Michael Pistauer und Kai Arndt, Co-CEO’s Montana Aerospace, im Interview

Michael Pistauer und Kai Arndt, Co-CEO’s Montana Aerospace, im Interview
Michael Pistauer (l.), Co-CEO und CFO, Kai Arndt, Co-CEO Montana Aerospace. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Pistauer, trotz guter Quartalszahlen hat die Börse nicht applaudiert. Haben Sie eine Erklärung?

Michael Pistauer: Sie haben Recht – wir haben seit 2021 immer bei Umsatz, Ergebnis und Marktanteilsgewinnen die hochgesteckten Ziele und Erwartungen übererfüllt. Man muss sagen, dass sich seit 2021 die Investorenwelt und deren Sentiment stark verändert hat. Neben den klassischen Bewertungsfaktoren Wachstum und Ergebnis sind nun auch Unabhängigkeit in der Finanzierung sowie ein positiver Cash Flow entscheidend. Diesbezüglich hat die Montana Aerospace im 4. Quartal denke ich sehr gute Zahlen geliefert. Wir gehen davon aus, dass die Investoren diese positive Entwicklung aber noch über ein, zwei weitere Quartale bestätigt wissen wollen. Zusätzlich ist wohl noch zu wenig bekannt, welches Alleinstellungsmerkmal wir als voller One-Stop-Shop in der Aerospace Supply Chain haben.

Sind nicht auch die Unsicherheiten betreffend der Bauraten der grossen OEM Airbus und Boeing für die Zurückhaltung mitverantwortlich?

Kai Arndt: Die grossen Flugzeugbauer haben aktuell Schwierigkeiten, ihre hochgesteckten Ziele der monatlichen Flugzeuglieferungen in der angekündigten Form – trotz ungebremster Nachfrage – zu erfüllen. Dies schlägt sich auch auf unseren Kurs nieder, obwohl wir gerade unsere Leistungsfähigkeit und Flexibilität voll ausspielen können. Wir springen aktuell oft dort ein, wo andere Zulieferer durch Lieferkettenprobleme nicht mehr liefern können. Das schaffen wir durch unser einzigartiges Set-Up mit einer durchgehenden Wertschöpfungskette unter einem Dach. Michael Pistauer und ich sind als Co-CEOs auch stolze Aktionäre der Montana Aerospace und gehen mittelfristig auch von einem vielversprechenden Wachstum der Aktie aus – um das zu erreichen, tun wir jeden Tag unser Bestes.

«Wir springen aktuell oft dort ein, wo andere Zulieferer durch Lieferkettenprobleme nicht mehr liefern können.»

Im ersten Quartal des neuen Jahres stieg das EBITDA vor Sondereffekten von 15,9 auf 23,6 Millionen um die Hälfte. Die EBITDA-Marge aber nur von 6,5 auf 6,7 Prozent. Hatte die Finanzgemeinde jetzt nicht schon mehr erwartet?

Michael Pistauer: Die EBITDA-Marge wird kommen – Quartal für Quartal. Allerdings hat uns im ersten Quartal 2023 ein negatives Finanzergebnis belastet.

6.7% kann natürlich nicht das Ende der Fahnenstange sein. Was erwarten Sie langfristig, nachdem Sie die beim Börsengang erklärten Mittelfristziele von positivem Nettogewinn und freiem Cashflow für das laufende Jahr gerade bestätigt haben?

Michael Pistauer: Klares Ziel ist es, mittelfristig die Gruppe über alle Segmente hinweg auf 15% zu bringen. Für 2023 bestätigen wir abermals unsere Prognose von rund 130-150 Milllionen Euro EBITDA bei positivem Free Cash Flow, positivem Nettogewinn und einem prognostizierten Umsatz von 1,5 Milliarden.

Am zufriedensten waren Sie im ersten Quartal mit der mittleren Ihrer unterschiedlich grossen drei Divisionen. Wieso?

Michael Pistauer: Zum Verständnis: unser Energy-Segment (ASTA Energy Solutions) ist mit seinen Kupferkomponenten im High-Voltage-Bereich für die Energiewende absolut spielentscheidend. Dieser Rückenwind im Markt beschert uns derzeit eine sehr starke Nachfrage und entsprechend produzieren wir mit voller Kapazität. Interessant ist, dass sich der Gesamtmarkt von einem Käufer- zu einem Verkäufermarkt entwickelt hat – hier punkten wir mit einem stabilen und fairen Preisniveau, das alle in der Wertschöpfungskette gut verdienen lässt. Unter diesen Bedingungen konnten wir in nur einem Jahr das erwirtschaftete EBITDA im Energy-Segment vervierfachen. Der Umstieg zu erneuerbarer Energie zählt zu den grossen Themen unserer heutigen Gesellschaft und wird uns noch lange Zeit beschäftigen.

