KOF Herbstprognose: Binnenwirtschaft stützt – Aussenhandel schwächelt
Zürich – Die Schweizer Konjunktur ist derzeit durch zwei gegenläufige Tendenzen gekennzeichnet: Auf der einen Seite stützen der private Konsum und der robuste Arbeitsmarkt die Binnenwirtschaft. Auf der anderen Seite belastet die Schwäche der Weltwirtschaft die exportorientierte Schweizer Wirtschaft. Unter dem Strich erwartet die KOF eine Zunahme des realen sporteventbereinigten Bruttoinlandprodukts (BIP) um 1.2% in diesem Jahr und um 1.5% im nächsten Jahr. Für 2024 hat die KOF ihre Erwartungen im Vergleich zur Prognose vom Juni aufgrund der geringeren Dynamik der Warenexporte gesenkt.
KOF senkt ihre Erwartungen für 2024
Das Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) wird gemäss Prognose der KOF in diesem Jahr real um 0.8% zunehmen (um grosse Sportanlässe bereinigt um 1.2%). Damit belässt die KOF die prognostizierte Wachstumsrate für das BIP im Jahr 2023 im Vergleich zur Prognose vom Juni nahezu unverändert. Für das Jahr 2024 senkt die KOF allerdings ihre Erwartungen: Das BIP dürfte im kommenden Jahr im Jahresdurchschnitt um 1.9% zunehmen und um grosse Sportanlässe bereinigt um 1.5%. In der Prognose vom Juni erwartete die KOF noch einen BIP-Anstieg von 2.1% und einen von 1.7% für das um grosse Sportevents bereinigte BIP. Hauptgrund für diese Revision ist eine im Vergleich zur Vorprognose schwächere Entwicklung des rechnerischen Aussenhandelsbeitrags, die vor allem durch eine geringere Dynamik der Warenexporte bewirkt wird. In ihrer aktuellen Prognose erweitert die KOF den Prognosehorizont bis zum Jahr 2025. Die Wachstumsrate des BIP insgesamt sollte im Jahr 2025 bei 1.6% liegen (1.9% für das um grosse Sportanlässe bereinigte BIP).
Schweizer Arbeitsmarkt bleibt Fels in der Brandung
Eine wichtige Stütze der Schweizer Konjunktur ist nach wie vor der robuste Arbeitsmarkt, der sich trotz der ein wenig ungünstiger eingeschätzten Konjunkturentwicklung im nächsten und übernächsten Jahr nur leicht abkühlen wird. Die Beschäftigung dürfte nach einem kräftigen Wachstum von 2% in diesem Jahr, im nächsten und übernächsten Jahr um jeweils 1% zulegen. Die vom Bundesamt für Statistik (BFS) berechnete Arbeitslosenquote nach Definition der International Labour Organization (ILO) steigt im Jahresdurchschnitt 2024 zwar geringfügig stärker als bisher angenommen von 4.1% in diesem Jahr auf dann 4.3% (Prognose vom Juni: 4.2%), verbleibt damit aber – auch im historischen Vergleich – relativ tief und nimmt im Jahr 2025 lediglich auf 4.5% zu. Die Quote der registrierten Arbeitslosen gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) dürfte von 2% in diesem Jahr auf 2.2% im nächsten Jahr (Prognose vom Juni: 2%) und 2.4% im Jahr 2025 ebenfalls eher leicht zulegen und somit gleichfalls für ein weiterhin günstiges Arbeitsmarkumfeld sprechen.
Mietpreiserhöhungen und Strompreise treiben die Inflation an
Wesentlicher revidiert die KOF ihre Einschätzung zum Verlauf der Teuerung. Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) dürfte dieses Jahr um 2.2% steigen, nächstes Jahr um 2.1% und im Jahr 2025 um etwa 1.1%. In der vorangegangenen Prognose veranschlagte die KOF für den LIK in diesem Jahr zwar ebenfalls ein Plus von 2.2%, im nächsten Jahr aber ein kleineres von 1.5%. Hauptgründe für die Revision der Prognose für 2024 sind, dass Mietpreiserhöhungen stärker als bisher angenommen auf die Inflationsrate durchschlagen und die Strompreise zu Jahresbeginn deutlicher nach oben klettern werden als bis anhin erwartet wurde.
KOF erwartet stabile Zinsen und eine nominale Aufwertung des Frankens
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat in ihrer Septembersitzung beschlossen, ihren Leitzins bei 1.75% zu belassen. Die KOF erwartet, dass die SNB in der nächsten Zeit die Hände von der Zinsschraube zu lassen, nachdem sie innerhalb etwa eines Jahres den Zins um 250 Basispunkte angehoben hat. Mit ihrem Entscheid, den Leitzins nicht anzuheben, hat die SNB die Zinsdifferenz zum Euroraum, die neu bei 2.25 Prozentpunkten liegt, weiter vergrössert. Es ist zu erwarten, dass die SNB mit Devisenverkäufen am Devisenmarkt eingreift, um einen starken Franken zu gewährleisten und die importierte Teuerung weiter zu reduzieren. Die KOF erwartet weiterhin eine Aufwertung des nominalen effektiven Wechselkurses.
