Europagipfel ohne Russland: EU setzt mit Partnern Zeichen gegen Putin
Prag – Die EU-Staaten haben als Zeichen gegen den russischen Angriffskrieges auf die Ukraine eine neue politische Gemeinschaft mit fast allen anderen europäischen Ländern gegründet. Die Staats- und Regierungschefs der mehr als 40 beteiligten Partner kamen am Donnerstag in der tschechischen Hauptstadt Prag zu einem ersten Treffen in dem neuen Format zusammen. Unter ihnen war auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der die sogenannte Europäische Politische Gemeinschaft als «grosse Innovation» bezeichnete.
Ziel des neuen Zusammenschlusses ist es, einen engeren Austausch der EU-Länder mit Partnern ausserhalb der EU zu ermöglichen. «Wir teilen ein gemeinsames Umfeld, oft eine gemeinsame Geschichte, und wir sind dazu berufen, unsere Zukunft gemeinsam zu schreiben», sagte der französische Präsident Emmanuel Macron in Prag, der die Gründung der Gemeinschaft im Mai vorgeschlagen hatte. Er hoffe, dass sich die neue Runde alle sechs Monate treffen werde und daraus gemeinsame Projekte entstehen könnten.
Russlands Krieg und Energiekrise
Bei dem ersten Treffen in Prag standen neben Russlands Krieg gegen die Ukraine vor alle die Energiekrise und die Wirtschaftslage auf der Tagesordnung. Die Zusammenkunft sollte dabei auch die klare Botschaft an Russlands Präsident Wladimir Putin senden, dass er auf dem europäischen Kontinent nahezu vollständig isoliert ist.
«Wir müssen weiter standhaft sein – um sicherzustellen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt», sagte die neue britische Premierministerin Liz Truss. Scholz sagte, es sei wichtig, dass man diesen Angriff zurückweise und nicht akzeptiere, dass ein Teil eines Nachbarlandes annektiert werde. Als Herausforderung für die neue Gemeinschaft gilt jedoch, dass Staaten wie die Türkei und Serbien beispielsweise die EU-Sanktionspolitik gegen Russland nicht mittragen.
Neben Putin war nur der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko nicht zu dem Treffen der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) erwünscht. Er gilt als enger und einziger Verbündeter Putins in Europa. Die Ukraine wurde bei dem Treffen durch Ministerpräsident Denys Schmyhal vertreten. Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde per Video zugeschaltet und forderte nach Angaben von Teilnehmern unter anderem Sicherheitsgarantien. Das Treffen nannte er demnach als Gelegenheit, den Frieden in Europa wiederherzustellen. Der Krieg müsse gewonnen werden, damit Russland andere Länder nicht auch noch angreife.
Art der Zusammenarbeit noch offen
Noch offen war zunächst, wie die Zusammenarbeit der mehr als 40 Länder genau organisiert werden soll – so zum Beispiel, ob sie künftig auch konkrete Entscheidungen treffen können soll und wenn Ja wie? Die britische Premierministerin Liz Truss machte deutlich, dass sie konkrete Ergebnisse erwartet. «Es darf keine Laberrunde sein», schrieb sie zum ersten Gipfel in einem Gastbeitrag in der «Times». Sowohl in der Sicherheits- als auch in der Energie- und Migrationspolitik wolle sie konkrete Handlungen sehen. Sie werde sich in der neuen Runde dafür einsetzen, dass die Nicht-EU-Länder – darunter neben Grossbritannien etwa auch Norwegen, die Schweiz und die Ukraine – eine starke Stimme erhielten.
Bundeskanzler Olaf Scholz machte hingegen deutlich, dass es ihm nicht unbedingt um handfeste Ergebnisse geht. In dem neuen Format könne man «einen ganzen Tag lang in verschiedenen Formaten und einfach frei von einer Tagesordnung und von der Notwendigkeit, Beschlüsse zu fassen, über die gemeinsamen Anliegen» sprechen, sagte der SPD-Politiker in Prag. Dies sei gut für den Frieden, für die Sicherheitsordnung und gut für die ökonomische Entwicklung. Zudem könne die EU die Beziehungen zu ihren Nachbarn verbessern, von denen viele Mitglied der EU werden wollten.
Scholz spielte damit darauf an, dass zur neuen Gemeinschaft neben der Ukraine auch die Republik Moldau und die sechs Westbalkanstaaten Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und das Kosovo zählen. Kanzler Scholz hatte zuletzt mehrfach betont, dass die neue Gemeinschaft kein Ersatz für die EU-Erweiterung sein solle. (awp/mc/ps)