Putin warnt Westen vor Konfrontation – Lawrow verlässt G20-Treffen auf Bali vorzeitig
Moskau/Kiew – Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Westen zeitgleich zum Aussenministertreffen der G20 mit Blick auf den Ukraine-Krieg vor einer direkten militärischen Konfrontation gewarnt. «Heute hören wir, dass sie uns auf dem Schlachtfeld schlagen wollen. Was soll man dazu sagen? Sollen sie es nur versuchen», sagte er im Kreml in Moskau bei einem Treffen mit den Chefs der Parlamentsfraktionen. Russland habe in der Ukraine noch nicht einmal richtig angefangen, meinte er. Im indonesischen Bali sollte an diesem Freitag das Treffen der Aussenminister der 20 grossen Industrienationen und Schwellenländer fortgesetzt werden.
Kremlchef Putin sagte, dass alle Ziele der «Militäroperation» erreicht würden – «ohne Zweifel». «Jeder sollte wissen, dass wir im Grossen und Ganzen noch nichts Ernsthaftes begonnen haben», sagte er nach mehr als vier Monaten Krieg. «Zugleich lehnen wir auch Friedensverhandlungen nicht ab», meinte er. Putin warf dem Westen erneut vor, «bis zum letzten Ukrainer» kämpfen zu wollen. «Das ist eine Tragödie für das ukrainische Volk.»
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak wies dies scharf zurück. Putins Mantra vom «Krieg bis zum letzten Ukrainer» sei ein weiterer Beweis für den von Russland geplanten «Völkermord» an den Ukrainern, schrieb Podoljak bei Twitter. Putin greife zu «primitiver Propaganda».
Selenskyj bittet um weitere Waffenlieferungen
Der ukrainische Präsident Selenskyj verlangte vom Westen weitere Waffenlieferungen im Krieg gegen Russland. «Je grösser die Verteidigungshilfe für die Ukraine jetzt ist, desto eher wird der Krieg mit unserem Sieg enden und desto geringer werden die Verluste aller Länder der Welt sein», sagte er in einer Videobotschaft. Die Partner hätten genaue Informationen über den Bedarf der Ukraine. «Das gilt sowohl für Luftverteidigung, als auch für moderne Artillerie.»
Tote und Verletzte bei Beschuss
Bei Beschuss von Orten im Kriegsgebiet Ostukraine wurden erneut Menschen verletzt oder getötet. In der Region Charkiw sprachen die Behörden am Donnerstag von drei Toten und fünf Verwundeten durch russische Angriffe. In den Orten Kramatorsk und Awdijiwka in der Region Donezk starben den Behörden zufolge zwei Menschen, acht wurden verletzt. Russische Angriffe hätten nur zivile Ziele getroffen, erklärte der Gouverneur des Gebiets, Pawlo Kyrylenko. Die prorussischen Separatisten in der Region Donezk sprachen von einem Toten und elf Verletzten durch ukrainischen Beschuss. Berichte aus den Kampfgebieten können nicht unabhängig geprüft werden.
Seit Russland die weitgehende Kontrolle über die ostukrainische Region Luhansk übernommen hat, hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe ins benachbarte Donezk verlagert. Im Visier der russischen Armee sind demnach besonders die Städte Kramatorsk und Slowjansk. Putin sagte bei dem Treffen mit den Duma-Fraktionschefs, dass alle Ziele der «Militäroperation» erreicht würden – «ohne Zweifel».
Johnson sichert britische Unterstützung zu
Nach seinem angekündigten Rückzug als britischer Premierminister sicherte Boris Johnson Präsident Selenskyj die ungebrochene Unterstützung des Vereinigten Königreichs zu. Wie eine Regierungssprecherin sagte, habe Johnson im Telefonat versichert, dass Grossbritannien so lange wie nötig wichtige «Defensivhilfe» leisten werde. Selenskyj dankte Johnson für dessen «kompromisslose Unterstützung» seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar.
«Brücken, nicht Mauern»: G20-Gastgeberin Marsudi ruft zum Frieden auf
Die indonesische Aussenministerin Retno Marsudi rief zum Auftakt der Beratungen der G20-Aussenminister auf der Insel Bali zum Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine auf. «Unsere Verantwortung ist es, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Und Brücken zu bauen und nicht Mauern», sagte die Politikerin. Kurz zuvor hatte sie den russischen Aussenminister Sergej Lawrow bei seiner Ankunft im Luxushotel Mulia im Badeort Nusa Dua zurückhaltend begrüsst.
Lawrow kritisiert Politik des Westens im Ukraine-Konflikt
Lawrow warf dem Westen am Freitag vor, den Übergang zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ukraine zu verhindern. Wenn die EU und die USA einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld anstrebten, «dann haben wir wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen», sagte Lawrow. Nach seiner Rede verliess er das Treffen der Gruppe der 20 führenden und aufstrebenden Nationen vorzeitig.
Lawrow warf dem Westen auch vor, die Ukraine dazu zu drängen, für die Kämpfe «seine Waffen zu benutzen». Der Minister kritisierte, dass die Vertreter westlicher Staaten Russland wegen der Lage in der Ukraine als «Aggressor» und «Besatzer» anprangere, ohne sich die Gründe anzusehen. Russland sieht es als sein Recht einer unabhängigen Politik an, seine Interessen in der Ukraine mit militärischer Gewalt durchzusetzen und kritisiert die westlichen Sanktionen als illegal. Er sei nach Bali gekommen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, «wie der Westen atmet», sagte Lawrow. (awp/mc/pg)