Privater Konsum bleibt in den nächsten beiden Jahren wichtige Triebfeder
Im Prognosezeitraum bleibt der private Konsum der Stützpfeiler der Schweizer Konjunkturentwicklung. Nachdem die Konsumenten in den vergangenen Monaten vor allem mehr Dienstleistungen nachgefragt haben und sich der Detailhandel eher von seinem Coronahoch ausgehend normalisiert hat, dürfte auch dieser in der nächsten Zeit wieder Zuwächse verzeichnen. Die Haushalte finanzieren den Konsum weiterhin durch eine tendenziell leicht abnehmende Sparquote. Insgesamt wird der private Konsum in diesem Jahr real um 2.3% und in den nächsten beiden Jahren um jeweils 1.5% zunehmen.
Reallöhne dürften erst 2025 wieder spürbar zunehmen
Die KOF geht davon aus, dass die Nominallöhne gemäss dem Konzept des schweizerischen Lohnindexes (SLI) in diesem Jahr um 2% zulegen. Da die Inflationsrate im selben Zeitraum gemäss vorliegender Prognose über 2% betragen wird, stagnieren die Reallöhne in diesem Jahr. Nächstes Jahr dürfte das Nominallohnplus nach diesem Konzept leicht höher ausfallen und sich auf 2.2% beziffern. Dies impliziert ein weiteres mageres Jahr für die Reallohnentwicklung. Erst im Jahr 2025, wenn der Inflationsdruck deutlich nachlässt, dürften die Reallöhne wieder spürbar um knapp 1% zunehmen.
Gedämpfte Aussichten für die Weltwirtschaft – vor allem China und Deutschland schwächeln
Die internationale Nachfrage wird im zweiten Halbjahr dieses Jahres verhalten sein. Das mit Schweizer Exportanteilen gewichtete Welt-BIP wird nur moderat zunehmen. In China setzte sich die wirtschaftliche Erholung nach Beendigung der Null-COVID-Politik im zweiten Quartal 2023 nicht wie erwartet fort, die Dynamik liess entgegen vielen Prognosen sogar nach. China zeigt aktuell eine konjunkturelle Schwäche, die von einer Immobilienkrise sowie einer zögerlichen Konsumnachfrage geprägt ist. In einem markanten Abschwung ist die deutsche Wirtschaft, der auch in die Schweiz hineinwirkt. Ein kleiner Lichtblick kommt aus Nordamerika, wo die Wirtschaft einen positiveren Verlauf genommen hat, als im Sommer von der KOF erwartet worden war.
Inflationsentwicklung und geopolitische Konflikte bergen Konjunkturrisiken
Bezüglich der Risiken für die Prognose und der Konjunktur spielt die Inflationsentwicklung und die daraus abgeleitete Geldpolitik eine wesentliche Rolle. Und dies sowohl bei den Abwärts- als auch bei den Aufwärtsrisiken. Stärkere Zweitrundeneffekte könnten dazu führen, dass sich die Inflation stärker als angenommen verfestigt. Die Notenbanken könnten dann zu einer noch strikteren Geldpolitik gezwungen werden und die Konjunktur stark bremsen. Andererseits könnte sich die Inflation rascher abschwächen, als es in der Prognose enthalten ist und so der Geldpolitik ermöglichen, die Zügel früher zu lockern. Weitere Abwärtsrisiken sind zunehmende oder zusätzliche geopolitische Konflikte, die den Welthandel schwächen und/oder Rohstoff- oder Energiepreisschocks auslösen würden. Ein Platzen der Immobilienblase in China könnte länger und stärker das chinesische Wirtschaftswachstum beeinträchtigen und sich auf den Welthandel negativ auswirken.
Ein spezielles Risiko in der Schweiz ist das Rückfallpotenzial der Pharmabranche. Die Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie hat im Gefolge der Pandemie in den Jahren 2021 und 2022 die Wertschöpfung für die Impfstoffproduktion und -zulieferung stark ausgeweitet. Die KOF geht davon aus, dass die dafür aufgebauten Produktionskapazitäten im Bereich Biotechnologie zu einem grösseren Teil nun für neue Produkte erhalten bleiben. Sollte es jedoch zu einem starken Abbau der Produktionskapazitäten in der Pharmaindustrie kommen, würde das auch im Schweizer BIP deutliche Bremsspuren hinterlassen. (mc/pg)