Markus Kilb, CEO TWINT, im Interview

Markus Kilb, CEO TWINT, im Interview
Markus Kilb, CEO TWINT. (Bild: TWINT)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Kilb, Mobile Payment ist in der Schweiz so beliebt wie kaum in einem anderen europäischen Land. Welche Erklärung haben Sie dafür und welchen Anteil hat TWINT an dieser Entwicklung?

Markus Kilb: Innovationsgeist hat in der Schweizer Finanzbranche in vielerlei Hinsicht Tradition. TWINT entstand 2016 aus dem Zusammenschluss zweier Bezahl-Apps und seither haben wir uns darauf konzentriert, die speziellen schweizerischen Bedürfnisse im Payment-Sektor bestmöglich abzudecken. Wir sind sehr stolz darauf, dass TWINT mit über 5 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern die beliebteste Bezahl-App der Schweiz ist. Das bedeutet, dass wir in den fünf Jahren seit der Gründung von TWINT bereits über die Hälfte der schweizerischen Bevölkerung davon überzeugen konnten, die App zu nutzen. Die unabhängige Studie Swiss Payment Monitor zeigt, dass TWINT für über 71% der mobilen Zahlungen in der Schweiz nach Volumen verantwortlich ist. Und die Gesamtzahl der TWINT-Transaktionen in der Schweiz dürfte in den nächsten Jahren die Zahl an Kreditkartenzahlungen überholen. Eine schöne Erfolgsgeschichte für ein Zahlungsmittel Made in Switzerland!

Ein Grund für den Vorsprung von TWINT gegenüber den globalen Zahlungsanbietern in der Schweiz ist, dass es uns gelungen ist gemeinsam mit lokalen Partnern eine ganze Reihe von Alltagssituationen durch digitale Innovation zu vereinfachen. Ein Beispiel dafür ist die Möglichkeit, die Parkgebühr direkt in der TWINT App und ohne Gang zur Parkuhr zu bezahlen. Dabei geht es nicht nur um die Bezahlung. Die Funktion hat grundlegend verändert, wie die Menschen in der Schweiz über das Parkieren denken. Zudem ist TWINT aus allen möglichen lokalen Institutionen und Situationen nicht mehr wegzudenken. Vom Bezahlen an der Kasse über den Selbstbedienungsladen im Hochgebirge bis hin zum Vereinsfest oder gar der Kirchenkollekte. TWINT ist mittlerweile ein fester Teil des Alltags in der Schweiz geworden.

Wie hat sich der Mobile Payment-Wachstumstrend bei TWINT 2022 ausgewirkt?

Wir freuen uns sehr darüber, dass TWINT im Januar über 5 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer zählt und ungebremst weiter wächst. Wir glauben, dass TWINT noch viel Potential hat und irgendwann einen Grossteil der Menschen in der Schweiz erreichen wird. Allerdings wächst nicht nur die Anzahl neuer User: Vielmehr ist es uns auch gelungen die Nutzung der App pro User durch spannende Zusatzangebote von Jahr zu Jahr deutlich zu steigern.

«Wir glauben, dass TWINT noch viel Potential hat und irgendwann einen Grossteil der Menschen in der Schweiz erreichen wird.»
Markus Kilb, CEO TWINT

Zu wie vielen Transaktionen im Jahr führt das?

Im Jahr 2022 waren es noch 215 Millionen Transaktionen – im Jahr 2023 bereits 386 Millionen, mehr als in allen Jahren seit der Gründung von TWINT kombiniert.

Gibt es typische TWINT-Kunden?

Da mittlerweile über die Hälfte der Menschen in der Schweiz TWINT nutzen, kann man nicht von einem typischen Kundenprofil sprechen. Wir dürfen uns über begeisterte Nutzerinnen und Nutzer in allen Altersklassen und Gesellschaftssegmenten freuen. Besonders erfreulich ist dabei, dass TWINT keineswegs nur ein Produkt für eine jüngere, digital-affine Zielgruppe ist. Auch immer mehr ältere Menschen nutzen die TWINT App rege. Gemeinsam haben unsere Nutzerinnen und Nutzer wohl, dass sie die digitale Vereinfachung des Alltags und das abwechslungsreiche Angebot an Dienstleistungen schätzen.

