Leck im Steyr: Kühle Wasser gründen tief
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Dabei hatte Wilhelm Busch sicherlich keinen Steyr und keine Pläne, mit einem negativen Corona-Test Italien zu bereisen. Da braucht es schon den Steyr-Flüsterer, eine Portion Ruhe und die eng verknüpfte Gemeinschaft, um die Situation zu retten. Aber alles der Reihe nach.
Von Helmuth Fuchs
Eigentlich war, wohin die Reise führen sollte, wie immer mit viel Unwägbarkeiten versehen, vom Wetter und neuerdings von Corona abhängig. Weit oben auf der Liste wäre Frankreich und dort speziell die Loire und dann die Bretagne gestanden. Hat sich aber mit den ähnlich miesen Wetteraussichten wie in der Schweiz erledigt. Italien hingegen punktete sowohl mit Wetter- als auch Corona-Öffnungsaussichten. Zudem ist es eines der wenigen Länder, das auch einen Antigen-Schnelltest anstelle des PCR-Tests akzeptiert. Der Unterschied liegt in der enormen Bohrtiefe Richtung obere Schädeldecke und in die Tiefen des Rachens. Als bekennende Weicheier und ItalienverehrerInnen ist die Wahl schnell getroffen.
Das schwarze Kühlmittel-Loch im Steyr-Universum
Schon einmal musste ich, nach einer relativ kurzen Fahrt, im zuvor schon aufgefüllten Kühlwassertank Flüssigkeit nachschütten. Nicht viel dabei gedacht, da das Problem behoben schien und der Steyr sein Einstellhallendasein problemlos fristete. Kein Tröpfchen irgendeiner Flüssigkeit auf dem Boden, starten, als sei er nur Minuten zuvor abgestellt worden. Dann, nach wenigen Kilometern, sprunghafter Anstieg der Kühlmitteltemperatur und die grell orange leuchtende Warnung. Zum Glück hatte ich noch Kühlmittel dabei und konnte das Problem kurzfristig für die Weiterfahrt beheben. Zuhause dann mit Wasser nachfüllen und feststellen, dass weitere zwölf Liter in den Tiefen des Steyrschen Universums verschwanden. Irgendwie ein schwarzes Loch von Antikühlmittel. Kein Tropfen irgendwo am Boden, das Fahrgestell trocken, ebenso sämtliche Kühl- und Heizleitungen, kein Verlust in der Aufbaukabine.
Wie immer beim schnellen Erreichen der persönlichen Ahnungslosigkeitsgrenze hilft nur ein Anruf bei Dänu Abbühl, dem Schweizer Äquivalent des Steyr-Gottes (oder Schrauberpapstes, wenn es eine Stufe tiefer sein soll). Seine wie immer schnelle erste Frage: Hast Du den Ölstand gemessen? Hab ich in diesem Fall, er war sensationell hoch, was ich aber fälschlicherweise einer vermuteten Überfüllung des Öls durch wohlmeinende Garagisten zuschrieb.
Dänus Vermutung war natürlich sehr viel präziser: «Die Kühlmittelpumpe könnte die Kühlflüssigkeit in den Motor pumpen. Aber dazu müsste man das Öl ablassen und schauen, ob dort Kühlflüssigkeit drin ist.» Da ich weder den Garagenvorplatz der Nachbar einer Ölschwemme aussetzen wollte, noch eine neue Kühlmittelpumpe als Ersatz gehabt hätte, gab es nur eine Lösung: Statt direkt in den Süden zuerst einmal zu Meister Abbühl nach Kappel. Der nahm sich nebst all seinen anderen Projekten notfallmässig Zeit.
In seiner Garage dann zuerst einmal einen Kaffee und in Ruhe alles schildern, was zu beobachten war rund um das unerklärliche Verschwinden von ca. 30 Litern Kühlflüssigkeit. Dann Motor starten, und den Deckel des Öleinfüllstutzens weg. Der Deckel ist sauber und trocken, was gut ist. Jedoch sieht, was dann aus dem Stutzen kommt aus wie ein zweiter Auspuff (ohne Dieselpartikelfilter), der im Takt des Motors weisse Wolken wie nach einer überwältigend eindeutigen Papstwahl ausstösst.
Nicht wirklich gut. Danach das Öl abgelassen. Statt der ausreichenden Menge von 15 Litern waren es wohl eher 45 Liter, was in etwa der verschwundenen Menge Kühlmittel plus der regulären Menge an Öl entspricht. Eine bubbernde Blöterli-Mischung aus Öl, Wasser und Kühlmittel. Es braucht schon einen 30-jährigen LKW vom Kaliber eines Steyrs, um mit der Melange überhaupt noch fahrtüchtig zu sein.
