EY Bankenbarometer 2022: Schweizer Banken zeigen sich optimistisch
Zürich – Die Ergebnisse des Bankenbarometers 2022 von EY in der Schweiz zeigen, dass Schweizer Banken bisher gut durch die Corona-Pandemie gekommen sind. Künftige Entwicklungen auf den Finanzmärkten und der eigene Geschäftsgang werden deutlich positiver eingeschätzt als noch vor einem Jahr. Die befragten Banken rechnen zudem mit einer begrenzten Inflation und einem anhaltenden Tiefzinsumfeld in der Schweiz. Nachhaltigkeit ist nach wie vor ein bestimmendes Thema für die Mehrzahl der Banken; zugleich plant über die Hälfte neue Anlageprodukte zu Kryptowährungen.
Zuversicht hinsichtlich der operativen Ergebnisse für 2021 und darüber hinaus
Die Banken haben in der seit beinahe zwei Jahren anhaltenden Pandemie eine beachtliche Resilienz gezeigt und solide Ergebnisse erzielt. Im Schweizer Kreditgeschäft waren bislang keine wesentlichen Ausfälle zu verzeichnen und die Banken konnten sowohl im Kommissions als auch im Handelsgeschäft von der positiven Stimmung an den Finanzmärkten in den vergangenen Monaten profitieren. „Die Banken blicken mit Optimismus in die Zukunft – eine Euphorie wäre aber fehl am Platz, denn die strukturellen Herausforderungen mit Margenerosion im Anlage- und Zinsgeschäft haben sich nicht in Luft ausgelöst“, fasst Patrick Schwaller, Managing Partner Audit Financial Services, die aktuelle Stimmung zusammen.
Angesichts dieser Entwicklungen ist es nicht überraschend, dass die Banken selbst ihren aktuellen operativen Geschäftsgang positiv beurteilen. Satte 87% der befragten Institute erwarten für das Geschäftsjahr 2021 einen Anstieg der operativen Ergebnisse, was einer deutlichen Zunahme von 34 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr entspricht. Auch mit Blick auf die Zukunft zeigen sich die Banken optimistisch: 87% der befragten Institute erwarten sowohl kurzfristig als auch langfristig eine positive Entwicklung des operativen Geschäfts. Timo D’Ambrosio, Audit Financial Services bei EY, sagt: „Die Banken wollen das positive Momentum nutzen und den Fokus im kommenden Jahr auf weiteres Wachstum legen. Ob das gelingt, wird sich noch zeigen müssen.“
Banken rechnen mit begrenzter Inflation und tiefen Zinsen
Der plötzliche Anstieg der Inflation – allen voran in den USA und in der EU – beschäftigt die Finanzmärkte bereits seit einigen Monaten. Die Schweiz blieb bisher von dieser Entwicklung verschont. Geht es nach den Schweizer Banken, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern. Zwei Drittel (66%) der befragten Banken gehen davon aus, dass mittel- bis langfristig nicht mit einer Teuerung von über 2% in der Schweiz zu rechnen ist.
Ausgehend von dieser langfristigen Inflationserwartung überrascht es wenig, dass die Banken auch nicht mit einer geldpolitischen Kehrtwende bzw. einem Ende der Tiefzinspolitik in der Schweiz rechnen. So bleibt die Weitergabe von Negativzinsen an die Kunden auch im Jahr 2022 ein aktuelles Thema. Denn bei nahezu einem Viertel der befragten Banken (23%) müssen Kunden mit einem Vermögen ab bereits CHF 100‘000 mit zusätzlichen Belastungen von Negativzinsen rechnen.
Der Blick auf ausländische Märkte macht den Banken aber dennoch bewusst, dass steigende Zinsen nicht nur eine theoretische Gefahr sind, sondern tatsächlich eintreten könnten. Der erhebliche Anstieg der Inflationsraten in vielen Ländern in den letzten Monaten hat bei den Banken das Gefährdungspotential von rasch und stark steigenden Zinsen vermehrt in den Fokus gerückt. Mehr als ein Viertel der Banken (26%), und damit deutlich mehr als im Vorjahr (13%), erkennt in einem solchen Szenario die grösste Herausforderung für das Zinsrisikomanagement der Banken.
Anlagen und Kredite für den Klimaschutz und der Wunsch nach Regulierung
Fast die Hälfte der Befragten (45%) gibt an, dass nachhaltige Anlagen die grösste Chance für sie bieten, einen effektiven Klimaschutz zu ermöglichen. Direkt an zweiter Stelle bewerten 43% der Banken das Kreditgeschäft als den grössten Hebel für nachhaltigen Schutz des Klimas. „Die Erwartung an die Schweizer Banken, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, steigt kontinuierlich. Deswegen berücksichtigen Banken vermehrt Nachhaltigkeitskriterien in der Kreditvergabe als Hebel für eine nachhaltigere Realwirtschaft“, sagt Corina Grünenfelder, Expertin für Risiko Management Nachhaltigkeit.
