Midterms 2022: Wer hat die Macht?
Im US-Bundesstaat Wisconsin haben die Republikaner Wahlkreise so geformt, dass sie mit weniger Stimmen als die Demokraten gewinnen. Nie war das so gefährlich wie jetzt.
Mitreissende Reden gehören nicht zu Tony Evers› Stärken, und das weiß er auch. «Ich bin nicht gerade die knalligste Person, das gebe ich zu», sagt er. «Du bist Wisconsin, Tony!», schreit eine Frau aus der zweiten Reihe. Tony spricht sie wie «Toney» aus und es klingt unnötig laut.
Vor dem Feuerwehrhaus des Örtchens Delavan haben sich nicht mehr als hundert Leute versammelt, viele davon schon im Rentenalter, die Stimmung ist fröhlich und entspannt. In der Sonne leuchtet das Herbstrot der Bäume, vor einem der hell gestrichenen Holzhäuser in der Siedlung spielen Kinder mit einem Hund. Evers, der Gouverneur des US-Bundesstaats Wisconsin, Karohemd und rote Fleeceweste, lächelt milde.
Die Menschen vor ihm, das weiss der Demokrat, muss er vor den Zwischenwahlen am 8. November nicht mehr von sich überzeugen. Viele andere dagegen schon. Und selbst wenn er seine Wiederwahl knapp schafft, würde das nicht automatisch bedeuten, dass er als Regierungschef in seinem Bundesstaat – vergleichbar mit einem deutschen Ministerpräsidenten – noch gross etwas zu sagen hätte.
Dies ist also nur auf den ersten Blick ein gemütlicher Wahlkampfbesuch auf dem Land, wo ein Getreidesilo neben dem nächsten in der Sonne glitzert. Tatsächlich spielt sich in Wisconsin eines der härtesten und bedeutendsten politischen Rennen ab, die in den USA derzeit stattfinden. Bei den Midterms werden nicht nur Teile des Kongresses in Washington neu gewählt. Gouverneure wie Evers stehen ebenso zur Wahl wie Hunderte von Parlamentarierinnen. Es geht darum, wer die einzelnen Bundesstaaten in den kommenden Jahren regiert: ob es die zunehmend radikalen Republikaner sein werden oder die Demokraten. Und es geht um noch viel mehr: um Macht, Mitbestimmung und die Frage, wie demokratisch die Wahlen mancherorts noch sind. Es sind Grundsatzfragen, die weit über die anstehende Legislaturperiode hinausreichen.