Warum wollen Sie ENERGY unbedingt auch an die Börse bringen?

Michael Pistauer: „Unbedingt“ ist sicherlich das falsche Wort. Wir sind im Energy-Segment in einem sehr engen Marktumfeld unterwegs. Nur sehr wenige Unternehmen können das produzieren, was wir anbieten. Wir sind Innovations- und Qualitätsführer für die grossen Player wie Siemens Energy, ABB oder General Electric. Im Markt herrschen aktuell Kapazitätsengpässe. Wir sehen es deshalb als Verpflichtung und Chance zugleich, die Kapazitäten für die Energiewende auszubauen. Um dies zu ermöglichen, aber gleichzeitig auch gesamtheitlich die Finanzen der Montana Aerospace Gruppe im Auge zu behalten, prüfen wir die Möglichkeit eines Carve-Out IPOs (a.d.R. Börsengang eines damit gleichzeitig abgespaltenen Geschäftsbereichs). Klares Ziel in diesem Segment ist es, bis zum Ende der Dekade EUR 1 Milliarde Euro an Umsatz zu erzielen.

«Wir sehen es deshalb als Verpflichtung und Chance zugleich, die Kapazitäten für die Energiewende auszubauen.»

Ist der Börsengang der Zuliefersparta Asta schon im Juni 2023 sicher?

Michael Pistauer: Wir sind schon sehr gut vorbereitet, aber natürlich muss auch der Markt bereit sein und das Timing stimmen. Klares Ziel ist es, den Börsengang noch in diesem Jahr zu machen.

Der grosse Bereich Aerostructures wuchs im Q1 um 86% beim Nettoumsatz. Die vor anderthalb Jahren übernommene belgische ASCO hinkte etwas hinterher. Woran lag’s?

Kai Arndt: Wir haben die belgische ASCO-Gruppe im Frühjahr 2022 mit klaren Zielsetzungen akquiriert. Einerseits war uns klar, dass die ASCO unser bestehendes Produktportfolio perfekt ergänzt. Andererseits sowohl die Kundenstruktur als auch unsere Expertise im Engineering erweitert und unseren Footprint in Europa verstärkt. Wir wussten aber, dass im Rahmen der Integration noch einige Hausaufgaben zu erledigen sind. Anders als bei unseren anderen Divisionen startet die Value Chain bei ASCO nicht bei der Herstellung der Legierungen, deshalb spüren wir dort noch die Auswirkungen von Covid hinsichtlich Lieferkette und Rohstoffbeschaffung. Darüber hinaus sehen wir ein hohes Potenzial bei Effizienz, Produktivität damit bei der Steigerung unserer Profitabilität.

«Anders als bei unseren anderen Divisionen startet die Value Chain bei ASCO nicht bei der Herstellung der Legierungen, deshalb spüren wir dort noch die Auswirkungen von Covid hinsichtlich Lieferkette und Rohstoffbeschaffung.»

Wie lange schätzen Sie, wird die Integrationsphase noch andauern?

Kai Arndt: Die vollständige Integration von ASCO wird insgesamt sicherlich 2-3 Jahre dauern und wir sind bereits auf einem sehr guten Weg. ASCO wird dann von der Fertigungstiefe der gesamten Montana Aerospace Gruppe profitieren und vice-versa die Gruppe von den komplexen Technologien und Kompetenzen die ASCO in die Gruppe bringt. Klassisches Win-Win. Schon jetzt zeigt sich, dass auch ASCO so neue Aufträge gewinnen kann und die Verlängerung bereits bestehender Aufträge zeigt, dass unsere Kunden uns Vertrauen schenken, dass wir die Ziele erreichen.

Es tut sich ja sehr viel bei Montana Aerospace. Wie sieht es jenseits der Finanzmärkte bei den Entwicklungsprojekten aus. Was gibt es da Spannendes?

Michael Pistauer: Bei der ASTA haben wir einen Inhouse Kupferrecyclingprozess gestartet und arbeiten mit unseren Kunden an Kreislaufwirtschaftskonzepten, darüber hinaus investieren wir in China in moderne Fertigungslinien für Kupferkomponenten für E-Mobility-Industrie.

Unsere Division Alu Menziken nutzt seit heuer 100% erneuerbare Energiequellen und unsere Legierungsexperten arbeiten daran, den Recyclinganteil weiter zu steigern. Hier sind wir bereits bei mindestens 70-80% angelangt.

Kai Arndt: Im Aerostructures-Segment haben wir Europas grösste Aluminium-Grossformatpressanlagen in Betrieb genommen und zusammen mit unseren Drawn-tube Anlagen und neuen Titan-Presse die Serienfertigung gestartet. Alle neuen Anlagen sind seit dem ersten Arbeitstag sehr stark gebucht und wir arbeiten hart daran, die hohen Erwartungen unserer Kunden zu erfüllen.