Wie wird TWINT hauptsächlich eingesetzt – zum Geldtausch zwischen zwei Nutzern oder mehr beim Bezahlen an der Ladenkasse oder im Restaurant?

Rund 65% aller Transaktionen mit TWINT sind geschäftliche Zahlungen während ca. 35% aller Zahlungen unter Freunden und Familienangehörigen getätigt werden (Peer-to-Peer). Dabei weisen die kommerziellen Zahlungen ein stärkeres Wachstum auf als die Zahlungen zwischen Privatpersonen.

«Rund 65% aller Transaktionen mit TWINT sind geschäftliche Zahlungen während ca. 35% aller Zahlungen unter Freunden und Familienangehörigen getätigt werden (Peer-to-Peer).»

TWINT verdient bei Peer-to-Peer-Bezahlungen nichts, im stationären- und Onlinehandel über Gebühren hingegen schon. Mittlerweile bieten über drei Viertel der Schweizer Online- und Offline-Shops Twint an. Wie verändert sich Ihre Verhandlungsposition durch die steigende Anzahl Transaktionen?

Wir freuen uns sehr über die breite Akzeptanz von TWINT im Schweizer Handel und bei den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten. Viele Nutzerinnen und Nutzer aber auch Händler haben gemerkt, dass TWINT den Alltag stark vereinfacht. Entsprechend sind auch die Erwartungen der Konsumenten an Händler gestiegen, TWINT als einfaches und sicheres Zahlungsmittel anzubieten. Auf die Verhandlungen hat dies keinen Einfluss – eine Integration von TWINT als Zahlungsmittel war für Händler von Anfang an zu sehr wettbewerbsfähigen Konditionen möglich. Kleinere und grössere Händler aus allen Segmenten spiegeln uns in Umfragen immer wieder, dass sie mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis von TWINT als Gesamtpaket sehr zufrieden sind. Uns freut es, dass wir die Unternehmen in der Schweiz dabei unterstützen können, ein modernes Kundenerlebnis zu bieten – egal ob im stationären Handel, im Onlineshop, auf dem Hofladen oder in der Gastronomie.

Welche grossen Händler sind im Jahr 2022 dazu gekommen?

Wie Sie erwähnt haben, deckt TWINT mittlerweile laut einer aktuellen ZHAW-Studie rund 75% der Schweizer Handelslandschaft ab. Zusätzlich zu Händlern wie Coop, Migros und ALDI, die bereits seit geraumer Zeit Zahlungen per TWINT akzeptieren, haben sich 2022 etwa auch Denner, Lidl und McDonald’s dazugesellt. Auch die Anzahl Online-Shops, die TWINT als Zahlungsoption anbieten, wächst stetig. So kann seit 2022 etwa bei Globus online, Hotelplan, ifolor, Breuninger, Just Eat, Booking.com und auch bei Zalando getwintet werden.

Welche Neuerungen stehen 2023 ins Haus – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Partnerschaft mit der Cembra-Tochter Swissbilling?

Auch in diesem Jahr dürfen sich die User auf nützliche Funktionen freuen, die das Leben ein Stück einfacher machen. Mehr Informationen zu diesen Funktionen werden wir bekanntgeben, wenn sie für die Markteinführung bereit sind.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass sich TWINT nicht nur anhand komplett neuer Funktionen weiterentwickelt. Auch bestehende Anwendungsgebiete werden stetig ausgebaut und weiterentwickelt. So kann man seit einigen Monaten die Nummernschilderkennung in der TWINT App aktivieren und dann bei zahlreichen Parkhäusern komplett ticketlos ein- und ausfahren. Die Barriere öffnet sich dabei von selbst und bei der Ausfahrt wird die Parkgebühr automatisch in der TWINT App belastet.

