Gute Vorsätze für die Verteidigungsausgaben der nächsten Jahre

Gute Vorsätze für die Verteidigungsausgaben der nächsten Jahre
Dr. Fritz Kälin

Jedes Land muss sich auf seine eigene Armee verlassen können. Damit eine Streitmacht nicht nur kostet, sondern ihr Geld auch wert ist, muss fortlaufend in sie investiert werden. Bei der Debatte, wie viel mehr die Schweizer Milizarmee in Zukunft kosten darf, geht bislang vergessen, dass ihre wirksamste Stärkung praktisch ohne zusätzliche Steuergelder erfolgen könnte.

Von Dr. Fritz Kälin

Die Kontinuität an der Spitze des VBS ist eine Chance, die ergriffen werden muss

Der Bundesrat hat sich neu aufgestellt. Mitte-Bundesrätin Viola Amherd führt weiterhin das Verteidigungsdepartement. Ein Wechsel von Amherd hätte das VBS wahrscheinlich in die Hände eines der beiden neuen Bundesratsmitglieder gelegt. Er oder sie hätte sich in die ernste Materie militärischer Landesverteidigung erst einarbeiten müssen. Alle Kommentatoren und Parteistrategen, die sich verwundert die Augen rieben, dass sie nicht ein ‘politisch attraktiveres’ Departement übernommen hat, haben offenbar noch immer nicht begriffen, dass in Europa Krieg herrscht. Die Schweiz ist von Freunden umgeben, deren Streitkräfte weisen aber hinter der teuren Fassade hochmoderner Waffensysteme wenig Substanz auf. Auch in der Friedensfestung Schweiz herrscht Investitionsstau.

Armeefinanzen entscheiden über das Image «Stachelschwein» oder «Mastschwein»

Unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges hat die bürgerliche Parlamentsmehrheit den Bundesrat 2022 beauftragt, die Verteidigungsausgaben bis 2030 auf mindestens 1% des BIP anzuheben. Der abtretende Finanzminister Ueli Maurer, dem als ehemaliger Verteidigungsminister kein fehlendes Verständnis für den Nachrüstungsbedarf vorgeworfen werden kann, hat ernste Fragezeichen hinter die Finanzierbarkeit gesetzt. Nicht allein wegen der höheren Ausgaben für die Armee, sondern weil das Parlament noch mit weiteren Mehrausgaben und Steuersenkungen liebäugelt. Wenn die Schweiz sich kein Verteidigungsbudget von 1% des BIP leisten kann, ohne die Staatsfinanzen aus dem Gleichgewicht zu bringen, ist das nicht ein Fehler der Armee. Es zeigt vielmehr, dass der Staat sich mit zu vielen Nebenaufgaben belastet, um seine eigentliche Primäraufgabe «Sicherheit» noch schultern zu können.

Ein gesunder Staatshaushalt gehört auch zur «Resilienz» – gerade für ein Land, das auf wirtschaftliche Beziehungen in aller Welt angewiesen ist, die durch vielfältige Weise gestört werden können. Wenn die Schweiz aber kein sicherer Standort mehr ist, werden internationale Grosskonzerne und Spitzenforschungsinstitute subito wegziehen, egal wie tief die Steuerlast und wie hoch die Bildungsausgaben hier sind. Länder in einer geographisch gefährlicheren Position wie Israel, Singapur oder Taiwan prosperieren wirtschaftlich nicht trotz, sondern dank ihrer starken Gesamtverteidigung. Auch in der Schweiz wurde alles, was heute mit ihrem Wohlstand assoziiert wird (z.B. Infrastruktur und Sozialwerke), während des Kalten Krieges geschaffen, als sie sich die wohl stärkste Verteidigung in ihrer jahrhundertelangen Geschichte leistete. Wer mit dem damaligen Image der Schweiz als «Stachelschwein» hadert, muss sich die Frage gefallen lassen, ob das Image eines auf seine Schlachtung wartenden Mastschweins das Erfolgsrezept für das 21. Jahrhundert sein soll?

Der Staatshaushalt ist kein Jahr für Jahr immer gleich grosser Kuchen. Er wächst mit der Wirtschaft. Die Erhöhung des Militäretats kann dadurch finanziert werden, dass die Armee ein grösseres Stück des jährlichen Wachstumskuchens erhält und andere Bereiche, die in den letzten Jahrzehnten ungeniert gewachsen sind, ihr Wachstum mässigen. Hier müssen die bürgerlichen Parteien gegenüber dem Befindlichkeitsdruck der Ratslinken, den armeefeindlichen Medien und einem wohlstandsverwöhnten Wahlvolk standhaft bleiben. Umgekehrt sollten auch die Bürgerlichen die eine oder andere populäre Steuersenkungsidee überdenken, wenn diese die finanzielle Planungssicherheit für die Landesverteidigung gefährden würde.

Die beste Armee mobilisiert nicht alle Gelder im Frieden, wohl aber alle Wehrfähigen im Ernstfall

Die kosteneffizienteste Stärkung der umfassenden Verteidigungsfähigkeit wäre nicht einmal eine Frage des Geldes. Die Armee braucht schlicht mehr Soldatinnen und Soldaten. Anders als bei Berufsarmeen führen grössere Bestände in der Milizarmee nicht zu linear höheren Kosten. Denn es wird nicht zusätzliches Personal angestellt, sondern die ohnehin eingezogenen Wehrpflichtigen bleiben länger eingeteilt. Die höchsten (staatlichen) Kosten fallen in der Erstausbildung und Ausrüstung an. Je länger Milizsoldaten in der Armee eingeteilt bleiben, desto grösser ist wirtschaftlich gesprochen der «return of investment». Dass die Mannschaftsgrade seit der «Armee XXI» nach spätestens zehn Jahren aus dem Dienst entlassen werden, ist militärökonomisch betrachtet eine immense Verschwendung. Wer käme in der Wirtschaft auf die Idee, wertvolle Fachkräfte kollektiv in Frührente zu schicken?

Wenn Schweizerinnen und Schweizer länger in Armee und Zivilschutz Dienst eingeteilt bleiben, könnte dafür die individuelle Belastung der Milizangehörigen durch grösstmögliche Streckung der Ausbildungsdienste gestreckt werden. Die historisch bewährte und volkswirtschaftlich tragbarste Lösung wäre eine Wiederaufteilung des Militärdienstes in Altersklassen. Jene Funktionen, die eine lange Grundausbildung und/oder hohe körperliche Fitness erfordern, werden von den jüngeren Wehrpflichtigen ausgeübt. Die Älteren übernehmen die unzähligen einfacheren, aber nicht minder wichtigen Funktionen in rückwärtigen Bereichen sowie die personalintensiven Schutz- und Bewachungsaufgaben. Sobald die Armee diese Basics erfüllen kann, ist sie ihr Geld wert – wie viel, darüber darf und soll die Politik streiten. Aber nicht länger auf Kosten der Basics.


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