Rolf Zaugg, Vorsitzender der Bank Avera-GL, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Zaugg, 2020 war nach dem Austritt aus dem Verbund der Clientis Banken das erste Jahr als eigenständige Bank. Welche Bilanz ziehen Sie?
Rolf Zaugg: Wir ziehen eine sehr positive Bilanz nach dem ersten Jahr als eigenständige Bank. Das Jahr 2020 hat gezeigt, dass wir agiler und digital besser aufgestellt sind. Wir konnten in unserem Kerngeschäft erneut zulegen und ein gutes Jahresergebnis erzielen.
Der Anstieg der Kundengelder (+3,4%) deckt den Anstieg der Ausleihungen (+3,6%) fast komplett ab. Wie werten Sie das erzielte Resultat?
Wir sind mit dem Jahresergebnis äusserst zufrieden. Wir haben das erste Jahr als eigenständige Bank mit einem Plus von 2,9 Prozent abgeschlossen und verfügen über eine ausgewogene Bilanzstruktur. Mit den gesteigerten Kundengeldern und Ausleihungen liegen wir über dem Marktdurschnitt und bestätigen somit unsere Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit.
«Das Jahr 2020 hat gezeigt, dass wir agiler und digital besser aufgestellt sind.»
Rolf Zaugg, Vorsitzender der Bank Avera Geschäftsleitung
Wie hat sich der Immobilienmarkt entlang der rechten Seite des Zürichsees bis ins Zürcher Oberland entwickelt? Wie beurteilen Sie das Preisniveau?
Der Immobilienmarkt im Kanton Zürich und somit im Marktgebiet der Bank Avera ist seit mehreren Jahren robust und bewegt sich auf einem sehr attraktiven Niveau. Die Nachfrage nach Wohneigentum ist nach wie vor gross. Die Aktivitäten am Immobilienmarkt waren im 2020 sogar leicht höher als im Vorjahr. Corona-bedingt kam ein zunehmendes Bedürfnis nach mehr Freiraum und ländlicher Umgebung hinzu, was wir auch in unserem Marktgebiet vor allem bei Stockwerkeigentum und Einfamilienhäusern feststellen und sich im entsprechend hohen Preisniveau wiederspiegelt. Der Trend zum Homeoffice hat diese Entwicklung beschleunigt.
Der Wunsch nach Wohneigentum ist während Corona weiter gestiegen, gleichzeitig ist die Finanzierung resp. die Tragbarkeit von Wohneigentum für viele Private kaum mehr möglich. Wie beurteilen Sie die Situation?
Die Nachfrage nach Wohneigentum lässt die Preise in der Tat steigen und spielt sich in diesen wieder. Gleichzeitig haben wir aber weiterhin ein anhaltendes Tiefzinsniveau, das insbesondere Hypothekarnehmende dazu veranlasst, mittel- bis langfristige Festhypotheken abzuschliessen. Da die Tiefzinsen auf Jahre hinaus zementiert scheinen, werden Finanzierungskosten von Wohneigentum auf absehbare Zeit vielerorts tiefer bleiben als die Mieten. Zudem besteht auch wieder eine deutlich stärkere Nachfrage im Produktsegment der LIBOR- beziehungsweise SARON-Hypotheken. 2020 hat sich dieses flexible Hypothekarmodell mit einer Zunahme von über CHF 50 Millionen beziehungsweise mit rund 10 Prozent bei der Bank Avera überdurchschnittlich entwickelt.
In diesen Tagen lanciert die Bank Avera die neue Öko-Hypothek. Welches sind die besonderen Eigenheiten dieser Hypothek?
Mit der neuen Öko-Hypothek fördern wir das Bauen nach Minergie-Standard. Das Angebot entspricht einem substanziellen Rabatt auf alle Hypothekarprodukte, sofern das Eigenheim Minergie-zertifiziert ist und es sich um selbstbewohntes Eigentum handelt. Die Vergünstigung wird für die gesamte Hypothekarsumme und ohne einschränkende Laufzeit gewährt. Sie gilt sowohl für Neufinanzierungen als auch für Hypothekarablösungen.
Das Kerngebiet der Bank Avera sind die Kundenausleihungen. Mit der neuen Öko-Hypothek können wir unser Angebot mit einer nachhaltigen Lösung erweitern.
Wie erklärt sich der gegenüber dem Vorjahr fast 11% höhere Geschäftsaufwand?
Mit dem Schritt in die Eigenständigkeit nahmen wir bisher bei der Clientis AG ausgelagerte Aufgaben und Funktionen zurück. Als Folge der Wiedereingliederung von zuvor ausgelagerten Prozessen und Funktionen verzeichneten wir 2020 einen erhöhten Geschäftsaufwand. Wir haben hauptsächlich Investitionen im digitalen Bereich und in die Infrastruktur getätigt und neue Kompetenzen in den Bereichen Risk und Compliance sowie im IT- und Produktmanagement und im Vertrieb aufgebaut. Wir haben mit diesem höheren Geschäftsaufwand gerechnet und sehen diesen als Investition in die Zukunft.
Wie hat die Corona-Pandemie das Geschäft beeinflusst?
