Novartis bestätigt Todesfälle nach Behandlung mit Gentherapie
Basel – Zwei Kinder sind nach einer Behandlung mit der Novartis-Therapie Zolgensma an akutem Leberversagen gestorben. Der Pharmakonzern hat dies bereits bestätigt. Das könnte die Diskussionen um die umstrittene Gentherapie weiter anheizen und am Image des Konzern kratzen.
Investoren reagierten denn auch verschnupft auf die Neuigkeit, wie Kursverluste von 1,2 Prozent im Freitaghandel zeigten. Der Leitindex SMI büsste indessen lediglich 0,2 Prozent ein, was auch dank den Kursgewinnen der Roche-Bons (+1,6%) möglich war. Das lasse vermuten, dass Anleger ihr Geld vom einen Basler Konzern in den anderen verlagerten, hiess es am Markt.
Denn immerhin verfüge Roche mit seinem Arzneimittel Evrysdi über ein direktes Konkurrenz-Produkt zu Novartis Gentherapie. Eingesetzt werden beide zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie, einer seltenen Erbkrankheit, die in ihrer schwersten Form oft im Alter von zwei Jahren tödlich endet.
Allerdings muss die Gentherapie nur einmal verabreicht werden, während Roches Mittel täglich geschluckt werden muss. Vor allem aber unterscheiden sich die beiden Mittel beim Preis: Die Novartis-Therapie gilt mit einem Preis von etwa zwei Millionen US-Dollar als eine der teuersten Therapien weltweit.
Roches Mittel ist auf den ersten Blick günstiger. Da liegen die jährlichen Behandlungskosten im höchsten Fall bei über 340’000 US-Dollar pro Jahr. Allerdings muss das Mittel auch lebenslang eingenommen werden.
Todesfälle dürften Diskussion anheizen
«Diese Nachrichten dürften die Diskussionen um Gentherapien erneut anheizen», kommentierte Octavian-Analyst Michael Nawrath im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP die Neuigkeiten. Es habe in den letzten 12 Monaten ein Vielzahl an Rückschlägen auf diesem Gebiet gegeben, sodass Patienten und Investoren noch sensibler auf derlei Nachrichten reagierten.
Novartis selbst hat in einer Stellungnahme zu den Todesfällen angekündigt: «In Übereinstimmung mit den Gesundheitsbehörden werden wir die Kennzeichnung aktualisieren, um darauf hinzuweisen, dass über tödliches akutes Leberversagen berichtet wurde».
Wie Experte Nawrath erklärt, sei dabei auch wichtig, dass es sich um die ersten Todesfälle dieser Art handelt. Man müsse nun abwarten, ob noch weitere folgten, oder ob es bei diesen Fällen bleibe.
Auch Biogen mit Therapie
«Anzunehmen ist, dass einige Patienten nun vielleicht etwas vorsichtiger sind und lieber auf eine der Alternativen zu Zolgensma setzen», ergänzte Nawrath. Neben Roche bietet noch Biogen eine Therapie an.
Im Börsenhandel wiederum betonte ein Marktteilnehmer, dass man die Todesfälle in Relation setzen müsse. Immerhin seien mehr als 2000 Kinder bereits mit der Therapie behandelt worden.
Novartis selbst betont in der Stellungnahme denn auch, dass man auch weiterhin «an das insgesamt günstige Nutzen-Risiko-Profil von Zolgensma» glaube. Akutes Leberversagen sei eine bekannte Nebenwirkung, über die nach der Behandlung mit Zolgensma bereits berichtet wurde. Die beiden Patienten waren einige Wochen nach der Zolgensma-Therapie mit Steroiden behandelt worden, die zur Beherrschung von Sicherheitsrisiken eingesetzt werden.
Der Octavian-Analyst Nawrath hebt auch hervor, dass «neue» Nebenwirkungen bei jedem Medikament in den ersten Jahren der Vermarktung aufträten. Sowohl Nawrath als auch ein weitere Experte sehen es als ein positives Zeichen, dass Novartis keine Anstalten mache, die Therapie vom Markt zu nehmen.
Teurer Zukauf
Zolgensma wurde im Mai 2019 in den USA zugelassen und ist damit erst die zweite Gentherapie für eine Erbkrankheit, die von der US-Gesundheitsbehörde FDA genehmigt wurde. Novartis selbst hat die Therapie über den Zukauf von Avexis im Jahr 2018 für knapp 9 Milliarden US-Dollar ins Portfolio geholt. Immer wieder wurde moniert, dass sich der Konzern die Therapie (zu) teuer erkauft habe.
Mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden US-Dollar zählte Zolgensma im vergangenen Jahr zu den 20 umsatzstärksten Medikamenten im Novartis-Portfolio. (awp/mc/pg)