Moskau: Erneut Drohnenangriff abgewehrt
Moskau / Kiew / Berlin – Die russische Hauptstadt Moskau ist nach Angaben von Bürgermeister Sergej Sobjanin in den frühen Morgenstunden erneut zum Ziel eines Drohnenangriffs geworden. Zwei unbemannte Luftfahrzeuge seien gegen 4.00 Uhr Ortszeit (3.00 Uhr MESZ) von der Luftabwehr abgeschossen worden, teilte Sobjanin am Donnerstagmorgen bei Telegram mit. Bereits am Mittwochmorgen hatte Moskau einen abgewehrten Drohnenangriff gemeldet. Die Millionenmetropole war jüngst immer wieder Ziel von feindlichen Drohnenangriffen geworden. Diese stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den massenhaften Attacken Russlands in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Zur besseren Verteidigung gegen russische Luftangriffe hat Deutschland unterdessen die Flugabwehr der Ukraine mit zwei weiteren Abschussrampen des Waffensystems Patriot gestärkt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte am Mittwoch mehrfach für die Militärhilfe. Sie sei mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vereinbart worden, schrieb er auf Deutsch bei Twitter: «Die Erfüllung unserer Vereinbarung wird Tausende Leben unserer Menschen retten.» Gleichzeitig brauche die angegriffene Ukraine noch viel mehr Waffen zur Flugabwehr, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache.
An allen Abschnitten der Front gab es nach Angaben des ukrainischen Generalstabs vom Mittwochabend heftige Gefechte. In der Nacht wurde in der gesamten Ukraine Luftalarm ausgelöst. Am Donnerstag wehrt sich das Land am 533. Tag gegen die Invasion. In der russischen Stadt Sergijew Possad bei Moskau gingen die Aufräumarbeiten und die Suche nach Vermissten nach einer Explosion in einer mutmasslichen Rüstungsfabrik weiter.
«Vielen Dank, Olaf!» – Deutschland schickt mehr Waffen
Auf die neuen Patriot-Abschussrampen ging Selenskyj auch in seiner Videoansprache ein und duzte sogar den Kanzler, zu dem das Verhältnis zu Anfang des Krieges noch gespannt war. «Vielen Dank, Olaf, dafür – das ist notwendig, um unser Volk vor dem russischen Terror zu schützen», sagte er. Russland bombardiert die Ukraine immer wieder mit Marschflugkörpern, Raketen und Drohnen. Deren Luftabwehr hat sich seit dem Herbst 2022 mit internationaler Hilfe stark verbessert. Die Hauptstadt Kiew gilt mittlerweile als gut geschützt. In anderen Städten und an der Front ist die Abwehr der Luftangriffe schwieriger. Bei Raketenbeschuss auf die südukrainische Stadt Saporischschja wurden nach Selenskyjs Angaben mindestens drei Menschen getötet.
Für die Ukraine sind die in den USA gebauten Patriot-Systeme besonders wertvoll, weil sie nach Kiewer Angaben schon mehrmals russische Hyperschallraketen abgefangen haben. Deutschland hat auch die Neuentwicklung Iris-T geschickt, die im eigenen Land noch gar nicht im Einsatz ist. Die Flugabwehrpanzer Gepard haben sich als effektive Waffe gegen russische Drohnen iranischer Bauart erwiesen.
Zu den neuen deutschen Lieferungen zählen auch zehn weitere Mehrzweck-Kettenfahrzeuge Bandvagn 206, sechs Schwerlastsattelzüge sowie etwa 6000 Schuss Nebelmunition für Artilleriegeschütze mit Kaliber 155 Millimeter. Das geht aus der offiziellen Liste militärischer Hilfen für die Ukraine hervor. Die Bundesregierung in Berlin aktualisiert die Liste wöchentlich. Demnach stellte Deutschland in dieser Woche auch 100 Maschinengewehre, Tausende Schiessbrillen, Ferngläser und Material zum Minenräumen zur Verfügung.
Gefechte an allen Frontabschnitten
Selenskyj berichtete, er habe mit seiner Militärführung die laufende ukrainische Gegenoffensive analysiert. «Was funktioniert gut. Was muss verstärkt werden. Was planen wir für die nahe Zukunft», sagte er. Der Generalstab in Kiew listete abends heftige Gefechte an allen Frontabschnitten im Osten und Süden des Landes auf. Bei Bachmut im Gebiet Donezk verteidige die ukrainische Armee die zurückeroberten Positionen gegen russische Angriffe. Bei Kujansk versuchten die Russen mit dem massiven Einsatz von Artillerie und Luftwaffe die Initiative zu gewinnen, sagte ein ukrainischer Militärsprecher. Diese Militärangaben waren nicht unmittelbar zu überprüfen.
Vermisste nach Explosion in russischem Rüstungsbetrieb
Durch die starke Explosion in der russischen Stadt Sergijew Possad, etwa 70 Kilometer nordöstlich von Moskau, wurden nach offiziellen Angaben 56 Menschen verletzt. Allerdings wurden acht Vermisste bis Mittwochabend nicht gefunden, wie Stadtoberhaupt Dmitri Akulow der Agentur Interfax zufolge sagte. Eine verletzte Beschäftigte der betroffenen Fabrik starb demnach im Krankenhaus. Kritische russische Medien berichteten, dass es angeblich mehrere Tote gegeben habe.
Auf Fotos und Videos war zu erkennen, wie am Mittwochvormittag eine grosse Rauchsäule über der Stadt aufgestiegen war. Im Internet wurde spekuliert, dass das Sagorsker Optisch-Mechanische Werk (SOMS) Ziel eines Drohnenangriffs geworden sei. Der Betrieb stellt optische Geräte für den militärischen Gebrauch her.
Russischen Behörden zufolge ereignete sich die Explosion in einem Lager des Pyrotechnikherstellers Piro-Ross. Das Unternehmen wurde 1994 von vier Rüstungsbetrieben gegründet. Die Firma liegt der Anschrift nach ebenfalls auf dem SOMS-Gelände.
Die Stadtverwaltung rief den Katastrophenfall aus. Sie sprach von einem Verstoss gegen Sicherheitsmassnahmen als Ursache. Die Version eines Drohnenangriffs wurde von offiziellen Stellen zurückgewiesen. Unabhängig überprüfbar waren diese Angaben aber nicht. Russland beschiesst seit 17 Monaten systematisch die Ukraine. Seit einigen Monaten gibt es mutmassliche ukrainische Gegenangriffe mit Drohnen, die in Grenzregionen einschlagen, aber auch in Moskau. (awp/mc/ps)