Trotz brummenden Geschäften: Industrie steuert auf schwierige Zeiten zu
Zürich – Noch arbeiten die Schweizer Industrieunternehmen ihren hohen Auftragsbestand ab. Neue Aufträge kommen aber immer weniger rein. Das lässt für die Zukunft Düsteres erahnen. Aktuell brummen die Geschäfte noch: Nach Erhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) vom Freitag setzten die Schweizer Industrieunternehmen im dritten Quartal 2022 deutliche 9,5 Prozent mehr um.
Die Industrieproduktion legte von Juli bis September mit plus 5,2 Prozent ebenfalls stark zu. Ein guter Teil des deutlichen Umsatzzuwachses ist allerdings auf Preiserhöhungen zurückzuführen.
Dennoch: Sowohl bei der Produktion als auch beim Umsatz ist das Wachstum seit dem ersten Quartal 2021 ungebrochen, stellte das BFS fest.
Nachlassende Dynamik
Eine ähnliche Tendenz zeigten die am Donnerstag publizierten Zahlen von Swissmem. Diesen zufolge setzten die dem Verband angeschlossenen Firmen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie im Herbst 4,6 Prozent mehr um.
Doch die Dynamik nimmt bereits ab. Für das zweite Quartal 2022 hatte Swissmem mit 11,6 Prozent noch deutlich höhere Raten für das Umsatzwachstum ausgewiesen.
Damit hört die Freude der Industrieunternehmen aber auf. Denn fakturierte Umsätze sind nichts anderes als Aufträge aus der Vergangenheit, die abgearbeitet wurden. Und bei den neuen Aufträgen, also dem künftigen Umsatz, hapert es immer mehr.
Weniger neue Aufträge
Das dritte Quartal hat laut Swissmem eine «signifikante» Wende bei den Auftragseingängen gebracht. Diese gingen laut den Angaben vom Vortag im dritten Jahresviertel um 12,4 Prozent zurück. Im Vergleich zum Vorquartal brachen die Aufträge gar um über einen Fünftel ein.
Es sind gemäss Swissmem vor allem die Aufträge aus dem Ausland, die fehlen. Das BFS publiziert keine Daten zu den neuen Bestellungen bei der Schweizer Industrie.
«Vorzeichen für den Abschwung eindeutig»
Die Aussichten sind laut Swissmem-Vizedirektor Jean-Philippe Kohl daher trüb. «Die Vorzeichen stehen klar auf Abschwung», sagte er im Interview mit AWP Video. Die nächste Krise für die Branche sei daher vorprogrammiert – die Anzeichen dafür seien sehr eindeutig.
Kohl zitierte eine Swissmem-Erhebung vom Frühjahr, wonach schon 2021 jedes vierte MEM-Unternehmen Verluste schrieb. «Wir müssen nun davon ausgehen, dass noch mehr Firmen in die Verlustzone abrutschen werden», sagte er mit Verweis auf die rückläufigen Bestellungen, Lieferengpässe und die hohen Energiepreise.
Voller Lohnausgleich nicht immer garantiert
Die Teuerung schlägt auch auf die Kaufkraft der in der MEM-Industrie Beschäftigten durch. In der Branche werden die Lohnverhandlungen auf Ebene der Unternehmen geführt, gab der Swissmem-Mann zu bedenken.
«Im Rahmen der Möglichkeiten werden die Unternehmen auch die Löhne anpassen wollen – und können», gab sich Kohl dennoch überzeugt. Angesichts der negativen Vorzeichen sei es aber fraglich, «ob bei allen Löhnen die Teuerung ausgeglichen werden kann», sagte er. (awp/mc/pg)