Florian Haufe, CEO Akina, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Haufe, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten decken ein breites medizinisches Feld ab, immer mit dem Ziel, Beschwerden zu lindern oder zu eliminieren. Das Selbstmanagement der Patienten ist dabei wichtiger Teil. Wie ist es um deren Therapietreue bestellt?
Florian Haufe: Wenn wir mit Physiotherapeuten sprechen, hören wir meistens, dass die Mehrzahl der Patienten es nicht schafft, zuhause die empfohlenen Übungen zu machen. Die Europäische Kommission schätzt sogar, dass vier von fünf Patientinnen und Patienten während der selbstständigen Therapie zuhause scheitern. Ehrlicherweise kennt aber niemand die exakten Zahlen: Therapie zuhause ist leider nach wie vor eine «Blackbox» für Therapeutinnen und auch für die Wissenschaft.
Woran mangelt es? Liegen die Probleme eher bei den Patienten oder eher im klinischen Bereich?
Wir sehen mehrere Gründe für das Scheitern des heutigen Therapieansatzes. Zum einen gibt es keine effektive Verbindung zwischen der persönlichen Physiotherapie in der Praxis und dem Selbstmanagement zuhause. Die Therapeuten können das Selbstmanagement mangels Nachverfolgbarkeit und wegen Sicherheitsbedenken nur bedingt in ihr Behandlungskonzept integrieren. Ausserdem wird die weitergehende Unterstützung des Selbstmanagements durch Krankenkassen nicht vergütet. Die Patienten merken das, und schlussfolgern unterbewusst, dass der Teil zuhause wohl nicht so wichtig sein kann.
Für Patienten kommt hinzu, dass die Therapie zuhause schlichtweg langweilig ist. Ein möglicher Erfolg zeigt sich eventuell erst in Monaten, die mühsamen Übungen sollen die Patienten aber heute machen.
Akina möchte den Erfolg der eigenständigen Therapie mit KI-basierter Software und der Integration von Unterhaltung steigern. Wie kann man sich das Produkt «Akina Care» resp. die digitale Reise vorstellen, auf die Sie die Patienten mitnehmen wollen?
Für uns ist es wichtig, dass Patienten ihre Therapie mit Akina Care und menschlichen Therapeuten als ein verbundenes Gesamtkonzept erleben. Wir wollen nicht «die App» sein, die man noch zusätzlich bekommt, aber dann kaum nutzt. Deswegen entwickeln wir zurzeit ein neues Therapieerlebnis, das Patienten wie eine gute Streaming-Serie mit auf eine in sich geschlossene Reise nimmt, und – wie in einem Videospiel – Fortschritt und Erfolge klar aufzeigt. Mehr dazu werden wir in den kommenden Monaten teilen können.
Wichtig ist aber auch, dass die Interaktion mit menschlichen Therapeuten eine prominente Rolle in unserem Therapiekonzept einnimmt. Dafür müssen wir das Verhältnis zwischen zeitlichem Aufwand und zusätzlicher Vergütung für Therapeuten attraktiv gestalten – möglich ist das angesichts des heutigen Kostendrucks nur mit intelligenter Technologie.
«Wir entwickeln ein neues Therapieerlebnis, das Patienten wie eine gute Streaming-Serie mit auf eine in sich geschlossene Reise nimmt, und – wie in einem Videospiel – Fortschritt und Erfolge klar aufzeigt.»
Florian Haufe, CEO Akina
Wie verläuft denn die Kontrolle seitens der Therapeutinnen und Therapeuten?
Unsere KI-basierte Software erlaubt es ihnen erstmalig, den Fortschritt und die Bewegungsqualität ihrer Patienten während der Therapie zuhause mittels anonymisierter Videodaten zu kontrollieren. Wir erhöhen dabei durch intelligente Datenverarbeitung die Geschwindigkeit der Kontrolle erheblich – es bedarf so nur weniger Minuten, um Stunden der selbstständigen Therapie zuverlässig zu kontrollieren.
Ausserdem unterstützt unsere Software Therapeutinnen dabei, ihr Feedback effizient zu erfassen und an die Patienten zu übermitteln. Für diese zusätzliche Arbeit müssen Physiotherapeuten dann natürlich auch fair vergütet werden.
