Girts Cimermans, CEO medmix, im Interview

Girts Cimermans, CEO medmix, im Interview
Girts Cimermans, CEO medmix. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Cimermans, medmix hat im ersten Semester 2023 einen leicht tieferen Umsatz verzeichnet und auch die Gewinnzahlen waren rückläufig. Wie blicken Sie auf die erste Jahreshälfte zurück?

Girts Cimermans: Wir sind sehr zufrieden mit unseren Leistungen im ersten Semester 2023. Der Konzernumsatz ist organisch um 1 % gewachsen und hat damit fast den Rekordwert des ersten Halbjahres des Vorjahres erreicht. Der zweistellige Rückgang des bereinigten EBITDA, unserer zentralen Gewinnkennzahl, im Vergleich zum Vorjahr war weitgehend vorhersehbar und auf kurzfristige Sonderfaktoren in zwei unserer Marktsegmente zurückzuführen. Eine sequenzielle Analyse zeigt, dass eine Erholung bereits im Gange ist: Der organische Konzernumsatz und der bereinigte EBITDA sind im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2022 um 12 % bzw. 10 % gestiegen. Besonders stolz bin ich auf unsere Leistung im Marktsegment Industry. Trotz der erzwungenen Schliessung unseres grössten Werks konnten wir alle wichtigen Kunden halten, neue Kunden gewinnen und im Vergleich zum Semester zuvor organisch um 6 % wachsen.

Wenn wir uns die einzelnen Marktsegmente anschauen, sticht das starke organische Wachstum bei Beauty (29,6%), Surgery (27,7%) und Drug Delivery (18,0%) hervor. Was trieb die Umsätze an?

Das solide Wachstum im Bereich Drug Delivery spiegelt unseren starken Umsatz mit Injektionspens und unsere Projektpipeline wider. Der Bereich Surgery profitierte weiterhin von der Umstellung von Gewebebanken auf unsere Geräte in den USA. Die starke Leistung im Bereich Beauty wurde durch eine noch nie dagewesene Anzahl von Produkteinführungen in der ersten Jahreshälfte 2023 sowie durch zusätzliche Umsätze mit unserem innovativen Mikroborsten-Applikator angetrieben.

«Generell gehen wir davon aus, dass der Markt für selbst verabreichte Injektionssysteme jährlich um etwa 7-10% wachsen wird.»
Girts Cimermans, CEO medmix

Injektionssysteme zur Selbstverabreichung haben sich zu einem zentralen Instrument für die wirksame Behandlung chronischer Krankheiten entwickelt. Von welchen Wachstumszahlen gehen Sie in diesem Bereich in den kommenden Jahren aus?

Generell gehen wir davon aus, dass der Markt für selbst verabreichte Injektionssysteme jährlich um etwa 7-10% wachsen wird. Unser Segment Drug Delivery ist mit seinem breiten Produktportfolio und seiner vielversprechenden Pipeline gut positioniert, um schneller als der Markt zu wachsen. Dies zeigt der Umsatz deutlich. Er hat sich seit der Übernahme von Haselmeier vor nur drei Jahren fast verdoppelt.

Nach dem starken Wachstum des Dentalbereichs vor Jahresfrist gab es dieses Jahr im H1 einen Rückschlag. Wo lagen die Schwierigkeiten?

Im Dentalbereich sehen wir nach einer aussergewöhnlichen Post-COVID-Phase ein verzogenes Auftragsverhalten. Die Umsätze wurden seit Mitte letzten Jahres durch einen starken Lagerabbau seitens Kunden geschwächt. Diese hatten aufgrund der Sorge über Lieferketteengpässe und der Zunahme geopolitischer Spannungen ihre Lager aufgebaut, als sich die globalen Märkte wieder öffneten. Der Trend zum Lageraufbau wurde zusätzlich verschärft, als Kunden inflationsbedingte Preiserhöhungen antizipierten.

Bis wann wird sich die Lage im Dentalbereich normalisieren?

Der genaue Zeitpunkt ist schwer vorhersehbar, weshalb wir unsere Prognose für das Gesamtjahr im Zuge der Veröffentlichung des Halbjahresergebnisses angepasst haben. Wir gehen aber davon aus, dass sich die Auftragslage in den nächsten Monaten, spätestens aber bis zum Jahresende normalisieren wird.