Ebenfalls für frischen Wind und ein flüssigeres Nutzungserlebnis sorgt demnächst eine Umgestaltung des Startbildschirms in diversen Versionen der TWINT App. Das Redesign wird in der TWINT Prepaid App in Kürze sichtbar sein und im Laufe der nächsten Monate nach und nach auf weitere Versionen der App ausgeweitet. Im Laufe des Jahrs werden ausserdem diverse neue Funktionen und Anwendungsgebiete dazukommen, die den Alltag der User zusätzlich vereinfachen. Wir freuen uns darauf, zu gegebener Zeit mehr bekanntzugeben.

«Wir entwickeln neue Funktionen nur sehr selektiv und konzentrieren uns auf Anwendungsgebiete, die einen deutlichen Mehrwert und Alltagsnutzen für eine möglichst grosse Anzahl Nutzerinnen und Nutzer bringen.»

Immer mehr will TWINT auch ein Marktplatz sein. Mittlerweile können Handy-Abos verglichen, Versicherungen abgeschlossen oder eben Parkplätze bezahlt werden. In welche Richtung wollen Sie das Angebot weiterentwickeln?

Die von Ihnen erwähnten Funktionen sind schöne Beispiele dafür, wie wir das Leben unserer Nutzerinnen und Nutzer täglich ein wenig einfacher machen. Und genau da liegt auch der Fokus beim Ausbau unseres Angebots. Wir entwickeln neue Funktionen nur sehr selektiv und konzentrieren uns auf Anwendungsgebiete, die einen deutlichen Mehrwert und Alltagsnutzen für eine möglichst grosse Anzahl Nutzerinnen und Nutzer bringen. Dabei ist es uns auch wichtig, dass der Nutzen dieser neuen Funktionen eine gewisse Einzigartigkeit aufweist und nur durch Synergien zwischen unseren Partnern und TWINT überhaupt erst möglich wird. Konkret bedeutet das, dass wir auch weiterhin mit starken lokalen Partnerfirmen zusammenarbeiten werden, um die spezifischen Bedürfnisse der Menschen in der Schweiz so gut wie möglich abzudecken. Der alltägliche Nutzen der App und das Vorantreiben digitaler Innovation sind für uns also zentral.

Praktisch wäre es natürlich, würde TWINT auch im Ausland zur Verfügung stehen. Können Sie sagen, wann dies der Fall sein wird?

TWINT ist ein Gründungsmitglied der European Mobile Payment Systems Association (EMPSA), die 2019 ins Leben gerufen wurde. Die Organisation vereint zahlreiche Payment-Apps aus ganz Europa und hat das Ziel, eine Interoperabilität dieser Bezahlsysteme über die Landesgrenzen hinaus zu schaffen. Im Endeffekt sollen die über 5 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzer von TWINT also in Zukunft auch in anderen europäischen Ländern mit TWINT bezahlen können. Einen konkreten Zeithorizont können wir aktuell noch nicht bekanntgeben.

Letzte Frage: Mobile Payment wird für immer mehr Personen normal. Welche Zukunft hat das Bargeld in der Schweiz noch?

Ich persönlich habe kein Portemonnaie mehr dabei, weil ich die Geschwindigkeit und Einfachheit bargeldloser Zahlungen via TWINT sehr schätze. Nichtsdestotrotz wird uns das Bargeld wohl noch eine ganze Weile begleiten – und das ist auch gut so. Nach wie vor gibt es Menschen, die vielleicht digital nicht ganz so affin sind oder gar kein Smartphone besitzen. Es ist keinesfalls unser Ziel das Bargeld abzuschaffen. Wir möchten den Menschen in der Schweiz mit TWINT eine Wahl bieten und den Zugang zu digitalen Zahlungen so einfach wie möglich machen.

Für den seltenen Fall, dass es doch einmal Bargeld braucht, haben wir übrigens ebenfalls eine Lösung parat. Über die Funktion «Bargeld beziehen» in der TWINT App kommt man in über 2300 Shops schweizweit schnell und unkompliziert an Bargeld.

Herr Kilb, besten Dank für das Interview.

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