Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: FuckElon

Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: FuckElon
Martin Neff, ehemaliger Raiffeisen-Chefökonom. (Foto: zvg)

Sagen Ihnen die Namen Akio Toyoda oder Herbert Diess was? Oder kennen Sie Oliver Zipse bzw. Luca de Meo? Keine Sorge, falls sie auch nicht mal einen kennen, sind sie dabei ganz und gar nicht allein. Aber einen kennen Sie ziemlich sicher, Elon Musk. All diese Herren haben eins gemeinsam, sie sind Chefs namhafter Automobilproduzenten. Der erstgenannte ist Chef von Toyota, dem derzeit grössten Automobilbauer der Welt und Herbert Diess ist Chef von Volkswagen, der Nummer 2 weltweit.

2020 setzte Toyota 9,53 Millionen Fahrzeuge ab, VW die Nummer 1 des Vorjahres brachte es auf 9,16 Millionen Autos, 1,6 Millionen weniger als im Jahr 2019, als Corona noch kein Thema war. Oliver Zipse schliesslich ist Chef von BMW, Jahresausstoss 2020 2,33 Millionen und Luca de Meo Chef von Renault konnte 2.95 Millionen Fahrzeuge vom Band laufen sehen. Auch eine Frau spielt eine grosse Rolle. Mary Barra ist Chefin der Nummer drei der Welt, namentlich General Motors mit 6,8 Millionen produzierten Einheiten. Aber die Hauptrolle in der Branche – so die öffentliche Wahrnehmung der letzten Jahre – spielt ein anderer, eben Elon Reeve Musk, wie sein vollständiger Name lautet.

Tesla produzierte 2019 im Vergleich zu den Riesen im Geschäft bescheidene 500’000 Fahrzeuge, Toyota also fast 20 Mal mehr oder BMW fast 5 Mal mehr. Tesla wird aber gemessen an der Marktkapitalisierung an der Börse fast doppelt so hoch gehandelt wie Toyota und fast sieben Mal höher als BMW. Tesla bringt an der Börse sogar mehr Gewicht auf die Waage als alle deutschen Autobauer zusammen, ist selbst aber nur der 17. grösste Autobauer der Welt. Was ist da bloss los? Die Erklärung ist eigentlich trivial. Elon Musk ist Weltklasse im Inszenieren grosser Spektakel und konnte allein damit einen Hype bei zwar einfach Denkenden dafür aber umso gierigeren Investoren anfachen. Ein Hype, der auch heute noch jeglicher Vernunft entbehrt, auch wenn die Tesla Aktie inzwischen kräftig Federn lassen musste. Noch vor wenigen Monaten war sie fast 50 % (höchst am 21.1.2021 mit 900.4 USD) mehr wert. Der absolute Wahnsinn doch auch die heutige Notierung um die 600 USD ist im Peervergleich noch immer purer Wahnsinn angesichts der tatsächlichen, höchst bescheidenen Zahlen, die Tesla schreibt. Elon Musk gelang es aber bis vor kurzem wiederholt, die Realität auszublenden und die Leute ins Schwelgen zu bringen: so sehr, dass Tesla zum grossen Spekulationsobjekt verkam, das alle anderen Automobilkonzerne noch viel älter aussehen liess als sie schon sind. Der Hype um Tesla ging dermassen ab, dass die Tesla Aktie seit Anfang 2020 sogar mehr zulegte als der Bitcoin. Crypto und Tesla: da gibt es gewisse Gemeinsamkeiten.