Die altersdemographische Entwicklung und die damit einhergehende Zunahme chronischer Krankheiten führt zu immer mehr Patienten in höherem Alter. Wie geeignet kann der Gamification-Ansatz bei dieser Zielgruppe sein?
Unser Produkt ist trotz der Inspiration durch Gamification ganz klar kein Videospiel, und setzt nicht einmal ein Interesse an Videospielen im klassischen Sinne voraus.
Wir wollen mit unserem Angebot Patientinnen und Patienten ansprechen, die bereits Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien haben – etwa mit Apps auf dem Smartphone, Video Streaming oder sozialen Netzwerken. Heutzutage ist die Nutzung von digitalen Medien zumindest bei Personen bis 65 Jahre durchwegs sehr hoch – somit können wir schon einmal zwei Drittel aller Physiotherapie-Patienten erreichen.
Mit welcher Unterstützung aus dem medizinischen Bereich, konkret der Physiotherapie, wurde und wird das Produkt entwickelt?
Wir haben bis jetzt mit mehreren Partnern aus der Physiotherapie erfolgreich zusammengearbeitet – etwa mit der Schulthess Klinik in Zürich oder der Rennbahnklinik bei Basel. Mit der Schulthess Klinik planen wir nun auch gemeinsam die Fertigstellung und Erprobung unseres ersten Produkts.
«Wir gehen das Thema deswegen mit grossem Respekt an und wissen, dass wir die Wirksamkeit unseres Produkts erst noch beweisen müssen.»
Welche Resonanz können Sie bisher feststellen, von Seiten der Praxis, der Kliniken und auch der Krankenkassen?
Wir merken immer wieder, dass das Problem bei Kliniken und Krankenkassen wohlbekannt und trotzdem hochaktuell ist. Es ist für uns Chance und Ansporn zugleich, wenn sich namhafte Partner wie die Schulthess Klinik oder die Rennbahnklinik Zeit nehmen, unser Produkt mit Patientinnen und Therapeutinnen zu testen. Wenn dann auch regelmässig positive Rückmeldung kommt, ist das natürlich sehr motivierend.
Gelegentlich spüren wir auch eine gewisse Skepsis, für die wir viel Verständnis mitbringen. Schliesslich gab es schon viele Versuche, Bewegungstherapie neu zu denken, bis jetzt ohne einen wirklichen Durchbruch. Wir gehen das Thema deswegen mit grossem Respekt an und wissen, dass wir die Wirksamkeit unseres Produkts erst noch beweisen müssen.
Akina hat zuletzt 1,6 Mio Franken Pre-Seed-Kapital von bekannten Investoren erhalten. Was ermöglicht Ihnen dieses Investment?
Wir werden das neue Kapital nutzen, um unser Produkt fertigzustellen und im Markt zu lancieren.
Wann ist es soweit?
Wir planen den Markteintritt für die zweite Hälfte des nächsten Jahres.
«Wir müssen es schaffen, für Patienten eine positive und immersive Therapieerfahrung zu kreieren, und gleichzeitig für Therapeuten ein verlässlicher Partner zu sein.»
Welches sind die entscheidenden Faktoren, damit sich das Produkt etablieren kann und zum Erfolg wird? Wo sehen Sie die höchsten Hürden?
Wir müssen es schaffen, für Patienten eine positive und immersive Therapieerfahrung zu kreieren, und gleichzeitig für Therapeuten ein verlässlicher Partner zu sein. Ganz klar muss sich die Zusammenarbeit für Therapeutinnen neben dem verbesserten Behandlungsresultat auch finanziell lohnen. Wenn wir dann noch zeigen können, dass wir mit unserer verbundenen Therapie auch teure Folgebehandlungen vermeiden können und somit die Gesamtkosten für Krankenkassen reduzieren, steht einem Markterfolg nichts mehr im Wege.
Akina ist ein ETH-Spin-off. Wie kam es zur Gründung eines Unternehmens im Bereich von intelligenter medizinischer Software?
Anders als viele Spin-Offs der ETH Zürich kommerzialisiert Akina nicht ein unmittelbares Forschungsergebnis – etwa einen bestehenden Prototypen aus einem Robotiklabor. Für meinen Mitgründer Michele Xiloyannis und mich waren es stattdessen umfangreiche Einblicke in die heutige klinische Rehabilitation und Physiotherapie, die den Anstoss zur Gründung gegeben haben.
Herr Haufe, besten Dank für das Interview.