Romandie beträgt mittlerweile stolze 28 % – und mit dem erfolgten Umzug planen wir, diesen Anteil im 2021 noch weiter auszubauen.

Auch Farmy hatte zu Beginn des Lockdowns längere Lieferfristen zu verzeichnen. Wie sieht es aus, sollte erneut ein Lockdown light mit Home Office verfügt werden?

Durch optimierte Abläufe, eine Lagererweiterung und den Umzug nach Ecublens sind wir bestens vorbereitet auf einen erneuten Anstieg der Bestellungen. Natürlich hoffen wir nicht, dass erneut verschärfte Massnahmen notwendig sein werden, sollte es aber dazu kommen, können wir unsere Kund*innen weiterhin wie gewohnt beliefern.

«Durch optimierte Abläufe, eine Lagererweiterung und den Umzug nach Ecublens sind wir bestens vorbereitet auf einen erneuten Anstieg der Bestellungen.»
Roman Hartmann, Co-CEO & Founder Farmy

Welche Einschränkungen oder Massnahmen musste Farmy selbst im Zusammenhang mit Corona ergreifen?

Als Unternehmen in der Lebensmittelbranche sind die Hygiene-Standards bei Farmy generell sehr hoch. Um sicherstellen zu können, dass der Betrieb weiterläuft und die Kundinnen von Farmy weiterhin problemlos beliefert werden können, wurden die Farmy-internen Hygiene-Vorschriften nochmals erhöht und um die vom Bundesamt für Gesundheit empfohlenen Massnahmen erweitert. Alle Mitarbeitenden von Farmy tragen beim Packen, Verladen und Ausliefern der Bestellungen einen Mund-Nasenschutz, regelmässiges Händewaschen und -desinfizieren gehört zur Arbeitsroutine genauso dazu wie das Tragen von Einmalhandschuhen. Zudem liefern wir aktuell ausschliesslich kontaktlos, um Risiken für unsere Kundinnen aber auch für unsere Mitarbeitenden zu minimieren. Des Weiteren befinden sich die Mitarbeitenden aus dem Büro im Home Office.

Können Sie abschätzen, wie viel des Wachstums auf die Einschränkungen durch Corona zurückführen waren und wieviel auf eine durch Corona erhöhte Sensibilität hinsichtlich gesunder Ernährung mit lokalen Lebensmitteln?

So genau kann man dieses Wachstum nicht unterteilen und es waren wohl beide Aspekte ausschlaggebend für den Kauf der Lebensmittel online. In der ersten Welle konnten wir den rapiden Anstieg eindeutig auf Corona-bedingte überdurchschnittlich viele Vorratseinkäufe zurückführen. Die Menschen waren verunsichert und haben lieber online bestellt.
Ab dem Sommer hat sich das Einkaufsverhalten wieder normalisiert und wir können klar erkennen, dass der Markt an sich deutlich anzog. Unsere neuen Kund*innen konnten erleben, dass der online Einkauf von Lebensmittel möglich, vertrauenswürdig und frischer ist.

Frische, lokale Produkte sind Ihnen und Ihren Kunden wichtig, besonders auch bio-zertifizierte. Welche Vorgaben stellen Sie darüber hinaus an die Produzenten?

Wir legen grössten Wert auf die Auswahl unserer Produzentinnen und den kompromisslosen Fokus auf Frische, Nachhaltigkeit und Transparenz. Die Auswahl erfolgt nach strengen Kriterien, wie etwa die klare Angabe von Herkunft, Zertifizierungen etc. Uns ist Fairness und Tradition ein Anliegen: Für mit Sorgfalt ausgeführtes Handwerk soll ein fairer Preis gezahlt werden. Und bei uns gilt das Motto «So nah wie möglich, so fern wie nötig». Neben regionalen Bauern und Bäuerinnen sowie Kleinproduzentinnen sind auch einige Unternehmen aus dem Ausland vertreten, die in der Schweiz nicht verfügbare Produkte liefern. Hier gelten – insbesondere bei Produkten von Übersee – besonders strenge Regeln in Bezug auf Qualität und Fair Trade.

«Uns ist Fairness und Tradition ein Anliegen: Für mit Sorgfalt ausgeführtes Handwerk soll ein fairer Preis gezahlt werden.»

Wie viele Produzenten haben Sie mittlerweile an Bord und wie umfangreich ist das Produkte-Angebot?

Mittlerweile arbeiten wir mit über 1’200 Produzent*innen zusammen und bieten über 14’500 Produkte in unserem Sortiment an.

Haben Sie Anhaltspunkte darüber, inwieweit die Produzenten ihre Verluste ausgleichen können, die sie durch die Schliessung der Gastronomiebetriebe erleiden?

Konkrete Zahlen hierzu müssten bei den Produzent*innen direkt angefragt werden, jedoch wissen wir, dass einigen – gerade kleineren Unternehmen – der Verkaufskanal Farmy die Existenz während des Shutdowns gesichert hat, während Kunden wie Restaurants und die Hotellerie für sie wegfielen. So konnten wir in dieser schwierigen Zeit nicht nur Schweizweit Menschen mit frischen Lebensmitteln versorgen, sondern haben gleichzeitig lokalen Unternehmen helfen können. Das freut uns natürlich um so mehr.

Im August konnte Farmy eine weitere Finanzierungsrunde über 10 Mio Franken erfolgreich abschliessen. Für was wird das Geld eingesetzt?

Insbesondere werden wir die Neuinvestition dazu nutzen, unsere E-Mobil-Flotte sowie die Liefergebiete und die Fulfillment-Kapazitäten auszubauen. Zudem soll weiter in den Ausbau der hauseigenen IT und das Marketing investiert werden. Zusätzlich treten wir zunehmend als IT-Dienstleister auf und ermöglichen Lebensmittelproduzentinnen und -verbänden sowie Offline-Lebensmitteleinzelhändlerinnn die Digitalisierung ihres Angebots.

«Da das Farmy-System selbst von Grund auf inhouse aufgebaut wurde, haben wir uns dazu entschieden, diese IT-Lösung auch für andere verfügbar zu machen.»

Letzte Frage: Farmy baut sich ein zweites Standbein als IT-Dienstleister auf und stellt dem Handel eine eFood Solutions-Lösung zur Verfügung. Wie kam es zu diesem Schritt?

Da das Farmy-System selbst von Grund auf inhouse aufgebaut wurde, haben wir uns dazu entschieden, diese IT-Lösung auch für andere verfügbar zu machen. Nach sechs Jahren Entwicklung, Verbesserung und Erprobung haben wir ein Produkt, dass nun als «out-of-the-box»-Lösung auf dem Markt angeboten werden kann.

Herr Hartmann, besten Dank für das Interview.

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