Die Corona-Pandemie hat unser Geschäft nicht markant beeinflusst. Da wir bereits vor Ausbruch der Pandemie digital gut aufgestellt waren, konnten wir unsere Dienstleistungen ohne Unterbruch vollumfänglich anbieten. Das Firmenkundengeschäft zählt bei uns allerdings zu einem wichtigen Geschäftszweig. Als Regionalbank mit genossenschaftlichem Charakter ist es uns ein grosses Anliegen, den Firmen, die aufgrund der Pandemie in finanzielle Not geraten, Unterstützungsleistungen anzubieten. Wir haben uns deshalb an den Covid-19-Unterstützungsprogrammen von Bund und Kanton beteiligt. Bis Ende 2020 haben wir 234 Kredite gewährt. Per Jahresende bestanden Covid-19-Kredite mit einem Gesamtvolumen von CHF 16,11 Millionen. Auch weiterhin beteiligen wir uns am Unterstützungsprogramm des Kantons Zürich.
Haben Sie Anpassungen am Risikomanagement vorgenommen?
Nein, im Hinblick auf die Pandemie haben wir keine Anpassungen vornehmen müssen. Allerdings haben wir eine Covid-19-Taskforce ins Leben gerufen. Diese beobachtet die Lage laufend, trifft sich regelmässig in digitalen Meetings und ergreift, wenn nötig, Massnahmen.
Die Bank Avera ist Anfang 2020 auf die Open Banking-Plattform von Inventx migriert. Welche Vorteile hat Ihnen dieser Schritt gebracht?
Um in Zukunft erfolgreich im Banking tätig sein zu können, brauchen wir IT-Lösungen, die es uns ermöglichen, flexibel zu bleiben, rasch zu agieren und auch individuelle Bedürfnisse automatisiert abzudecken. Mit der Open-Finance-Plattform haben wir diese Möglichkeit. Ein ausgewählter Vorteil ist, dass wir Applikationen und Systemunterstützungen entlang der künftigen Kundenbedürfnisse nun unabhängiger vom Kernbankensystem und nach eigener Prioritätensetzung realisieren können. Das erleichtert das Eingehen von Partnerschaften und die digitale Vernetzung. Seit der Eigenständigkeit können wir agiler auf unser spezifisches Marktumfeld einwirken. Wir können schneller und umfassender auf den technologischen Wandel und die fortschreitende Digitalisierung reagieren und dadurch noch gezielter auf die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden eingehen.
«Die Weiterentwicklung der technischen Infrastruktur ist für uns ein zentrales Thema im Jahr 2021.»
2021 soll im Zeichen der technischen Infrastruktur stehen. Was ist konkret geplant?
Die Weiterentwicklung der technischen Infrastruktur ist für uns ein zentrales Thema im Jahr 2021. Wir werden weiterhin die Digitalisierung innerhalb der Bank Avera vorantreiben, unsere digitalen Kanäle optimieren sowie das digitale Angebot ausbauen. Durch den gezielten Einsatz technischer Hilfsmittel werden wir zudem unsere Arbeits-abläufe effizienter gestalten und Prozesse – wo möglich – automatisieren. Dadurch werden unsere Beraterinnen und Berater mehr Zeit für persönliche Kundenberatungen haben. Denn nach wie vor setzen wir auf eine umfassende persönliche Beratung.
Des Weiteren haben wir im vergangenen Jahr unsere Anlagelösungen überarbeitet und unser Angebot mit weiteren Produkten – Global, Nachhaltig und Schweiz – ausgebaut. Diese gilt es im aktuellen Jahr umzusetzen. Und natürlich wird auch der Bau unseres neuen Hauptsitzes in Wetzikon weiterhin eine zentrale Rolle spielen.
«Der neue Hauptsitz in Wetzikon wird Arbeitsstätte des gesamten Managements, des Back Offices sowie der Bereiche Private Banking, Beratungscenter, Firmenkunden und der Filiale Wetzikon.»
Was können Sie uns zum Projekt sagen und wann wird das Gebäude bezugsbereit sein?
Bis heute waren unsere zentralen Abteilungen auf verschiedene Standorte verteilt. Der neue Hauptsitz in Wetzikon wird Arbeitsstätte des gesamten Managements, des Back Offices sowie der Bereiche Private Banking, Beratungscenter, Firmenkunden und der Filiale Wetzikon. Dadurch wird eine effiziente Arbeitsweise und der persönliche Austausch unter den Mitarbeitenden gefördert sowie den Kundinnen und Kunden ein modernes Beratungserlebnis ermöglicht. Zudem entstehen auf demselben Grundstück neunzehn Wohnungen in unmittelbarer Bahnhofsnähe. Der neue Hauptsitz wird voraussichtlich im Herbst 2022 bezugsbereit sein.
Letzte Frage: Welche Lehren ziehen Sie nach über einem Jahr aus der Pandemie? Einerseits für Ihr Unternehmen, andererseits für sich persönlich?
Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass wir als Bank Avera bereits sehr agil unterwegs und digital gut aufgestellt sind. Es hat die hohe Relevanz der digitalen Kanäle und der technischen Infrastruktur nochmals unterstrichen und unseren Entscheid, diesen Bereich weiter voranzutreiben bestätigt. Bereits vor 2020 war mir bewusst, dass wir sehr engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Bank Avera haben und unsere Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. Im vergangenen Jahr haben sie aber nochmals eine erhöhte Flexibilität und ein ausgezeichnetes Engagement gezeigt. Für diesen Einsatz bin ich Ihnen äusserst dankbar.
Herr Zaugg, besten Dank für das Interview.