SGKB investment views: Die Trader haben die Finanzmärkte aktuell im Griff
St. Gallen – Was momentan an den Finanzmärkten abgeht, lässt einen nur noch den Kopf schütteln und den eigenen Augen misstrauen. Damit meine ich nicht die schmerzhaften Verluste an den Aktienmärkten oder die im Vergleich zum Jahresanfang deutlich höheren Zinsen. Diese sind mit den notwendigen Leitzinserhöhungen der Zentralbanken, der einsetzenden Abschwächung der Weltwirtschaft sowie der politischen Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine erklärbar. Ich spreche von den starken und in ihrer Auslösung schwer nachvollziehbaren innertäglichen Kursbewegungen, die bei den Aktien, bei den Zinsen oder in irgendwelchen anderen Märkten zu beobachten sind.
von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank
Ein anschauliches Beispiel dafür lieferten die Aktienmärkte am letzten Donnerstag nach der Veröffentlichung der Inflationsdaten in den USA. Weil die Inflationsrate im September von 8.3% statt auf die erwarteten 8.1% «nur» auf 8.2% gesunken ist und weil die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel von 6.2% statt auf die erwarteten 6.5% auf 6.6% gestiegen ist, verlor der Swiss Performance Index innert weniger Minuten 2% an Wert. Man könnte meinen, die Fed habe vorher noch nicht gewusst, dass sie ein Inflationsproblem hat. Aber zumindest die Richtung der Marktbewegung stimmte mit der «Neuigkeit» überein.
Die Zinsen an den Kapitalmärkten interpretierten die Inflationsdaten ähnlich und stiegen an. Speziell wird es dann aber nach der Eröffnung der amerikanischen Aktienmärkte. Zuerst verliert der Dow Jones Industrials Index ebenfalls 2% an Wert. Kurz vor 16.00 Uhr Schweizer Zeit dreht der Markt und bis 17.30 Uhr legt der Dow Jones über 4% zu, ohne dass irgendetwas Neues bekannt wurde. Die Zinsen bewegten sich in dieser Zeit dagegen kaum. Am Freitag holten die Aktienmärkte in Asien und Europa die Aufholjagd der US-Aktien gehorsam nach.
Kapitalflüsse bestimmen aktuell das Geschehen
Dass die Aktienmärkte innert Minuten 2% oder mehr gewinnen oder verlieren oder dass die Zinsen in hochliquiden Märkten wie den US-Treasuries oder den deutschen Bundesanleihen innert Minuten 20 Basispunkte oder mehr steigen oder fallen, ist aktuell fast an der Tagesordnung. Das hat mit der von der Finanzmarkttheorie vorgegebenen rationalen Informationsverarbeitung der Finanzmärkte nicht mehr viel zu tun. Vielmehr sind diese Marktbewegungen das Ergebnis von grossen Kapitalflüssen, die innert Kürze nach irgendwelchen Kriterien in Bewegung gesetzt werden und die genauso rasch wieder die Richtung wechseln.
Sehr viel Geld wird heute durch quantitative Modelle verwaltet, deren Signale mit den fundamentalen Grundlagen der Wirtschaft und der Finanzmärkte nur wenig zu tun haben. Vielmehr sind sie das Ergebnis von speziellen Preiskonstellation zwischen verschieden Anlagemärkten, die die Modelle mit mehr oder weniger Erfolg auszunützen versuchen.
Anlagestrategie, Diversifikation und Disziplin
Als Investor, der an einem mittelfristig guten Anlageerfolg interessiert ist, hat man zwei Möglichkeiten, auf diese Kursschwankungen zu reagieren. Man kann mitmachen und sich auch als Day-Trader versuchen. Ob der Erfolg bei dieser Option nachhaltig positiv ist, lass ich mal offen. Die zweite Variante ist, das Feld den Modellen zu überlassen, bis diese sich ausgetobt haben. Denn trotz allen Kursschwankungen sind es langfristig die fundamentalen Argumente, die die Preise an den Finanzmärkten bestimmen. Von den kurzfristigen Bewegungen darf man sich daher nicht zu stark beeinflussen lassen. Am Ende ist der Anlageerfolg das Ergebnis einer soliden fundamentalen Analyse der Wirtschaft und der Erfolgschancen der einzelnen Unternehmen. Dazu kommen die für sich persönlich richtige Anlagestrategie und die nötige Diversifikation und Disziplin bei deren Umsetzung. (SGKB/mc/pg)