Lohnunterschiede zwischen Geschlechtern nehmen zwischen 2016 und 2018 leicht zu
Neuenburg – Frauen haben auf dem Schweizer Arbeitsmarkt im Jahr 2018 auch zwei Jahre nach der letzten Erhebung noch immer deutlich weniger verdient als Männer. Der Lohnunterschied betrug durchschnittlich 19 Prozent, wovon sich fast die Hälfte nicht mit Faktoren wie Bildungsgrad oder Dienstalter erklären lässt.
Ein Teil der Lohnunterschiede lässt sich durch Faktoren wie Alter, Ausbildung, Dienstjahre oder durch den Tätigkeitsbereich oder die Stelle erklären. Der andere Teil, der laut einer am Montag veröffentlichten Erhebung vom Bundesamt für Statistik (BFS) 45,5 Prozent des Lohnunterschiedes ausmacht, bleibt hingegen unerklärt. Das ist gegenüber 2016 eine Steigerung um 4,4 Prozentpunkte und kann so interpretiert werden, dass Männer im Schnitt 8,6 Prozent mehr verdienen als Frauen, einfach weil sie Männer sind.
Im öffentlichen Sektor, also bei Angestellten von Bund, Kantonen oder Gemeinden, nahm die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern zu. Sie belief sich 2018 auf 18,1 Prozent. Bei der Erhebung zwei Jahre vorher hatte sie noch 16,7 Prozent betragen. In der Privatwirtschaft blieb die Lohndifferenz gegenüber 2016 zwar unverändert, lag mit 19,6 Prozent aber nochmals ein Stück höher als im öffentlichen Sektor.
Es gab aber den Angaben zufolge grosse Unterschiede zwischen den Branchen: In der Banken- und Versicherungsbranche beispielsweise verdienten Frauen im Schnitt gut ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen. Davon sind laut der Erhebung allerdings nur 30,8 Prozent unerklärt.
Grössere Lohnunterschiede sind eher erklärbar
Im Gastgewerbe auf der anderen Seite war der Lohnunterschied mit 8,1 Prozent weitaus geringer. Davon ist aber mit 48,7 Prozent fast die Hälfte unerklärt. Noch höher fällt der unerklärte Unterschied im Detailhandel aus: Dort beträgt er 57,4 Prozent des Lohnunterschieds oder 624 Franken. Und auch in der Maschinenindustrie ist mit 53,5 Prozent oder 931 Franken mehr als die Hälfte des Lohnunterschieds nicht durch strukturelle Faktoren zu erklären.
Laut dem BFS fällt zudem auf, dass der unerklärte Anteil der Lohnunterschiede in kleineren Unternehmen ausgeprägter ist. Bei Unternehmen mit weniger als 20 Angestellten betrug er 2018 57,5 Prozent. Bei grösseren Firmen mit mindestens 1000 Angestellten lag er bei 31,5 Prozent. Zudem war er in tiefen Hierarchiestufen mit 75,9 Prozent deutlich grösser als in oberen Kaderpositionen, wo er noch 45,1 Prozent betrug.
Pyramide wird etwas steiler
Der prozentuale Anteil der Frauen in den untersten Lohnstufen nahm zwischen 2016 und 2018 etwas ab. 2018 waren in der Gesamtwirtschaft 60,9 Prozent der Arbeitnehmenden mit einem monatlichen Bruttolohn von unter 4000 Franken für eine Vollzeitstelle Frauen. Zwei Jahre zuvor waren es noch 63,2 Prozent gewesen.
An der Spitze der Lohnpyramide waren 81,2 der Arbeitnehmenden mit einem Monatslohn von über 16’000 Franken männlich.
«Entwicklung muss umgekehrt werden»
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund zeigt sich in einer Mitteilung enttäuscht von den veröffentlichten Zahlen. «Diese Entwicklung muss dringend gestoppt und umgekehrt werden», so der Verband. Auffällig sei, dass der Lohnunterschied, der sich mit Faktoren wie Ausbildung, Berufserfahrung und Hierarchiestufen erklären lässt, zwischen 2014 und 2018 etwa gleich gross geblieben, aber die Lohndiskriminierung gestiegen sei.
Doch auch der auf erklärbare Faktoren zurückführbare Lohnunterschied ist dem Verband zufolge mit 10 Prozent zu gross. Denn auch er beruhe auf diskriminierenden Strukturen im Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft: Frauen würden oft in Berufen arbeiten, die nicht ihrem Wert entsprechend entlöhnt seien und hätten oft weniger Chancen auf einen Karriereaufstieg. Ausserdem leisteten sie den grösseren Teil der unbezahlten Arbeit.
Der SGB pocht deshalb auf die Pflicht der Unternehmen, im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes ihre Lohnsysteme mit den Sozialpartnern auf Diskriminierung zu analysieren und diskriminierende Löhne umgehend anzupassen. Ab dem kommenden Sommer müssen grosse Firmen mit über 100 Mitarbeitenden nämlich eine Lohngleichheitsanalyse durchführen. Das Gesetz sieht allerdings vorerst keine Sanktionen vor für Unternehmen, bei denen Ungleichheit festgestellt wird. (awp/mc/ps)