Im Kreditgeschäft gibt knapp die Hälfte der befragten Banken an, Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Kreditvergabe an kommerzielle Kunden zu berücksichtigen. Während in den vergangenen Jahren eine rasante Veränderung hin zu einem nachhaltigeren Kreditgeschäft zu beobachten war, scheint sich nun ein Status quo etabliert zu haben, denn wie im Vorjahr schliesst weiterhin lediglich ein Viertel der Banken die Berücksichtigung von ESG-Faktoren bei der Kreditvergabe kategorisch aus.
Mit klaren Positionierungen verschiedener Länder und Aufsichtsbehörden zeigt sich ein deutlicher Trend im Bereich der Regulierung. Die EY-Umfrage zeigt, dass 44% der diesjährig befragten Banken sich eine weitere Konkretisierung bereits bestehender Regularien wünschen, um den wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden, Potenziale ausschöpfen zu können und Greenwashing zu vermeiden.
Mehrheit plant Anlageprodukte für Kryptowährungen
Während sich die Schweizer Banken bisher beim Angebot von Anlagemöglichkeiten in Kryptowährungen weitgehend zurückhielten, plant nun mehr als die Hälfte der befragten Banken, innerhalb der nächsten drei Jahre ein Angebot zur Investition in Krypto-Anlagen zu lancieren (55%).
Dabei zeigen insbesondere die Privatbanken (68%) ein grosses Interesse an dieser neuen Anlageklasse. Mehr als die Hälfte der befragten Banken (55%) rechnet damit, dass sich Kryptowährungen langfristig als klassische Anlageprodukte wie Aktien und Obligationen etablieren werden. Auch die Nachhaltigkeitsziele scheinen die Banken nicht am Aufbau eines entsprechenden Krypto Angebots zu hindern. Mehr als die Hälfte aller Banken (54%) vertritt die Auffassung, dass das Anbieten von Anlagemöglichkeiten in Kryptowährungen den Nachhaltigkeitszielen ihrer Bank nicht widerspricht.
Kunden im Mittelpunkt, um das Momentum zu nutzen
Nachdem Schweizer Banken die Krisen der vergangenen Jahre gut überstanden haben, befinden sie sich in einer Position der Stärke und zeigen sich trotz eines anspruchsvollen Umfelds optimistisch. Um künftig mit der Dynamik der Branchenentwicklung mitzuhalten, sind weitere Veränderungen jedoch unumgänglich. „Im Anschluss an eine Phase der Resilienz ist die entscheidende Frage für Banken, wie sie Rigidität überwinden und daraus agile Marktchancen für profitables Wachstum nutzen. Der Schlüssel könnte in der Weiterentwicklung zu kundenzentrierten Geschäftsmodellen liegen“, sagt Olaf Toepfer, Partner und Leiter Banking & Capital Markets.
Diese Einschätzung teilen auch die befragten Institute: Um künftig verstärktes profitables Wachstum erreichen zu können, stellen die Banken auch in diesem Jahr die Kundinnen und den Kunden in den Mittelpunkt. Sie wollen eine Systematisierung der Kundenakquisition, -entwicklung und -retention erreichen (42%), ein besseres Kundenverständnis aufbauen (38%) und das Kundenerlebnis verbessern (37%). Diesen Entwicklungen und Zielen gilt es Rechnung zu tragen, um die Wertschöpfungskraft der Banken nachhaltig zu erhalten. (EY/mc/ps)
Informationen zur Studie
Der EY Bankenbarometer basiert auf der Befragung von 90 Führungskräften (Mitglieder der Geschäftsleitung) von verschiedenen Banken in der ganzen Schweiz. Auch die Schweizer Einheiten der zwei Grossbanken wurden befragt. Ihre Einschätzungen sind in die generellen Auswertungen eingeflossen, wurden aber in den Auswertungen nach Bankentyp nicht berücksichtigt. Bei 29 Prozent der befragten Institute handelt es sich um Privatbanken, bei 25 Prozent um Auslandsbanken, bei 27 Prozent um Regionalbanken und bei 19 Prozent um Kantonalbanken. 70 Prozent der Institute stammen aus der Deutschschweiz, 20 Prozent aus der Westschweiz und 10 Prozent aus dem Tessin. Die Befragung wurde im November 2021 durchgeführt. Die Erhebung und Aus-wertung der Daten erfolgte durch EY in der Schweiz.