Strittiger Hafendeal in Hamburg mit Folgen: China-Einstieg bei Containerterminal
Berlin – Es ist eine höchst umstrittene Entscheidung mit Folgen: Ein chinesischer Konzern kann sich an einem Containerterminal im Hamburger Hafen beteiligen – wenn auch mit einem geringeren Anteil als geplant. Das ist die Folge eines Kompromisses, auf den sich unter dem Druck des Kanzleramts am Mittwoch das Bundeskabinett verständigte. Einige Ressorts stimmten nur zähneknirschend zu. Politiker der Ampel-Koalition forderten eine Reform des Aussenwirtschaftsgesetzes mit strengeren Vorgaben.
Das Bundeskabinett beschloss eine sogenannte Teiluntersagung: Demnach kann das chinesische Staatsunternehmen Cosco einen Anteil von 24,9 Prozent an dem Containerterminal Tollerort im Hamburger Hafen erwerben. Ein Erwerb oberhalb dieses Schwellenwerts werde untersagt. Cosco wollte ursprünglich einen Anteil von 35 Prozent erwerben.
Damit werde eine strategische Beteiligung am Terminal verhindert und der Erwerb auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert, so das Wirtschaftsministerium, das mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit argumentiert. Cosco werde unter anderem untersagt, sich vertraglich Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen zu lassen.
Das Wirtschaftsministerium hatte eine im September 2021 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und Cosco Shipping geprüft. Habeck wollte den chinesischen Einstieg mit Blick auf die Erfahrungen mit russischen Gaslieferungen komplett untersagen – wie auch andere Ministerien, die ebenfalls vor Risiken für die kritische Infrastruktur warnten. Das Kanzleramt drängte aber auf einen Kompromiss.
«Notlösung»
Das Problem: Hätte das Kabinett nicht in dieser Woche entschieden, wäre der Verkauf automatisch so wie von Cosco und HHLA ursprünglich vereinbart genehmigt worden – also mit einer 35-Prozent-Beteiligung. Um das zu verhindern, war eine einheitliche Haltung der Regierung notwendig. In Regierungskreisen war die Rede von einer «Notlösung». Ressorts äusserten in einer Protokollnotiz schwere Bedenken.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) liess Kritik zurückweisen. Eine Regierungssprecherin sagte, eine Beteiligung von 24,9 Prozent schaffe in der Abwägung keine strategische Abhängigkeit und keine strategischen Einflussmöglichkeiten. Der Kanzler habe klar gemacht, dass es nicht um einen Verkauf des Hafens gehe, sondern «lediglich» um die Beteiligung an einem einzelnen Terminal.
Die Folgen für den Hafen
Offen bleibt vorerst, wie sich der Cosco-Konzern zu der neuen Sachlage verhält. Darüber will HHLA-Chefin Angela Titzrath «zeitnah» mit den Chinesen sprechen. Bis Ende des Jahres soll der Deal abgeschlossen werden. Einiges spricht dafür, dass er zustande kommt. In Unternehmenskreisen hiess es zuletzt, man gehe davon aus, dass die Chinesen die Kompromisslösung mit einer auf 24,9 Prozent reduzierten Beteiligung mittragen. Während der Gespräche mit der Bundesregierung habe es in den vergangenen Tagen auch immer eine Rückkopplung mit Cosco gegeben.
Titzrath sprach von einem Ergebnis, «das die Zukunftsfähigkeit der HHLA stärkt und Arbeitsplätze im Hamburger Hafen sichert». Der Cosco-Konzern betreibt auch die weltweit viertgrösste Containerreederei und lässt seine Schiffe seit mehr als 40 Jahren am Terminal Tollerort abfertigen. Cosco hatte zugesagt, im Gegenzug zu der Beteiligung das CTT zu einem bevorzugten Umschlagpunkt in Europa zu machen. «Ein privatwirtschaftliches Unternehmen könnte dies an sich nicht versprechen, ein Staatskonzern aber doch», sagte der Kieler Handelsökonom Rolf Langhammer. «Und hierin liegt auch ein gewisses Erpressungspotenzial seitens Cosco.» Cosco hält, wie andere grosse Reedereien auch, bereits bei vielen Terminals weltweit Anteile.
Im grössten deutschen Seehafen Hamburg läuft rund ein Drittel des Containerverkehrs im China-Geschäft. Würde ein grosser Akteur wie Cosco seine Schiffe abziehen, wäre dies ein empfindlicher Schlag für den Hafen. «Für die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens ist die positive Entscheidung des Investitionsprüfverfahrens durch das Bundeskabinett von grosser Wichtigkeit», sagte daher der Chef der Marketingorganisation des Hafens, Axel Mattern.
Die Folgen für die Koalition
Mit dem Kompromiss kann Scholz deutlich besser leben als Grüne und FDP, die die chinesische Beteiligung am Hafen-Terminal ganz stoppen wollten. Nach seinem Machtwort zur Schlichtung des Streits um den Atomausstieg zwischen den beiden kleineren Ampel-Partnern hat sich Scholz nun ein zweites Mal in einem wichtigen Streitpunkt weitgehend in seiner Koalition durchgesetzt. Scholz teilt die Sicherheitsbedenken von Grünen und FDP nicht und verweist gerne auf die gigantischen Ausmasse des Hamburger Hafens – von dem das betroffene Terminal nur einen kleinen Teil ausmache. Ökonom Langhammer sprach von einem «gesichtswahrenden Kompromiss für beide Seiten».
Ein kompletter Stopp des China-Deals hätte die Reise des Kanzlers zu dem vor einer weiteren Amtszeit stehenden Präsidenten Xi Jinping in der nächsten Woche schwer belastet – und das kurz vor einem wichtigen G20-Gipfel, bei dem es auch darum gehen wird, wie sich China zum Ukraine-Krieg positioniert.
Rufe nach neuer China-Politik
China spielt nicht nur als Absatzmarkt eine grosse Rolle für die deutsche Wirtschaft. Chinesische Firmen sind an vielen deutschen Firmen beteiligt oder haben sie übernommen, zum Beispiel den Roboterhersteller Kuka . Die Hürden für Übernahmeversuche in sensiblen Bereichen wurden in den vergangenen Jahren erhöht.
Allerdings sehen viele Politiker eine neue Lage durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – und die Erfahrung, wie verwundbar Deutschland wegen der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen ist. Ein solcher Fehler dürfe nicht wiederholt werden, war ein Argument derjenigen, die den chinesischen Einstieg beim Hafenterminal verhindern wollten.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) betonte, die Sache werfe «ein problematisches Licht auf die grossen Abhängigkeiten einzelner deutscher Firmen von China». Vor allem bei einigen kritischen Rohstoffen dominiere China als Lieferant. «Diese Abhängigkeiten werden immer mehr zu einem politischen Risiko, weil eine militärische Invasion Taiwans durch China wahrscheinlicher geworden ist», so das IW.
Ruf nach Konsequenzen
In der Ampel werden nun Rufe nach Konsequenzen laut – mit dem Ziel, kritische Infrastruktur besser vor Investoren zu schützen, denen man nicht traut. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge verlangte eine «gemeinsame und kohärente China-Politik», die strategische Abhängigkeiten reduziere und nicht zementiere. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte: «Der Fall Cosco zeigt, dass die geltende Rechtslage nicht mehr zur geopolitischen Realität passt.» (awp/mc/pg)