Europa-Schluss: Erholung abgebrochen – US-Inflation schockt kurz
Paris / London – Europas Börsen haben am Mittwoch ihre Erholung vom Vortag abgebrochen. Die wichtigsten Aktienindizes gaben wieder recht deutlich nach. Die angespannte Lage dürfte zunächst anhalten. «So lange Inflation, Covid, der Krieg in der Ukraine und Probleme in der Lieferkette weiterhin die Schlagzeilen beherrschen, wird sich der makroökonomisch bestimmte Markt, den wir bisher den grössten Teil des Jahres erlebt haben, wahrscheinlich nicht ändern», prophezeite Louise Dudley, Portfolio-Managerin beim Vermögensverwalter Federated Hermes. Die Inflation sei nach wie vor das grösste Problem.
Der europäische Leitindex EuroStoxx50 verlor 0,95 Prozent auf 3453,97 Zähler und beendete den Handel damit nur etwas tiefer als vor der Bekanntgabe überraschend hoher US-Inflationszahlen. Diese hatten ihn zunächst um mehr als 2 Prozent einbrechen lassen. Der französische Cac 40 fiel am Ende um 0,73 Prozent auf 6000,24 Punkte. Für den britischen FTSE 100 ging es um 0,74 Prozent auf 7156,37 Punkte nach unten.
In den USA verstärkte sich die Dynamik des Preisanstiegs im Juni weiter. Die Inflationsrate stieg auf 9,1 Prozent. Die Teuerung ist damit so stark wie seit Dezember 1981 nicht mehr. Experten sehen den Höhepunkt der Inflationsdynamik in der grössten Volkswirtschaft der Welt noch nicht erreicht und erwarten weiter steigende Zinsen. Die Finanzmärkte wurden von der Stärke des Preisschubs überrascht.
Die Anleger rechnen nun mit weiteren und deutlichen Zinsanhebungen durch die US-Notenbank Fed. «Mit halben Massnahmen lässt sich die US-Wirtschaft offenbar nicht ausreichend abkühlen, um die Inflation unter Kontrolle zu bekommen», sagte Analyst Bernd Weidensteiner von der Commerzbank mit Blick auf die weitere Geldpolitik in den USA. Er geht davon aus, dass die Fed den Leitzins bis Jahresende auf 4,0 Prozent erhöht.
Vergleichsweise deutliche Abgaben in Höhe von 1,7 Prozent verzeichneten europaweit die Versicherer. Hier belastete ein Minus von 1,90 Prozent des Schwergewichts Allianz, das unter einer skeptischen Studie der US-Bank Citigroup litt. Analyst Alan Devlin von der Bank Goldman Sachs schrieb zudem, angesichts steigender Risikoprämien an den Kreditmärkten machten sich Investoren Sorgen um die Qualität der Anlagen im Sektor. Es könne zu Wertberichtigungen oder gar zu Ausfällen von Vermögenswerten kommen. Das würde die Dividenden und Aktienrückkäufe gefährden.
Bankaktien gerieten ebenfalls überdurchschnittlich unter Druck. Auch hier sorgten Analystenworte für trübe Stimmung. Die Expertin Magdalena Stoklosa von der Bank Morgan Stanley rechnet in einem Ausblick auf die Berichtssaison europäischer Investmentbanken mit in diesem Bereich sieben Prozent niedrigeren Erträgen als im zweiten Quartal des Vorjahrs. Auch das Geschäft in der Vermögensverwaltung dürfte schwach gewesen sein.
Papiere von Credit Suisse seien zwar günstig, es fehle aber an Kurstreibern, fuhr Stoklosa fort. Die Anteilscheine der Bank fielen in Zürich um fast vier Prozent und waren damit das Schlusslicht im Leitindex SMI. (awp/mc/pg)