Airbus geht unter die Triebwerkshersteller – Wasserstoffjet bis 2035
Toulouse – Der weltgrösste Flugzeugbauer Airbus versucht sich für seinen geplanten Wasserstoffjet erstmals als Triebwerkshersteller. Der Konzern entwickelt ein wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellen-Triebwerk, wie er am Mittwoch in Toulouse ankündigte. Dieses soll als Lösung für die emissionsfreien Flugzeuge infrage kommen, die Airbus bis zum Jahr 2035 in Betrieb nehmen will. Wie das erste Wasserstoff-Passagierflugzeug konkret aussehen wird, ist noch offen. Das Konzept eines Nurflüglers, bei dem Rumpf und Flügel ineinander übergehen, dürfte bei diesem Schritt zum CO2-freien Fliegen aber eher nicht Realität werden.
Schon vor Monaten hatte sich abgezeichnet, dass Airbus unter die Motorenbauer gehen könnte. Airbus-Chef Guillaume Faury hatte einen solchen Schritt im Februar öffentlich in Erwägung gezogen. «Das ist etwas, was wir grundsätzlich auch selber machen könnten», hatte er mit Blick auf Elektromotoren für ein Wasserstoff-Flugzeug der «Welt am Sonntag» gesagt. Dabei sprach er von einem möglichen «Strategiewechsel».
Bisher setzen Flugzeughersteller wie Airbus und Boeing bei ihren Maschinen auf Triebwerke etablierter Zulieferer wie Rolls-Royce, General Electric, Safran, der Raytheon-Techologies-Tochter Pratt & Whitney und der deutschen MTU. Diese Unternehmen arbeiten für einzelne Antriebstypen wiederum oft in unterschiedlichen Bündnissen zusammen.
Platz für 100 Passagiere, Reichweite ca. 1850 km
«In grossem Massstab und bei Erreichen der technologischen Ziele könnten Brennstoffzellen-Antriebe Flugzeuge mit Platz für 100 Passagiere mit einer Reichweite von etwa 1000 Seemeilen antreiben», sagte der zuständige Airbus-Manager Glenn Llewellyn in Toulouse. Das entspricht etwa 1850 Kilometern. Testen will das Unternehmen den Antrieb etwa ab Mitte des Jahrzehnts am Rumpf eines Airbus A380, der dabei von klassischen Triebwerken angetrieben wird.
Weitere Lösungen
Parallel hat das Management allerdings noch weitere Lösungen im Auge. Bereits im Februar hatte Airbus die Konzerne General Electric und Safran für einen künftigen Wasserstoffantrieb an Bord geholt. Zusammen mit deren Gemeinschaftsunternehmen CFM will Airbus einen wasserstoffbetriebenen Direktverbrennungsmotor am Boden und im Flug testen – dabei ebenfalls an einer A380. Airbus stattet den Jet mit Tanks für Flüssigwasserstoff aus.
Zeitplan bestätigt
Der Hersteller hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2035 ein Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb auf den Markt zu bringen und damit CO2-neutrales Fliegen möglich zu machen. «Das ist definitiv weiterhin unser Zeitplan», sagte Llewellyn. Bis etwa 2025 soll das grundsätzliche Konzept stehen. Im Jahr 2027 oder 2028 will Airbus die Entwicklung offiziell anschieben.
Mit 100 bis 200 Sitzplätzen könnte die Maschine in etwa die Kapazität der heutigen Mittelstreckenjets der A320neo-Familie und der kleineren A220 bieten. Genaues hält sich Airbus aber noch offen.
Das gilt auch für die Form des Flugzeugs. Bei der Vorstellung der Wasserstoff-Strategie im September 2020 hatte der Hersteller neben zwei Konzepten mit klassischen Flugzeugrümpfen auch einen Nurflügler als mögliche Form vorgestellt. Diese Version habe aus heutiger Sicht allerdings die geringste Chance, sagte Llewellyn. Es würde wohl zu schwierig, auf einen Schlag sowohl das Antriebssystem als auch ein neues Rumpfkonzept umzusetzen.
Politik muss Regelwerke entwickeln
Unterdessen arbeitet Airbus mit Partnern wie Flughafenbetreibern und Gasherstellern zusammen. «Wenn Fluggesellschaften in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts mit Wasserstoff-Flugzeugen fliegen sollen, brauchen wir nicht nur das Flugzeug. Wir brauchen die Infrastruktur und die entsprechenden Regelwerke dafür», sagte Firmenlenker Faury, der der Veranstaltung in Toulouse per Video zugeschaltet war. Er mahnte die Politik, rechtzeitig die notwendigen Vorschriften zu entwickeln und zu erlassen. Sollte die notwendige Infrastruktur absehbar nicht rechtzeitig fertig werden, könnte dies ein Grund sein, den eigenen Zeitplan zu verschieben.
Am Mittwoch gab der Hersteller eine Partnerschaft mit dem französischen Unternehmen Hyport bekannt, das grünen Wasserstoff entwickelt und zum Teil dem Energiekonzern Engie gehört. Damit soll der Aufbau der Wasserstoffproduktion an Airbus› französischem Heimatflughafen Toulouse-Blagnac vorangetrieben werden. Die Raumfahrtgesellschaft ArianeGroup, ein Gemeinschaftsunternehmen von Airbus und Safran, soll ein Betankungssystem entwickeln.
Zudem versucht Airbus die Produktion nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF) voranzubringen, die in herkömmlichen Triebwerken anstelle oder zusammen mit Kerosin eingesetzt werden können. Bisher steuerten diese Kraftstoffe weniger als ein Prozent zum weltweiten Treibstoffverbrauch der Luftfahrt bei, sagte Airbus-Chef Faury. Bis 2030 soll dieser Anteil nach seiner Ansicht auf zehn Prozent steigen. Airbus schloss nun eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit mit dem finnischen Ölkonzern Neste, der stark auf erneuerbare Treibstoffe setzt. Dessen Manager Thorsten Lange will die von Faury anvisierte Steigerung sogar garantieren, wie er in Toulouse sagte.
Beimischung von 50 Prozent SAF schon heute erlaubt
Schon heute dürfen alle Airbus-Modelle mit einer Beimischung von 50 Prozent SAF betankt werden. Bis zum Jahr 2030 will der Konzern die Zulassung für 100 Prozent erreichen. Allerdings sind diese Kraftstoffe bisher nur in geringen Mengen verfügbar und im Vergleich zu fossilem Kerosin sehr teuer. Sie werden etwa aus Pflanzenölen und Tierfetten oder synthetisch als E-Fuels hergestellt. (awp/mc/pg)