Teuerung in der Schweiz leicht rückläufig
Neuenburg – Die Inflation in der Schweiz ist im September überraschenderweise um 0,2% zurückgegangen. Es handelt sich um den ersten Rückgang der Teuerung seit fast zwei Jahren.
Konkret verteuerte sich das Leben in der Schweiz im September gegenüber dem Vorjahr nur noch um 3,3 Prozent. Im Vormonat August war noch ein Wert von 3,5 Prozent gemessen worden. Die Teuerung hatte damals den höchsten Stand seit fast dreissig Jahren erreicht.
Der Rückgang kommt überraschend. Die meisten Ökonomen hatten im Vorfeld mit einer Stabilisierung oder sogar einem weiteren Anstieg der Inflation gerechnet.
Rhein und Öl als Gründe
Das BFS begründet den Rückgang des Landesindex› der Konsumentenpreise im Vergleich zum Vormonat um ebenfalls 0,2 Prozent mit den gesunkenen Preisen für Treibstoffe, Heizöl, Hotellerie und Parahotellerie.
Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch sieht konkret den gesunkenen Ölpreis und den wieder besser beschiffbaren Rhein als Treiber für die Entwicklung. Wegen des tiefen Pegelstands des Flusses hatten zuletzt mehr Waren via Lastwagen in die Schweiz gekarrt werden müssen – was teurer ist.
«Abgesehen davon verzeichneten aber auch die anderen Güter und Dienstleistungen lediglich leichte Preissteigerungen», so Koch. Ein Grund dafür sei, dass der erstarkte Franken einen Teil der importierten Inflation absorbiert habe.
Höhepunkt überschritten?
Ähnlich sieht dies CS-Ökonom Maxime Botteron. Die Warenpreise hätten sich insgesamt abgeschwächt, jene für Dienstleistungen hätten sich stabilisiert. «Wir glauben , dass die Inflationsrate in der Schweiz ihren Höhepunkt erreicht hat», schlussfolgert er.
Dem widerspricht Swiss-Life-Experte Marc Brütsch. Er sieht den aktuellen Rückgang der Inflation nur als zwischenzeitliche Entspannung. «Wir erwarten aufgrund des hohen Anteils administrativ festgebundener Preise, etwa für Strom, für Anfang nächstes Jahr einen nochmaligen Anstieg.»
Mögliche Folgen für SNB
So oder so bleibt Teuerung in der Schweiz auf einem relativ hohen Niveau. Zum Vergleich: In der Finanzkrise von 2008 und 2009 wurden Monatswerte von maximal 3,1 Prozent gemessen. Höhere Werte als zuletzt gab es in den frühen 1990er-Jahren, als in einzelnen Monaten Raten von über 6 Prozent registriert wurden.
Die aktuellen Teuerungsraten liegen auch über dem für die Schweizerischen Nationalbank akzeptierten Maximalwert von 2 Prozent. Deshalb sind auch weitere Zinserhöhungen nicht vom Tisch. «Insgesamt sprechen die Inflationsdaten vom September immer noch für eine moderate Straffung der Geldpolitik», meint CS-Experte Botteron.
Er geht aber nicht davon aus, dass die SNB den Leitzins nochmals massiv anhebt. Konkret prognostiziert er für die Dezember-Lagebeurteilung nur eine Erhöhung um 25 Basispunkte. Die SNB hatte vor knapp zwei Wochen – mit Verweis auf die anziehende Teuerung – ihren Leitzins deutlich um 0,75 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent angehoben und damit die Ära der Negativzinsen beendet.
Weitere Abkoppelung
Auch Raiffeisen-Ökonom Koch sieht in den neusten Daten Argumente für die SNB, bei der Normalisierung der Geldpolitik «weitaus weniger aggressiv» fortzufahren als die US-Notenbank Fed oder die Europäische Zentralbank (EZB).
«Denn die Schweizer Inflation konnte sich vom steilen Aufwärtstrend in den Nachbarländern weiter abkoppeln», begründet er. Die Teuerung in der Eurozone etwa war im September mit 10,0 Prozent so hoch wie nie seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. In den USA lag die Inflationsrate im August bei 8,3 Prozent, nachdem sie im Juni mit 9,1 Prozent den höchsten Stand seit über 40 Jahren erreicht hatte. (awp/mc/ps)