US-Schluss: Zinssorgen belasten – Erholung war nur Episode
New York – Die kräftige Kurserholung an der Wall Street vom Mittwoch hat sich als Strohfeuer erwiesen. Am Donnerstag schürten robuste Konjunkturdaten einmal mehr die Sorge, dass die Leitzinsen im Kampf gegen die hohe Inflation weiter steigen dürften. So sank die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der vergangenen Woche überraschend und deutlich. Damit sackten die wichtigsten Börsenbarometer am US-Aktienmarkt wieder ab, wobei die zinssensiblen Technologiewerte besonders stark unter Druck gerieten.
Der Leitindex Dow Jones Industrial fiel um 1,54 Prozent auf 29 225,61 Punkte. Für den marktbreiten S&P 500 ging es um 2,11 Prozent auf 3640,47 Zähler nach unten.
Der Technologiewerte-Index Nasdaq 100 sackte um 2,86 Prozent auf 11 164,78 Punkte ab. Der Tech-Sektor enthält viele hoch bewertete Aktien; entsprechend sensibel reagiert die Branche auf steigende Zinsen, denn künftige hohe Unternehmensgewinne sind dann zum heutige Zeitpunkt weniger wert.
Am Mittwoch hatte die Wall Street nach sechs Tagen mit Verlusten in Folge noch einen kräftigen Satz nach oben gemacht. Aktien hatten wieder Auftrieb erhalten, weil die britischen Währungshüter der Bank of England völlig unerwartet gegen die drastisch steigenden Zinsen an den heimischen Anleihemärkten intervenierten.
Demgegenüber haben sich zuletzt mehrere Notenbanker aus den USA zu Wort gemeldet und weitere Zinserhöhungen signalisiert. Die US-Notenbank Fed müsse ihre Zinsen im Kampf gegen die Inflation weiter anheben, sagte am Donnerstag Loretta Mester, Präsidentin der regionalen Notenbank von Cleveland. Die Zinsen seien noch nicht auf einem Niveau, auf dem sie die konjunkturelle Entwicklung dämpften.
Unter den grössten Verlierern in Dow büssten die Aktien des iPhone-Herstellers Apple rund fünf Prozent ein und fielen damit auf das Niveau von Mitte Juli zurück. Als Belastung erwies sich eine skeptische Studie der Bank of America. Die Papiere hätten in dem aktuell schwierigen Umfeld quasi als sicherer Hafen gedient, doch inzwischen hielten sich Chancen und Risiken wieder in etwa die Waage, schrieb Analyst Wamsi Mohan. Dabei verwies der Experte auf die Abschwächung im Bereich der Inhalte und Dienstleistungen sowie die recht maue iPhone-Nachfrage, die auf sinkende Ausgaben der Verbraucher hindeuteten.
Auch fast alle anderen Dow-Werte verzeichneten Verluste. An der Dow-Spitze schafften die Anteilscheine des Versicherers Travelers ein Plus von gut ein Prozent. Anleger reagierten erleichtert darauf, dass sich der Hurrikan «Ian» auf seinem Weg durch den US-Bundesstaat Florida abgeschwächt hat. Meteorologen stuften den Hurrikan damit zu einem Tropensturm herab.
Im S&P 500 knickten die Anteilscheine des Elektroautobauers Tesla nach einem Analystenkommentar um knapp sieben Prozent ein. Der Experte Alexander Potter von Piper Sandler hatte die aktuellen Markterwartungen mit Blick auf die Auslieferungszahlen für das dritte Jahresviertel als «zu hoch» bezeichnet und auf Produktionsunterbrechungen zu Beginn des Quartals verwiesen.
Am Devisenmarkt erholte sich der Euro weiter und notierte zuletzt bei 0,9800 US-Dollar. Der Inflationsdruck in der Eurozone hält an, sodass eine weitere Zinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte bei der nächsten Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) Ende Oktober sehr wahrscheinlich erscheint. Die EZB hatte den Referenzkurs auf 0,9706 (Mittwoch: 0,9565) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 1,0302 (1,0455) Euro.
Am US-Anleihemarkt fiel der Terminkontrakt für zehnjährige Treasuries (T-Note-Future) in Erwartung weiterer Leitzinserhöhungen um 0,54 Prozent auf 112,25 Punkte. Die Rendite für richtungweisende Papiere mit zehn Jahren Laufzeit stieg im Gegenzug auf 3,78 Prozent. (awp/mc/pg)