SNB-Präsidentin wehrt sich gegen Begehrlichkeiten der Politik
Bern – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wehrt sich gegen die wachsenden Begehrlichkeiten der Politik: Die zahlreichen neuen Forderungen zur Verwendung der Aktiva und der Gewinne erfülle sie zunehmend mit Sorge, sagte SNB-Bankratspräsidentin Barbara Janom Steiner.
Die Vorschläge und vermehrt auch die Forderungen, für welche Zwecke die Aktiva oder die Gewinne der SNB verwendet werden könnten, würden immer vielfältiger, sagte Janom Steiner am Freitag an der Generalversammlung der Nationalbank in Bern laut Redetext: «Dem Ideenreichtum sind verständlicherweise keine Grenzen gesetzt. Diesen Forderungen nachzukommen wäre allerdings alles andere als eine gute Idee.»
Vor allem zwei Argumente würden dagegen sprechen, an der Ausschüttungsvereinbarung zu rütteln, die das Eidgenössische Finanzdepartement mit der SNB getroffen habe. «Zum einen werden die Mittel der Nationalbank, die für eine Ausschüttung zur Verfügung stehen, überschätzt. Zum anderen würde ein Abzweigen von Mitteln für Sonderzwecke die Erfüllung des Mandats der SNB zumindest erschweren, wenn nicht sogar gefährden», sagte die Präsidentin des SNB-Bankrats.
102 Milliarden Ausschüttungsreserve
Zwar belaufe sich die Ausschüttungsreserve nach dem erfreulichen Jahresergebnis 2021 derzeit auf 102 Milliarden Franken. Dieser Betrag möge auf den ersten Blick auch sehr hoch erscheinen angesichts einer jährlichen Maximalausschüttung an Bund und Kantone von 6 Milliarden Franken, sagte Janom Steiner.
Aber die SNB wolle eine möglichst gleichbleibende Gewinnausschüttung an Bund und Kantone ohne Unterbruch gewährleisten. «Dieses Ziel zu erreichen ist keineswegs trivial, denn die Höhe der Ausschüttungsreserve hängt massgeblich von den Entwicklungen an den Finanzmärkten ab», sagte Janom Steiner.
Verlust von 32,8 Mrd Franken in Q1
Schwächere Aktienmärkte, steigende Zinsen und vor allem ein aufwertender Franken würden das Ergebnis der SNB und damit auch die Ausschüttungsreserve belasten. Dies habe das erste Quartal 2022 mit einem Verlust von 32,8 Milliarden Franken gezeigt.
Ein gut dotierter Puffer sei im Interesse von Bund und Kantonen. «Andernfalls steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Phasen ohne Gewinnausschüttung eintreten, die zudem von längerer Dauer sein können», sagte Janom Steiner.
Zweckbindung gefährdet geldpolitische Unabhängigkeit
Zudem würde eine Zweckbindung der ausgeschütteten Gewinne der Nationalbank zu einer Verpolitisierung ihres Mandats führen. Neben der Gewährleistung der Preisstabilität müsste die SNB – anders als vom Gesetzgeber vorgesehen – dann stets auch die Erzielung eines Gewinns im Blick haben.
«Interessenkonflikte wären programmiert. In letzter Konsequenz würde die SNB für die Erfüllung ihres Mandats notwendige Freiheitsgrade und damit ihre geldpolitische Unabhängigkeit verlieren, was sehr gefährlich wäre», sagte Janom Steiner. «Über die Verwendung dieser Gewinne sollen deshalb auch künftig diejenigen entscheiden, denen sie zustehen – der Bund und die Kantone.»
Auch andere politische Forderungen wies die Bankratspräsidentin zurück: Häufig werde der Beitrag massiv überschätzt, den die Nationalbank leisten könne, wie etwa beim Kampf gegen den Klimawandel. «Auch hat die Nationalbank keine legale und legitime Grundlage für Entscheidungen zugunsten solcher Anliegen», sagte Janom Steiner.
Es gebe Themen und Herausforderungen, welche die Politik alleine lösen müsse, ohne dem verlockenden Griff in die Kassen der Nationalbank zu erliegen. An der Unabhängigkeit der SNB und der Fokussierung auf ein enges Mandat dürfe nicht gerüttelt werden, sagte Janom Steiner. (awp/mc/pg)