Die Ursache ist nach dem Ausbau der Kühlwasserpumpe dann schnell gefunden. Die Pumpe hat Spiel beim Zahnrad und das kleine Bohrloch (sichtbar bei der neuen Pumpe unten im Bild), das bei Überdruck oder Fehlfunktion durch das Ablassen des Kühlmittels einen Durchbruch in den Motorkreislauf verhindert, ist vollständig verschlossen. Somit konnte das Kühlmittel in den Motorkreislauf gelangen.
Im Nachhinein kann man Zeichen immer klarer deuten
Das ruft bei mir eine Erinnerung wach, die ich und auch die damals involvierten Mechaniker völlig falsch interpretierten: Beim Steyr fand sich zu Beginn jeweils im Bereich der Vorderachse eine kleine Pfütze einer leicht öligen Flüssigkeit. Es war aber kein Motorenöl, auch kein reines Wasser, kein Getriebeöl oder Bremsflüssigkeit. Der damalige Garagist baute auf der Suche nach dem Leck den Nebenantrieb aus, ersetze dort einen Simmerring (auch zu Schulungszwecken des Lehrlings, der so etwas noch nie gemacht hatte und sich aufrichtig freute, hier eine erste Gelegenheit zu haben). Die ganze Operation brachte zwar nicht den erhofften Erfolg, aber kurz darauf verschwanden die kleine Flecken, was ich dankbar als Verschwinden des Problems interpretierte.
Ein Chirurg bei der Arbeit
Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Oberflächliche Probleme, die verschwinden, entwickeln sich meisten unter der Oberfläche weiter (ist unter anderen auch ein homöopathisches und medizinisches Prinzip). Und Ursache und Wirkung sind nicht dasselbe wie zeitliche Korrelation. Das war hier genau so: Zufällig verstopfte das kleine Loch in der Pumpe zeitnah zum Garagenbesuch. Erst der Verschluss des Ventils machte aus einem hilfreichen Hinweis eine echtes Problem.
Da ich nebst den kleinen Hilfsarbeiter-Einsätzen genügend Zeit habe, Dänu bei der Arbeit zu beobachten, bin ich einmal mehr schwer beeindruckt von seiner Ruhe und der Art, wie er Probleme analysiert und löst. Zuerst organisiert er mit einem einzigen Anruf eine neue Pumpe bei einem seiner Kunden und Kollegen, Michael Gehri, im 45 Minuten entfernten Brittern.
Seine Handgriffe sind spärlich, wohl überlegt und das Resultat eines Ablaufes, den er sich scheinbar zuvor im Kopf zurecht gelegt und mehr als einmal durchgespielt hat. Wie bei einem guten Chirurgen ist kein Handgriff, kein Schnitt zu viel, alles darauf ausgelegt, möglichst keinen Schaden anzurichten, die Folgen des Eingriffes minimal zu halten und das Problem in kürzest möglicher Zeit zu beheben. Wenn er bei seiner Arbeit ein weiteres Problem oder das Risiko eines sich abzeichnenden Problems entdeckt, macht er eine schnelle Analyse und behebt es mit minimalem Aufwand.
Dänu hat ein einfaches Credo: Er macht all seine Arbeiten so, dass er bestmögliche Bedingungen vorfindet, wenn der LKW wieder zu ihm in die Reparatur kommt. Jede Schraube wird eingefettet und mit der genau dafür vorgesehenen Kraft angezogen. Briden werden so eingesetzt, dass sie jederzeit problemlos zugänglich sind. Es gibt nie eine unnötige Kraftanwendung. Jedes Teil wird so lange gedreht, gefettet, positioniert, bis es mit minimaler Kraft an seinen Platz passt. Was für ein Unterschied zu den hämmernden Berufskollegen, die es oft so hinwürgen, dass es vermeintlich für die Ewigkeit hält, aber mit Sicherheit nie mehr ausgewechselt werden kann.
Das Paradox der Geschwindigkeiten: Sieht langsam aus und ist unheimlich schnell
Von aussen sieht das alles sehr behutsam, manchmal schon fast zärtlich aus (und das bei einem Lastwagenmechaniker, ich weiss) und irgendwie langsam. Einfach deshalb, weil es keinen unnötigen Griff, keinen unnötigen Weg gibt im wohl durchdachten Ablauf. Im Endeffekt aber ist Dänu Abbühl unheimlich schnell. Das Problem hat er am gleichen Tag erkannt, das dafür nötige Teil besorgt und ausgewechselt, zweimal das Öl vollständig gewechselt, damit keine Rückstände im Motor verbleiben und die dazu nötigen Filter ebenfalls bei einem Unternehmen in der Nähe besorgt und ausgewechselt. Dazwischen findet er auch immer wieder Zeit, uns genau zu erklären, was er macht, wieso er es genau so macht und beantwortet geduldig all unsere naiven Fragen. Um vier Uhr nachmittags steht unser Steyr wieder abfahrbereit vor seiner Garage. Einmal mehr hat er den Steyr und unsere Ferien gerettet. Bis zum nächsten Mal.
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