Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Addex, demnächst in der Versenkung?
Von Robert Jakob
Die Schweizer Biotech-Szene ist um eine Enttäuschung reicher. Addex Therapeutics stellte seine zulassungsrelevante Studie mit dem Schlüsselkandidaten Dipraglurant ein, weil nicht genügend Patienten rekrutiert werden konnten.
Die ausflüchtende Begründung: Personalmangel und Fluktuation in den Studienzentren sowie Covid-19-Angst bei den Patienten.
Das zieht nicht. Wer sich mit klinischen Studien auskennt, weiss: Mit Durchhaltevermögen und Geld findet man immer Probanden. Aber Addex ist ein Wiederholungstäter in Ausflüchten und schlechten Daten.
Kursmassaker von 99,7% seit Börsengang
Arpida, Addex, Basilea, Bioxell, Cytos, das ist nur der prominente Anfang des ABCs der Biotech-Börsenflops, welche die Schweizer Börse über Jahrzehnte zu ertragen hatte. Sie war aber auch selber daran schuld. Denn Addex wurde beispielsweise mit nur einem Wirkstoffkandidaten in der frühen klinischen Phase IIa an die Börse zugelassen. Die Anleger zeichneten also ein Hochrisikoprojekt. Von Beginn an kam der Aktienkurs auf die schiefe Bahn. Wer damals im 2007 zu 73 CHF gezeichnet hatte, sieht jetzt nur noch Pennys. Zur Ehrenrettung von Addex sei gesagt, dass der Börsengang just vor Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgte.
Dipraglurant hatte bereits im Mai in einer kleinen Phase-IIa-Studie mit 15 Patienten zur Behandlung von Lidkrämpfen (Blepharospasmus) nicht alle Ziele erreicht. Daher ist kaum anzunehmen, dass Addex seinen Medikamentenkandidaten irgendwann noch einmal aus der Mottenkiste packt.
Das Narrativ ist primitiv
Allzu oft bemühen Firmen wie Addex Therapeutics oder Molecular Partners den «Plattformgedanken»: Eine technologische Neuerung soll das massenhafte und einfache Auffinden von Wirkstoffkandidaten ermöglichen. Der aus den Anfängen der Automobilindustrie entlehnte Begriff steht für Skalenerträge und soll Investoren eine Automatisierung der ersten Schritte in Forschung&Entwicklung versinnbildlichen.
Sowohl bei Addex Healthcare mit seinen allosterischen Modulatoren als auch Molecular Partners mit seinen DARPins (die Bezeichnung für die jeweiligen firmenspezifischen Plattformen) fiel der Praxistest ernüchternd aus. Seit über einem Jahrzehnt ist kein spezifisch-wirkungsvolles Produkt in naher Sicht. Stattdessen hangelt man sich von Kapitalerhöhung zu Kapitalerhöhung mit allen Folgen der Kapitalverdünnung für die Altaktionäre.
Werden junge Aktien in den USA verramscht?
Den Vogel schoss gerade Molecular Partners ab. Auf Anfang Juli hängte man auf die Schnelle kommentarlos ein 235seitiges Dokument auf die IR-Seite der eigenen Homepage. Dahinter versteckt ein Antrag bei der amerikanischen SEC auf eine geplante Kapitalmassnahme (seit kürzerer Zeit ist man auch in den USA an der Nasdaq kotiert). Aus dem Schreiben, nichtssagend verklausuliert mit «Registration statement for certain foreign private issuers offered for certain transactions», geht hervor, dass sich die Schlieremer das Recht ausbedingen, für bis zu 300 Millionen Dollar, Aktien, Schuldverschreibungen oder Optionen auszugeben, davon allein bis zu 100 Millionen Dollar in Form neuer Aktien. Ähnlich wie bei Addex gab es schon vorher Jahr für Jahr die wundersame Aktienvermehrung (auch bei Addex übrigens u.a. mit Hilfe der Nasdaq).
Allein zwischen Januar 2021 und Mai 2022 erhöhte sich die Zahl der ausgegebenen Aktien bei Molecular Partners um die Hälfte. Für die Altaktionäre dürfte bald nicht mehr viel übrigbleiben.
Bei Addex sitzt jeder Aktionär der ersten Stunde sogar genaugenommen auf über 99,9% Verlust, da er keinen rechten Anteil mehr am Aktienkapital besitzt.
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