«Der gesamte Maschinenpark und das Inventar wurden im April und Mai dieses Jahres von Polen nach Valencia verlagert, wobei LKWs während 14 Tagen alle drei Stunden nach Valencia fuhren.»

Im Mai 2022 hat medmix die Produktion in Polen eingestellt, nun konnte die Einheit verkauft werden. Währenddessen haben Sie einen neuen Standort in Valencia aufgebaut. Wie gestaltete sich der «Umzug» der Anlagen?

Anfangs mussten wir die Schliessung unseres Werks in Polen durch eine rasche Verlagerung der Produktion in andere medmix-eigene und fremde Anlagen weltweit abfedern. Die Planung für die Verlagerung zu einem neuen permanenten Standort begann Mitte 2022. Mit dem Erwerb der Produktionsanlagen von Universal se Suministros in Valencia haben wir uns ein neues Standbein geschaffen. Das eigentliche Verlagerungsprojekt begann dann gegen Ende 2022, als wir die Suche nach einer neuen Anlage in Spanien abschlossen. Der gesamte Maschinenpark und das Inventar wurden im April und Mai dieses Jahres von Polen nach Valencia verlagert, wobei LKWs während 14 Tagen alle drei Stunden nach Valencia fuhren. All dies wurde in Rekordzeit erreicht!

Wann werden Sie die volle Kapazität erreichen?

Da an unserem Standort in Valencia bereits mehr als 20 Maschinen installiert sind und das Team vor Ort rasch aufgestockt wird, gehen wir davon aus, dass die Produktion im Laufe des vierten Quartals voll anlaufen wird.

Im Juli hat medmix die Übernahme von Guangdong Qiaoyi Plastic in China abgeschlossen. Was ermöglicht Ihnen die 70%-Beteiligung an Guangdong?

China ist weltweit der zweitgrösste Markt für Kosmetikprodukte. Durch diese Akquisition hat sich medmix als wichtiger Akteur im chinesischen Schönheitssektor positioniert und wird vom lokalen Wachstum profitieren. Zudem wird damit der Zugang zu einheimischen chinesischen und asiatischen Marken verbessert, indem wir eine breitere Produktpalette anbieten können.

Wie ist das zweite Semester angelaufen und mit welcher Entwicklung rechnen Sie bis Jahresende?

Wie bereits bei der Veröffentlichung unserer Halbjahresergebnisse angekündigt, erwarten wir für das zweite Halbjahr ein starkes Ergebnis mit verbesserten Trends beim Umsatzwachstum und bei den Margen in beiden Geschäftsbereichen. Für das Gesamtjahr gehen wir derzeit von einem organischen Umsatzwachstum von 5-7 % und einer bereinigten EBITDA-Marge von rund 22 % aus.

«In der Vergangenheit haben unsere jährlichen F&E-Investitionen in der Regel etwa 5% des Umsatzes erreicht.«

Ein beträchtlicher Teil Ihrer Produkte ist durch rund 900 aktive Patente und andere eingetragene Rechte an geistigem Eigentum geschützt. Wieviel investiert medmix jährlich in Forschung und Entwicklung?

Wir sind sehr stolz auf das Erbe unserer Marken. Wir blicken auf mehr als ein Jahrhundert technischer Innovation im Bereich des Spritzgiessens und der Handhabung von Flüssigkeiten für hochpräzise Verabreichungsgeräte zurück. medmix legt ausserdem grossen Wert auf nachhaltige Innovation zum Nutzen unserer Kunden und Endverbraucher. In der Vergangenheit haben unsere jährlichen F&E-Investitionen in der Regel etwa 5% des Umsatzes erreicht.

Gerade im Gesundheitsbereich und der Industrie ist die künstliche Intelligenz ein wichtiges Thema. Inwieweit setzt medmix heute auf KI und wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

KI und maschinelles Lernen bieten für uns spannende Möglichkeiten in allen Aspekten unserer Entwicklungs-, Herstellungs- und Funktionsprozesse. Wir nutzen das maschinelle Lernen schon seit geraumer Zeit, und unsere neuen Werke in Valencia und Atlanta werden modernste Technologie integrieren. Was die KI betrifft, so stehen wir noch ganz am Anfang. Wir haben aber einige spannende Projekte identifiziert, die noch in diesem Jahr initiiert werden sollen.

Herr Cimermans, wir bedanken uns für das Interview.

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