Schweizer Reisebranche auf Erholungskurs vom Corona-Einbruch
Zürich – Die Schweizer Reisebranche befindet sich nach dem Corona-Sturmtief wieder im Aufwind. Der Durchschnittsumsatz der Reisebüros ist im vergangenen Jahr zwar immer noch so niedrig geblieben wie im Katastrophenjahr 2020, aber die Verluste konnten dank Staatshilfe eingedämmt werden.
Im laufenden Jahr erwartet die Branche, wieder drei Viertel des Umsatzes eines normalen Jahres vor der Pandemie zu erreichen, wie der Schweizer Reise-Verband (SRV) am Donnerstag vor den Medien in Zürich mitteilte. Allerdings nur, wenn «die Zukunft nicht mit negativen Überraschungen aufwartet».
2022 rechnen die Reisebüros wieder damit, 76 Prozent des Umsatzes von 2019 zu erzielen, wie aus einer Befragung des SRV in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen hervorgeht. Im nächsten Jahr soll das Geschäftsvolumen dann 88 Prozent erreichen.
Silberstreifen am Horizont
Zwar laufe das Europa-Geschäft teilweise besser als vor der Pandemie, erklärte SRV-Geschäftsführer Walter Kunz. Im Sommer gab es einen Buchungsboom. Aber das könne das fehlende Fernreisegeschäft nicht kompensieren, wo die Umsätze und Margen viel höher seien.
Die Buchungen für Asien-Reisen würden zwar anziehen, seien aber bei weitem noch nicht auf dem Stand von vor der Krise, sagte Kunz. Das gleiche gelte für Afrika. «Die Leute sind zurückhaltender.»
«Immerhin: Ein Silberstreifen am Horizont ist nun deutlich sichtbar», schrieb der SRV. Der Stimmungsindex für die nahe Zukunft sei bei allen Indikatoren wie Dossiergrösse, Preise oder Margen so hoch wie nie zuvor. Das überrasche nicht: «Die Branche erholt sich gerade von der wohl schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.»
Gewinnschwelle erreicht
Im vergangenen Jahr musste sie allerdings nochmals einen leichten Rückgang des Durchschnittsumsatzes pro Reisebüro um 1,9 Prozent auf 1,04 Millionen Franken hinnehmen. Damit hat ein Reisebüro weiterhin fast 70 Prozent weniger Umsatz als vor der Pandemie gemacht. Die grösseren Reisebüros haben sich dabei besser geschlagen als die kleineren.
Fortschritte gab es dagegen bei der Profitabilität. So verschlangen die Personalkosten «nur» noch 89 Prozent des Bruttoertrags. Im Vorjahr hatte der Bruttoertrag nicht einmal die Löhne decken können.
Im Mittel sei es gelungen, die Verluste zu verringern. Die Nettorendite erreichte 0 Prozent nach dem Minus von 3 Prozent im Jahr 2020. Dies sei allerdings nur dank dem Stellenabbau und der staatlichen Unterstützung durch Kurzarbeitsentschädigung gelungen, hiess es.
Zu viele Stellen gestrichen
Die Branche hat in der Krise weit über 1000 Vollzeitstellen gestrichen, um zu sparen. Nun hat sie zu wenige Mitarbeiter, um die steigenden Buchungen zu bewältigen. Der Arbeitsmarkt sei ausgetrocknet, sagte Kunz. Man sei ja nicht die einzige Branche, die Leute suche.
Es sei ein Fehler gewesen, so viele Stellen abzubauen, sagte Kunz: «Es gibt Reisebüros, die zugeben, zu viele Leute entlassen zu haben.»
Wieder schwarze Zahlen
Im nächsten Jahr dürfte die Nettorendite wieder positiv sein, sagte der St. Galler Uniprofessor Christian Laesser am Rande der Medienkonferenz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Allerdings könnte die steigende Inflation der Reiselust einen Dämpfer versetzen. Denn diese werde die Kaufkraft der Menschen schmälern.
Die Lohnerhöhungen dürften die Inflation nicht wettmachen können. Denn die Unternehmen müssten hohe Energiekosten schultern und hätten wenig Spielraum für Lohnerhöhungen. Die Lohnforderungen der Gewerkschaften seien viel zu hoch.
Nachholeffekt hat noch nicht voll eingesetzt
Trotz des Buchungsbooms für Badeferien im Sommer habe der Nachholeffekt erst in beschränktem Ausmass eingesetzt, stellte der Reiseversicherer Allianz Partners in einer separaten Studie fest. Mit knapp 2,3 Reisen pro Jahr wurde das Vor-Corona-Niveau von 2,8 Reisen noch nicht erreicht.
Die Unsicherheiten der letzten Jahre sässen noch tief und führten zu einem Ausweicheffekt auf unmittelbare Nahziele. Gedämpft werde die Reiselust derzeit noch von der gefühlten Komplexität der Einreisebestimmungen, hiess es.
«Das Fernweh ist da, von den USA über Kanada, Island, Thailand, Japan bis nach Australien – doch gereist wird mehrheitlich noch innerhalb der Schweiz oder in den Nachbarländern», stellte die Allianz fest. Für knapp zwei Drittel der Befragten ist klar, dass sie dieses Jahr die verpassten Reisepläne der letzten 2 Jahre noch nicht nachholen. (awp/mc/pg)