EU soll russische Gasimporte bis Ende 2022 um zwei Drittel reduzieren
Brüssel – Wegen der schweren Spannungen mit Russland will die EU so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden. Am Dienstag legte die EU-Kommission einen Plan mit Massnahmen vor, um russische Gasimporte bis Ende des Jahres um zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahr zu reduzieren. «Es ist hart, verdammt hart. Aber es ist möglich, wenn wir bereit sind, weiter und schneller voranzugehen als bisher», sagte EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Es geht demnach darum, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, neue Quellen für Gaslieferungen zu erschliessen und den Energieverbrauch zu senken. Zudem soll es Mindestfüllstände für Gasspeicher geben.
Mehr als 40 Prozent des in die EU importierten Gases kommt aus Russland; besonders Deutschland ist von den russischen Importen abhängig. Die EU könnte nach Schätzungen der Kommission noch deutlich vor 2030 ganz auf russisches Gas verzichten. Es wird allerdings befürchtet, dass Russland Gaslieferungen kurzfristig von sich aus stoppen könnte. Am Montag hat Moskau erstmals offen gedroht, kein Gas mehr durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 zu liefern. EU-Energiekommissarin Kadri Simson sagte, dass die EU für den Rest dieses Winters auch im Fall eines russischen Gas-Lieferstopps auf der sicheren Seite stehe. Für den kommenden Winter müsse man sich aber wappnen.
Schutz von Verbrauchern und Unternehmen
Auch wenn russisches Gas weiterhin fliesst, werden die Energiepreise in diesem Jahr voraussichtlich hoch bleiben, schätzt die Kommission. Schon vor dem Krieg in der Ukraine waren die Gaspreise gestiegen, unter anderem wegen einer hohen Nachfrage während der Erholung von der Corona-Pandemie. EU-Länder sollten daher Verbraucher und Unternehmen durch Sondermassnahmen schützen, so der Plan. Sie könnten dafür etwa ausnahmsweise die Preise für Haushalte und kleine Unternehmen regulieren. Zudem könnten sie die zusätzlichen Gewinne von Stromunternehmen, die durch die hohen Preise entstehen, besteuern und an Endkunden umverteilen. Staatliche Hilfen für betroffene Unternehmen sollen ausserdem vereinfacht werden.
Gasspeicher sollen gefüllt werden
Um auch in Zukunft eine Energiekrise zu vermeiden, will die Kommission, dass die EU-Gasspeicher bis Oktober im Schnitt zu mindestens 90 Prozent gefüllt werden. Dafür könnten etwa EU-Länder auch gemeinsam Gaseinkäufe tätigen. Derzeit sind die europäischen Gasspeicher nach Kommissionsangaben zu weniger als 30 Prozent voll. Die Behörde will im April ein Gesetz vorstellen, um höhere Füllstände jedes Jahr verpflichtend zu machen.
Suche nach neuen Gas-Quellen
Die Kommission sucht nach neuen Quellen für Gas, insbesondere für Flüssiggas (LNG), das mit Tankern übers Meer geliefert werden kann. Laut dem Plan könnte die EU bis zu 50 Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr importieren aus Ländern wie Katar, USA, Ägypten oder aus Westafrika. Zusätzlich könnten 10 Milliarden Kubikmeter herkömmliches Gas über Pipelines etwa aus Algerien oder Aserbaidschan kommen. Dafür laufen bereits Gespräche. Die Kommission möchte ausserdem die Biogas-Produktion in der EU erhöhen auf rund 35 Milliarden Kubikmeter pro Jahr bis 2030, und in Zukunft mehr klimafreundlichen Wasserstoff importieren und produzieren.
Ausbau erneuerbarer Energien
Der Krieg in der Ukraine darf nach Ansicht der Kommission nicht dazu führen, dass die Energiewende auf Eis gelegt wird – im Gegenteil. Daher plant sie einen «Pakt für erneuerbare Energien», um den Ausbau von Solarenergie, Windkraft, Wasserstoffinfrastruktur sowie Wärmepumpen anzukurbeln. Genehmigungsverfahren für Ökostromprojekte sollen laut dem Plan beschleunigt und neue Investoren angelockt werden. Regierungen sollen besondere Gebiete auf Land und See für den Ausbau identifizieren. Im Juni will die EU-Kommission eine Solarstrategie mit konkreteren Vorschlägen vorlegen.
Auch Massnahmen zur Energieeffizienz sollen laut dem Plan stärker gefördert werden, um weniger Energie insgesamt zu verbrauchen. Dafür gibt es bereits Gesetzesvorschläge, die zur Zeit verhandelt werden. Die Behörde will zudem die Energieversorgungsnetze zwischen den EU-Ländern ausbauen, etwa zwischen Portugal, Spanien und Frankreich. (awp/mc/ps)