Henry Nidecker, Geschäftsführer Nidecker, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Nidecker ist seit rund 110 Jahren im Skisport tätig. Ein Paar Abfahrtsskier machte den Anfang, 1984 kam das erste Snowboard. Heute ist Nidecker mit den Marken Nidecker, Yes, Jones, Now und Flow weltweit die Nummer 2 unter den Snowboardmarken. Wie schaffen Sie es, die Innovationskraft über Jahrzehnte aufrechtzuerhalten?
Henry Nidecker: Innovation ist in unserer DNA, sie ist Teil unserer Kultur. Das Familienzitat lautet immer: «Erfinde dich neu und sei in Aktion». Alle, die im Unternehmen arbeiten, haben also diesen Geist. Denn innovativ zu sein ist nicht nur etwas für Ingenieure, sondern gilt in allen Abteilungen.
Die jüngste Innovation ist die Supermatic-Bindung, eine Step-in-Bindung, die den Komfort eines Schnelleinstiegs mit der Präzision einer klassischen Zweibandbindung verbindet. Haben Sie damit, wie ISPO.com fragte, den heiligen Gral der Snowboardbindungen entwickelt?
Ich denke, dass wir mit der Supermatic etwas Einzigartiges geschaffen haben, wovon die Snowboardindustrie geträumt hat und was sie nie wirklich erreicht hat. Also ja, es ist definitiv ein grosser Schritt vorwärts für das Snowboarding. Es ist ein bisschen wie die Entwicklung des iPhone 1.
Können Sie uns das Konzept ein wenig näher erläutern?
Die Idee ist, das klassische Zwei-Riemen-Bindungsgefühl beizubehalten, das Snowboarden so einzigartig macht. Darüber hinaus haben wir einen automatischen Verschluss entwickelt – ein bisschen wie bei einer Skibindung – der mit jedem Schuh auf dem Markt funktioniert. Sie funktioniert wirklich unter allen Bedingungen – denn man kann sie einfach an- und ausziehen wie eine normale Zwei-Riemen-Bindung, wenn nötig.
«Ich denke, dass wir mit der Supermatic etwas Einzigartiges geschaffen haben, wovon die Snowboardindustrie geträumt hat und was sie nie wirklich erreicht hat.»
Henry Nidecker, Geschäftsführer Nidecker
Wie lange hat die Entwicklung gedauert?
Wir haben vier Jahre für die Entwicklung gebraucht, denn wie immer war die Idee auf dem Papier klar, aber die Umsetzung war eine andere Geschichte. Wir mussten viele Tests, Verfeinerungen und Anpassungen vornehmen, um eine Lösung zu finden, die mit absoluter Sicherheit und minimalen Ausfällen funktioniert.
Als Sie und Ihre Brüder das Familienunternehmen in der 5. Generation übernahmen, standen die Dinge für Nidecker nicht zum Besten. Heute floriert das Unternehmen wie nie zuvor. Können Sie in ein paar Sätzen beschreiben, wie Sie den Turnaround geschafft haben?
Ja! Damals lag Snowboarden nicht im Trend, und Nidecker musste Produktion, Branding und Vertrieb unter einen Hut bringen. Wir mussten kreativ und innovativ sein, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Wir trafen einige wichtige Entscheidungen, wie z. B. die Fokussierung auf das Branding und den Aufbau neuer Marken durch Partnerschaften mit den besten Snowboardern der Welt – und gleichzeitig die Einstellung der eigenen Produktion. Das war eine schwierige Entscheidung. Aber heute wissen wir, dass unsere Strategie die richtige war, auch wenn die Branche uns damals für verrückt erklärt hat.
Welche Rolle spielt die Kommunikation, das Marketing und die Zusammenarbeit mit Markenbotschaftern für den Erfolg?
Wir setzen immer Athleten und Botschafter ein, um unsere Marken zu promoten, denn sie sind die ersten, die die Ausrüstung benutzen und teilen die gleiche Leidenschaft wie wir. Was gibt es Besseres, als leidenschaftliche Menschen über unsere Marke sprechen zu lassen? Kommunikation ist bei allen Marken der Schlüssel, aber bei uns steht das Benutzererlebnis immer an erster Stelle und das Produkt an erster Stelle.
«Was gibt es Besseres, als leidenschaftliche Menschen über unsere Marke sprechen zu lassen?»
Welches sind heute die Hauptabsatzmärkte von Nidecker?
Bei weitem Nordamerika. Für eine Schweizer Snowboardfirma sind wir ziemlich stolz darauf, in Nordamerika mehr als gut vertreten zu sein.
Wenn Sie auf die letzten 15 Jahre zurückblicken: Was waren die bemerkenswertesten Veränderungen in den Verbrauchergewohnheiten?
Mit dem Aufkommen der direkten Kommunikation mit dem Verbraucher hat sich alles grundlegend verändert. Denn die Verbraucher sind besser informiert als je zuvor und wissen genau, was sie suchen. Wir mussten mehr tun, um den besten Service zu bieten – es reicht nicht mehr aus, die Menschen einfach nur träumen zu lassen.
Gab es irgendwelche Trends, die Sie besonders begeistert haben?
Wir versuchen, Trends zu kreieren und ihnen nicht nur zu folgen. Aber die Welt verändert sich und beschleunigt das, was wir schon seit einiger Zeit tun – Dinge wie nachhaltigere Produkte und Prozesse, Innovationen, um sicherzustellen, dass Snowboarder so glücklich sind, wie sie es sein können, und den Sport voranzutreiben. Trends kommen immer wieder, und heute wächst das Snowboarden mit der neuen Generation.
Der Klimawandel bedroht das Snowboarden und den Wintersport, wie wir ihn kennen. Wie sehen Sie die Zukunft des Snowboardens?
Wir glauben fest an die Zukunft des Snowboardens. Wir alle müssen generell in jedem Aspekt der Produktion und der Prozesse besser werden, und wir versuchen jeden Tag, in allen Bereichen unseres Unternehmens wirksame Veränderungen herbeizuführen, wenn es darum geht, einen planet-first-Ansatz zu verfolgen.
«Wir versuchen, in allen Bereichen unseres Unternehmens wirksame Veränderungen herbeizuführen, wenn es darum geht, einen planet-first-Ansatz zu verfolgen.»
Nidecker ist Mitglied von 1% For The Planet. Worum geht es dabei?
Ganz einfach: Wir verpflichten uns, 1 % unserer Gesamteinnahmen für die Bekämpfung des Klimawandels zu spenden. Die Idee unserer Mitgliedschaft bei 1% For The Planet ist es, Organisationen zu unterstützen, die sich vor Ort für die Verbesserung unserer Welt einsetzen. Unsere Philanthropie ist hier breit gefächert und der Ansatz ist einfach: ein Problem identifizieren, die Akteure ausfindig machen, die am besten in der Lage sind, einen echten Wandel herbeizuführen, sie finanzieren und dann zurücktreten und zusehen, wie die Magie geschieht.
Von grossen gemeinnützigen Organisationen wie Protect Our Winters, Keep-A-Breast und OneTreePlanted bis hin zu kleineren Organisationen wie Zom Connection, die die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in den Tälern Nordpakistans durch den Zugang zum Wintersport fördern, ist unser Spendenportfolio vielfältig und sinnvoll.
Herr Nidecker, herzlichen Dank für das Interview.