Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group AG, im Interview

Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group AG, im Interview
Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group AG. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Oberhänsli, von Frauenfeld in die Welt: die Versandapotheke Zur Rose wächst international sehr stark. Bereitet Ihnen jetzt aber Amazon doch Kopfschmerzen?

Walter Oberhänsli: Nein. Zum einen gehe ich davon aus, dass ein allfälliger Markteintritt von Amazon die Online-Penetration zusätzlich beschleunigen würde, was allen Marktteilnehmern zugutekäme. Zum andern fühlen wir uns sehr gut aufgestellt dank unserer bereits gut etablierten Partnerschaften mit Stakeholdern im Gesundheitswesen, insbesondere Krankenversicherern. Im Weiteren glaube ich persönlich nicht an eine «One Brand fits all»-Logik. Im Apothekenmarkt geht es sehr stark um Vertrauen, und hier haben Marken wie DocMorris und Zur Rose mit einer bereits hohen Reichweite und einer starken Vertrauensbasis sehr gut Chancen.

In Deutschland hat Ihre Gruppe bald 10 Millionen Kunden. Was erwarten Sie da in den nächsten Jahren?

Wir haben mit dieser Kundenbasis eine hervorragende Ausgangslage geschaffen, um die Chancen des elektronischen Rezepts, das ab Januar 2022 verpflichtend wird, als wegweisenden Digitalisierungsschritt zu nutzen. Selbstverständlich werden wir unsere Kundenbasis weiter deutlich ausbauen.

«Die zur Rose-Gruppe ist Vorreiter der systematischen Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland.»
Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group

In Deutschland haben Sie zusammen mit Ihrem Partner IBM den Zuschlag für den Betrieb der flächendeckenden E-Rezept-Infrastruktur erhalten. Welchen Vorteil verschafft Ihnen das gegenüber der Konkurrenz?

Die erfolgreiche Beteiligung an der Ausschreibung festigt die Rolle der Zur Rose-Gruppe als Vorreiter der systematischen Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland.

In der Schweiz ist Zur Rose zusammen mit Partnern dabei, eine digitale Gesundheitsplattform aufzubauen. Das ist aber nicht die erste. Was ist Ihre USP?

Wir fokussieren uns darauf, die beste kunden- und patientenorientierte technische Lösung zu bieten. Unsere Plattform schafft die Basis für eine schweizweite, digital unterstützte und integrierte Versorgung.

Sie begreifen sich immer mehr als Gesundheitsdienstleister. Das ist der logische Schritt nach der Multikanal-Strategie. Danken es Ihnen die Kunden durch nachweisbar höhere Anbindung?

Auf unserem Weg zu einem umfassenden Gesundheitsdienstleister ist es unsere Vision, Patienten zu befähigen, ihre Gesundheit so zu managen, dass sie zu gesünderen Menschen werden. Es geht letztlich um eine personalisierte Behandlung und einen bequemen Zugang, um sicherzustellen, dass die Therapie und die Medikation, die es braucht, auch wirksam sind. Mit anderen Worten: Unser Tun und Handeln soll nutzenstiftend sein und stellt den Kunden und Patienten in den Mittelpunkt. Wir glauben, dass wir damit eine starke Bindung zu unserer Marke erreichen.

Was bringt die Lancierung der App DocMorris+ Ende letzten Jahres?

Die Gesundheitsplattform schafft perspektivisch einen einfachen und bequemen Zugang zu allen Gesundheitsdienstleistungen an einem Ort – von der Diagnose beim Online-Arztbesuch bis zum benötigten Medikament oder Gesundheitsprodukt. Die Kunden können dabei ihre Gesundheit über eine einzige App managen. Die Markteinführung der DocMorris+ App ist ein strategischer Meilenstein auf dem Weg zur integrierten Gesundheitsplattform. In der Startphase liegt der Fokus auf den Funktionen des Partnernetzwerkes sowie auf OTC-Bestellungen über den Versandweg. In einer weiteren Wachstumsstufe der Gesundheitsplattform werden den Kunden schnellere Belieferungsoptionen zur Verfügung stehen. Zudem wird das praxiserprobte E-Rezept-Modul bei einem relevanten E-Rezept-Aufkommen freigeschaltet.

«Wir glauben, dass der Fokus auf Investitionen in die Zukunft liegen muss, an der Entwicklung digitaler Services und dem Aufbau unserer Plattformen in unseren Technologiehubs in Barcelona, Winterthur und Berlin.»

Mittlerweile müssen Sie ja riesige Summen für Programmierarbeit ausgeben?

Wir stellen einen Shift von offline zu online fest, und die Digitalisierung wird diesen Trend fortsetzen. Wir glauben daher, dass der Fokus auf Investitionen in die Zukunft liegen muss, an der Entwicklung digitaler Services und dem Aufbau unserer Plattformen in unseren Technologiehubs in Barcelona, Winterthur und Berlin.

Welche strategischen Projekte oder Innovationen jenseits der IT stecken in der Pipeline?

Unter der Dachmarke DocMorris fördern wir den europaweiten Aufbau des Gesundheitsökosystems und des damit verbundenen Partnernetzwerkes. Die Zusammenarbeit mit dem globalen Gesundheitsunternehmen Novo Nordisk in Deutschland – mit der Absicht einer europäischen Ausdehnung – zeigt, wie wichtig es ist, mit erstklassigen Partnern im Gesundheitswesen unter einer Marke zusammenzuarbeiten. Die Kombination von Fachwissen und Partnern ermöglicht es, Menschen besser zu befähigen, ihre eigene Gesundheit zu managen und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Im Gesundheitsbusiness wird leider immer mehr mit harten Bandagen gekämpft. Wo sehen Sie als gelernter Rechtsanwalt die grössten Fehlentwicklungen?

Als E-Commerce-Anbieter stellen wir in der Apothekenbranche seit Jahren ein Beharren auf althergebrachten Strukturen fest, um den technologischen Wandel zu verhindern. Die Coronapandemie hat uns gelehrt, dass das Verschliessen vor Innovationen, welche die Digitalisierung ermöglicht, für die Gesundheit der Menschen nicht förderlich ist.

«Als E-Commerce-Anbieter stellen wir in der Apothekenbranche seit Jahren ein Beharren auf althergebrachten Strukturen fest, um den technologischen Wandel zu verhindern.»

Sind neben den Shop-in-Shop-Apotheken im Migros-Supermarkt in Crissier (VD) und im Einkaufscenter Tivoli in Spreitenbach weitere Standorte geplant?

Wir prüfen weitere Standorte – vor allem mit einem Fokus auf die Westschweiz, wo wir unsere Präsenz verstärken möchten.

Wie erleichtert sind Sie nach dem Freispruch (vom Vorwurf mit dem Arzneimittelversand gegen Schweizer Gesetze verstossen zu haben) durch das Bezirksgericht Frauenfeld?

Ich bin über den Freispruch erfreut, und es erfüllt mich mit Genugtuung, dass das Gericht unseren Ausführungen gefolgt ist. Quintessenz ist, dass sich der wirtschaftlich technologische Fortschritt – notabene zum Wohl des Patienten – auf Dauer nicht durch Gerichtsverfahren aufhalten lässt.

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