Russland greift Ukraine auch am orthodoxen Osterfest an

Russland greift Ukraine auch am orthodoxen Osterfest an
Zerstörung und Fassungslosigkeit am Wochenende in Charkiw.

Kiew / Moskau – Russland hat seine Angriffe auf die Ukraine trotz aller Bitten um eine Waffenruhe zum orthodoxen Osterfest fortgesetzt.

Es wurden erneut Dutzende Militärobjekte und zahlreiche Stellungen des ukrainischen Militärs beschossen, wie der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag mitteilte. Bei Angriffen auf die Hafenstadt Odessa starben am Wochenende nach ukrainischen Angaben acht Menschen. Kremlchef Wladimir Putin betonte zum russisch-orthodoxen Osterfest die Rolle der Kirche für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Die Kirche ist eine wichtige Machtstütze des russischen Präsidenten.

Papst Franziskus fordert Feuerpause in der Ukraine
Papst Franziskus hat erneut eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg gefordert. «Die politischen Entscheidungsträger mögen bitte die Stimme der Leute erhören, die den Frieden und keine Eskalation des Konfliktes verlangt», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag vor zahlreichen Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom. «Ich erneuere den Aufruf zu einem österlichen Waffenstillstand.» Am Sonntag feierten die orthodoxen Christen, die in der Ukraine stark vertreten sind, Ostern. Russland hatte eine Feuerpause abgelehnt.

Putin zeigt sich bei Andacht in Moskau
Russlands Präsident Putin zeigte sich in der Osternacht zum Sonntag in der Erlöserkathedrale in Moskau mit einer brennenden Kerze in der Hand. Die Kirche kümmere sich um die Festigung des Konsenses und der Verständigung zwischen den Menschen, erklärte Putin in einer Grussbotschaft. Patriarch Kirill steht in dem Krieg fest an der Seite des russischen Präsidenten. Er sieht das Vorgehen dort auch als einen Kampf gegen den Einfluss liberaler westlicher und demokratischer Werte in der Ukraine. Am Samstag hatte Kirill von einem «Blutvergiessen» in der Ukraine gesprochen – und von der Hoffnung auf ein baldiges Ende.

Angriffe in den Gebieten Dnipropetrowsk und Charkiw
Russlands Militär zerstörte nach eigenen Angaben in Pawlohrad im Gebiet Dnipropetrowsk eine unterirdische Anlage zur Produktion von Munition für die ukrainischen Streitkräfte. Im Gebiet Charkiw seien zudem vier Munitionslager und Truppenansammlungen mit Raketen beschossen worden. Laut Verteidigungsministerium wurden bei den Angriffen 150 ukrainische Kämpfer getötet. Insgesamt wurde demnach in der Osternacht 423 Mal mit Raketen und Artillerie geschossen. Überprüfbar waren diese Angaben von unabhängiger Seite nicht. Das ukrainische Militär berichtete, die Kontrolle über acht Ortschaften im Gebiet Cherson im Süden des Landes wieder erlangt zu haben.

Kiew bietet Moskau Verhandlungen zum Stahlwerk in Mariupol an
Angesichts der schwierigen Lage der im Stahlwerk in Mariupol eingeschlossenen Kämpfer und Zivilisten hat Kiew Verhandlungen mit Moskau angeboten. Bei einer «Sonderrunde» könne über den Austausch von Militär gesprochen werden, teilte der Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter mit. In dem Werk Azovstal sollen sich nach russischen Angaben 2500 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt haben. Nach ukrainischen Angaben leben in den noch für einen Atomkrieg gebauten Bunkeranlagen auch 1000 Zivilisten, darunter viele Kinder und Frauen. Immer wieder waren Versuche gescheitert, Fluchtkorridore einzurichten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj telefonierte am Sonntag mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und rief diesen auf, sich bei Putin für eine Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol einzusetzen. Zudem solle der türkische Staatschef einen Austausch der im Stahlwerk Azovstal eingeschlossenen ukrainischen Soldaten erreichen. Beide sprachen nach Angaben von Selenskyj auch über Waffenlieferungen und Sicherheitsgarantien für die Ukraine sowie über Schiffsblockaden im Schwarzen Meer. Russland blockiert seit seinem Angriff auf die Ukraine den Zugang zu den Häfen des Landes. Dadurch kann die Ukraine, einer der grössten Getreideexporteure der Welt, nichts mehr aus dem Seeweg exportieren.

US-Minister Blinken und Austin in Kiew erwartet
Am Sonntag wurden US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Aussenminister Antony Blinken in Kiew erwartet. Der ukrainische Präsident Selenskyj wollte mit ihnen über eine «Liste der notwendigen Waffen und über die Geschwindigkeit ihrer Lieferung» reden, kündigte der an. In den vergangenen Wochen hatten schon diverse europäische Regierungschefs und auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Kiew besucht.

Guterres reist vor Besuchen in Moskau und Kiew in die Türkei
UN-Generalsekretär António Guterres reist vor seinen Besuchen in Moskau und Kiew in die Türkei. Er werde am Montag von Präsident Erdogan empfangen, teilte Ankara am Sonntag mit. Das Nato-Mitglied Türkei unterhält gute Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland und sieht sich als Vermittler in Friedensgesprächen. Guterres reist am Dienstag weiter nach Moskau und wird dort von Putin empfangen, am Donnerstag trifft er in der Ukraine unter anderem Präsident Selenskyj. Der UN-Generalsekretär will vermitteln. Auch er hatte eine Feuerpause an Ostern gefordert – erfolglos. (awp/mc/ps)

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