Storytelling ist an der Wall Street fast genauso wichtig, wie Ergebnisse liefern. Das ist soweit nichts Neues, aber in einem solchen Ausmass wie im Falle Teslas doch höchst ungewöhnlich, zumal eigentlich nur eine Stimme für Tesla spricht. Der Chef höchstpersönlich. Und wenn der auf Twitter zwitschert, löst das meist auch ein Kursfeuerwerk aus, selbst wenn seine Tweets noch so kryptisch sind. 2018 schrieb ihm die US-Börsenaufsicht SEC gerichtlich vor, dass er seine Tweets vor der Veröffentlichung durch seine Anwälte überprüfen lassen müsse, nachdem er mit der Ankündigung für Furore gesorgt hatte, Tesla von der Börse zu nehmen und dazu zwitscherte, eine solche Transaktion sei finanziell gesichert (funding secured). Das brachte die SEC auf den Plan. Musk zahlte 20 Millionen Busse, gab den Verwaltungsratsvorsitz bei Tesla ab und musste die oben geschilderte gerichtliche Auflage anerkennen, wonach er seinen Anwälten die Tweets vor Veröffentlichung vorzulegen habe. Offenbar schert sich Musk nicht darum, wie das Wall Street Journal unlängst feststellte. Es beruft sich dabei auf ein Schreiben der SEC an Musk, aus dem klar hervorgeht, dass Musk die gerichtlichen Auflagen nicht erfüllt.

Musk zwitschert unglaublich viel Unsinn auf Twitter, hat aber sage und schreibe 56,8 Millionen Follower, darunter die Mehrheit wohl eher Lemminge. Wie kryptisch seine Tweets tatsächlich sind, musste nun auch die Kryptowährungsbranche zur Kenntnis nehmen. Wilde Gerüchte sind neben der krassen Gier bekanntlich die Haupttreiber des Kryptowährungsbooms. Am 20. Dezember 2020 hatte Musk gezwitschert «Bitcoin is my safe word», was wohl viele Spekulanten als Kaufsignal werteten. Im Januar 2021 investierte er 1,5 Milliarden Tesla-Liquidität in Bitcoin. Als er Ende Januar 2021 #Bitcoin in seine Twitter-Biographie mit aufnahm, schnellte der Bitcoin-Preis 20 % in die Höhe. Dann folgte die Zusage, Bitcoin als Zahlungsmittel für Tesla zu akzeptieren. Folge davon: am 14 April notierte der Bitcoin bei 64’462 USD, so hoch wie noch nie zuvor. Am 7. Mai zwitscherte Musk zwar noch «Cryptocurrency is promising, but please invest with caution». Doch da war der Bitcoin schon im freien Fall, den er auch nicht mit Beteuerungen stoppen konnte, Tesla habe keine Bitcoins verkauft. Zuvor hatte er schon verkündet, Tesla habe den Fahrzeugverkauf gegen Bitcoin eingestellt. Die Macht des Gezwitschers ist schon fast unglaublich. Nicht jedoch für die Leichtgläubigen, die haben immer noch das Gefühl, Bitcoin und Co seien die Zukunft und sogar werthaltig. Dabei steht jetzt einmal mehr fest. Mit Kryptowährungen lässt sich viel, viel Geld verdienen, aber genauso viel verlieren. Wie im Casino gewinnt mit Sicherheit immer nur die Spielbank. Dass Musk mit führenden Bitcoin-Minern darüber sprach, in Zukunft vermehrt auf erneuerbare Energien zu setzen, ist die vorerst letzte Alibiübung, um das von ihm mitangerichtete Debakel in der Kryptoszene zu übertünchen. Bekanntlich hat sich die Juxwährung Dogecoin vorübergehend in die Top Five der Kryptowährungen hochgeschwungen. Auch da hatte Tausendsassa Musk seine Hände im Spiel und bezeichnete sich selbst gar als Dogefather und Dogecoin als mögliche «Rettungswährung des globalen Finanzsystems». Dogecoin legte ein Kursfeuerwerk von 14’400 Prozent hin. Wer da wohl alles mitverdient hat? Musk ist sicherlich ein Genie. Tesla, SpaceX, Hyperloop und Neuralink sind allesamt spannende Produkte oder Projekte. Doch Wahnsinn und Genie liegen eben oft nah beieinander. Mit der Kryptoszene hat er es sich wohl fürs Erste verscherzt. Es gibt inzwischen zwei Kryptowährungen, die ihn alles andere als huldigen. Die eine heisst FuckElon, die andere StopElon. Hoffentlich schneidet Dogefather sich nicht noch ein Ohr ab.

One thought on “Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: FuckElon

  1. «Das kann mir keiner,
    das kann mir keiner,
    das kann mir keiner nehmen und das ist
    der pure Neid am Leben! »
    :-))

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