BlackRock – Aktueller Blick auf die Märkte: Lagardes mediale Meisterleistung
Christine Lagarde wusste genau, dass sie den versammelten Journalisten die perfekte Schlagzeile geradezu diktierte. Mit ihrer lässig-eleganten Klarstellung «The Lady isn’t tapering», eine Referenz an Margaret Thatchers berühmt gewordenes «The Lady isn’t for turning» (mit diesen Worten lehnte die eiserne Lady anno 1980 eine Abkehr von ihrer harten Wirtschaftspolitik ab) stellte die EZB-Präsidentin klar, dass die für Q4 anstehende Verringerung der Anleihekäufe keineswegs das befürchtete ‚Tapering‘ darstelle, sondern eine notwendige Anpassung an die Umstände. Und diese seien nun mal deutlich aufgehellt, das Wachstum falle durch den bereits laufenden postCovid-Neustart stärker aus als bisher gedacht, und auch die Inflation sei robuster als erwartet.
Das – wie der Name sagt – für den Notfall konzipierte PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) könne somit im weiteren Jahresverlauf etwas reduziert, also Richtung Ausgangsniveau normalisiert werden. Erinnern wir uns: Noch im ersten Quartal lagen die PEPP-Volumen in der Grössenordnung von rund €60 Mrd. Euro pro Monat, wurden dann aber infolge der stark gestiegenen Anleihezinsen in den USA, mithin aus Angst vor verschlechterten Finanzierungsbedingungen auch für europäische Unternehmen, in Q2 und Q3 auf rund €80 Mrd. hochgefahren. Nun, so Lagardes Narrativ, könne man angesichts der entspannteren Lage die Kaufvolumen «rekalibrieren», ohne genau diese Verschärfung der Finanzierungsbedingungen zu riskieren. Wenn die EZB also im letzten Quartal des Jahres auf €60 Mrd. oder vielleicht €70 Mrd. € zurückgehe, sei dies keine Straffung der Geldpolitik (also Tapering), sondern die Umsetzung der Erkenntnis, dass die Notmassnahme nicht mehr im bisherigen Umfang benötigt werde. Lagarde mag keine Ökonomin sein, das kommunikative Spiel mit Medien und Finanzmärkten beherrscht sie aber perfekt. Die Rentenmärkte jedenfalls verzogen keine Miene.
Mit Blick nach vorn wird für die Politik der Zentralbanken entscheidend sein, wie hartnäckig sich die Inflationsraten über dem 2%-Ziel halten. Für die EZB ist diese Fragestellung noch wichtiger als für die Fed, da sich letztere mit dem «Average Inflation Targeting» geschickt Zeit gekauft hat. Wenn die Inflation in den USA dauerhaft höher liegt, kann die Fed dies jederzeit als erwünscht und genau im Rahmen ihrer neuen Strategie interpretieren. Anders die EZB. Die nennt ihr Inflationsziel zwar nunmehr auch symmetrisch, 2,2% sind also von nun an genauso gut wie 1,8%, aber sie wird es sich nicht leisten können, bei dauerhaft über 2% liegenden Verbraucherpreisen weiter voll auf dem Gaspedal zu bleiben. Für den Moment sind sich nahezu alle einig, dass die gegenwärtigen Inflationsraten angesichts der Covid-bedingten Verzerrungen erwartbar waren. Die entscheidende Frage ist eher, ob sich aus den aktuell beobachtbaren Impulsen der Beginn einer Inflationsspirale ergeben könnte.
Es war bemerkenswert, wie viel Zeit sich Christine Lagarde am vergangenen Donnerstag nahm, um genau diese Journalistenfrage zu beantworten. Sie nannte Basiseffekte ebenso wie die deutsche Mehrwertsteuernormalisierung und CO2Steuer, verwies auf die vermutlich temporären Preiseffekte bei personenbezogenen Dienstleistungen nach dem Öffnen von Lockdowns und gab zu, dass niemand absehen könne, wie lange pandemiebedingte Störungen globaler Lieferketten die Produzentenpreise hoch halten würden. Der entscheidende Punkt bei Übersetzung temporärer Inflationsschübe in langfristige Preisniveauanstiege sind aber die Löhne, auch darauf wies Lagarde hin. Und angesichts einer Inflationsprognose von gerade mal 1,5% zum Ende des Prognosezeitraums (Ende 2023) in den neuen Schätzungen der EZB-Volkswirte ist klar erkennbar, dass die EZB das Aufkommen einer solchen Lohn-Preis-Spirale für eher unwahrscheinlich hält. Dem würde ich mich anschliessen. Dass jetzt die üblichen Verdächtigen in Deutschland angesichts der gegenwärtigen Inflationszahlen Schnappatmung bekommen, sollte man als normalen Schlachtenlärm im Wettbewerb um die Meinungsführerschaft deuten, gerade in einem Wahljahr. Also cool bleiben.
Nutzt Laschet die Chance, die er nicht hat?
Wer wissen wollte, wie verzweifelt die Union angesichts ihrer Umfragewerte ist, musste nur den CSU-Parteitag verfolgen. Denn dort wurde Armin Laschet so freundlich empfangen, so artig beklatscht und so fürsorglich rhetorisch in Watte gepackt, dass man selbst bei genauem Hinhören in Markus Söders Rede kaum Gemeinheiten entdecken konnte. Nur hat auch das zweite TV-Triell am Sonntag wieder gezeigt, dass Laschet machen kann, was er will. Er scheint angesichts der Wählermeinung auf verlorenem Posten zu stehen. Noch ist die Wahl nicht verloren, aber die nächsten Tage bieten Laschet wohl die letzte Chance, die Dinge noch zu drehen. Lassen sich aber auch weiterhin nicht genügend Wähler mit dem Schreckgespenst eines Linksbündnisses mobilisieren, das die Union derzeit an jede Häuserwand malt, und kann Laschets Hauptgegner Olaf Scholz trotz Wirecard, Cum-Ex und Razzia im Finanzministerium seinen wundersamen Vorsprung halten, dürfte sich der Unionskandidat künftig wohl auch weiterhin an den Schönheiten Düsseldorfs erfreuen. Fragt sich dann nur, in welcher Rolle. (BlackRock/mc/ps)