VP Bank Spotanalyse: US-Arbeitsmarkt wächst weiterhin kräftig
Unglaublich, welch ein guter Lauf der US-Arbeitsmarkt hat. Eigentlich war davon auszugehen, dass ein monatlicher Stellenaufbau von über 200’000 erst einmal der Vergangenheit angehörte. Es sind nämlich Schwächeanzeichen am US-Arbeitsmarkt erkennbar. So sind etwa die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe über die vergangenen Wochen hinweg angestiegen. Aber es scheint weiterhin gut zu laufen. Auch die durchschnittlichen Stundenlöhne steigen im April um 4.4 % gegenüber Vorjahresmonat an und damit etwas mehr als im Vormonat (+4.3 %).
von Dr. Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank
Aber bekanntlich reagiert der Arbeitsmarkt erst dann, wenn eine Rezession in vollem Gang ist. Und bislang schlug sich die Wirtschaft verhältnismässig gut. Doch es knarzt im Gebälk. Die Misere im Regionalbankensektor setzt sich fort. Die Zinserhöhungen der Notenbank kommen in der Realwirtschaft an. Die Kreditvergabe der Banken ist bereits restriktiv und wird vermutlich noch ein gutes Stück restriktiver werden. Darunter werden die Konjunktur und auch der Arbeitsmarkt leiden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, ehe der Jobaufbau an Dynamik verliert.
Für die Fed ist der Jobs-Report durchaus von Bedeutung. Der oberste Währungshüter Jerome Powell hat bereits auf der Medienkonferenz zum jüngsten Zinsentscheid auf einen noch immer gut laufenden Arbeitsmarkt verwiesen. Die robuste Arbeitsmarktentwicklung dürfte die Fed dazu veranlasst haben, die Zinsen weiter zu erhöhen.
Die Fed käme in den kommenden Monaten in ein erhebliches Dilemma, sollte der Arbeitsmarkt sich weiterhin als stabil erweisen. Auch in den USA macht sich der demografische Wandel bemerkbar. Die Corona-Pandemie hat sogar zu einer Beschleunigung der Pensionierungen gesorgt. Wenn nun also die Wirtschaft zur Schwäche neigt, die Inflationsraten zurückkommen und gleichzeitig der Arbeitsmarkt verhältnismässig stabil bliebe, könnte die Fed nicht einfach so die Zinsen senken. An den Börsen liebäugelt man bereits mit einem schon bald wieder niedrigeren Zinsniveau. Robuste Arbeitsmarktberichte sind deshalb für die Börsen derzeit nicht zwangsläufig die besten Nachrichten – so merkwürdig sich dies auch anhören mag. (VP Bank/mc)