Dabei gewinnen wir auch neue Kunden aus nicht Aerospace Bereichen dazu, die unser Portfolio diversifizieren und uns gegen Krisen absichern. Wir sehen dabei starkes Interesse unserer Technologien aus dem Automotive- und dem Raumfahrt-Bereich. Um die anhaltend steigenden Bedarfe zu erfüllen, investieren wir weiter in unsere Kernbereiche und gewinnen fast wöchentlich Marktanteile hinzu.

In wieweit beunruhigt Sie der Supply Chain-Stress in der Flugzeugindustrie? Ist das eher ein Vorteil für einen grossen Zulieferer wie Montana Aerospace?

Kai Arndt: Sicherlich trifft es uns, wenn die OEMs aufgrund von Zulieferproblemen ihre ambitionierten Ziele nicht erreichen bzw. verschieben müssen. Der „Supply Chain Stress“ trifft uns aber nicht so stark, sondern bietet eher viele Chancen. In den vergangenen Jahren haben OEMs und Tier-1 die Anzahl ihrer Lieferanten kontinuierlich reduziert und Aufträge an grössere Zulieferer vergeben um das Risiko besser zu verteilen.

Montana Aerospace hat dies schon vor 10 Jahren vorhergesehen und mit der vertikalen Integration seiner Produktionskette begonnen. Wir haben weltweit One-stop-Shops für die Luftfahrtindustrie gebaut – in den USA, Europa und Asien – um unseren Kunden den „Stress“ in der Beschaffung zu ersparen. Mit dem zusätzlichen Nebeneffekt, dass wir wesentlich kürzere Lieferzeiten anbieten können und durch die Produktion an einem Standort sogar noch CO2 -Emissionen durch verkürzte Lieferwege einsparen.

«Wir haben weltweit One-stop-Shops für die Luftfahrtindustrie gebaut – in den USA, Europa und Asien – um unseren Kunden den „Stress“ in der Beschaffung zu ersparen.»

Was bedeutet der Ukrainekrieg für Ihr Geschäft?

Kai Arndt: Geschäft hin oder her, hier geht es um Menschenleben und wir alle bedauern diesen schrecklichen Krieg sehr. Ich bin sehr stolz hier erzählen zu dürfen, dass wir viele Menschen in unserem Unternehmen haben, die sich engagieren und grossartige Hilfe leisten. Unter anderem mit Projekten zur Unterstützung von geflüchteten Kindern. Geschäftlich sind wir insofern betroffen, als wir in Europa mit den sehr hohen Energiekosten konfrontiert sind. Es gibt aber keine Geschäftsbeziehungen zu Russland oder zur Ukraine und auch kein Thema in der Rohstoffbeschaffung.

Sie liefern Struktur und Mechanikteile für fast alle zivilen Flugzeugtypen, aber auch für die Lockheed Martin F-35. Könnten Militärjets auch ein zukünftiger Wachstumsmarkt für Montana Aerospace sein, oder ist das verbaute Volumen einfach zu gering?

Kai Arndt: Knapp 1,5 Millionen Bauteile eines zivilen Flugzeuges werden in unseren Werken produziert, von über 20 m langen Strukturbauteilen, über komplexe Hochauftriebsmechanismen und auch Bauteile für das Interior. Unsere belgische Division die ASCO liefert Komponenten für den Defense-Sektor unter anderem für Lockheed Martin. Unser Fokus liegt allerdings bei Verkehrsflugzeugen für Kurz-, Mittel- und Langstrecke. Dort sehen wir weltweit eine hohe Nachfrage, getrieben durch den Anstieg an Fluggästen, die Entwicklung neuer Generation an Flugzeugen, die das Fliegen nachhaltiger machen werden. Wir diversifizieren uns auch immer weiter durch steigende Auftragsvolumina in den Bereichen Automotive und Raumfahrt.

Die mittel- und langfristigen Wachstumsperspektiven wurden bestätigt, was vor dem Hintergrund Ihres Produktportfolios verständlich ist. Wo erwarten Sie geographisch das meiste?

Kai Arndt: Hier kann ich Ihnen gerne die Einschätzungen der zwei grossen Flugzeug OEMs Airbus und Boeing nennen. Diese erwarten das grösste Wachstum in Asien mit dem höchsten Anstieg der Bauraten in China, gefolgt von Europa und den USA. Gesamt werden in den kommenden 20 Jahren über 41.000 neue Flugzeuge benötigt. In allen Regionen sind wir mit unseren One-Stop-Shops gut aufgestellt, haben in den letzten Jahren massiv in Kapazitäten investiert und konnten nachhaltig unsere Marktanteile weiter ausbauen. Unsere Kunden fertigen immer mehr local to local, und da können wir unsere USPs voll ausspielen.

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