Biden dämpft Erwartungen Selenskyjs

Biden dämpft Erwartungen Selenskyjs
US-Präsident Biden mit Wolodymyr Selenskyj im Oval Office. (president.gov.ua)

Washington – US-Präsident Joe Biden hat bei einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Aussichten auf eine schnelle Bewilligung weiterer US-Hilfen gedämpft. Biden gab sich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstagabend (Ortszeit) zwar kämpferisch, räumte aber ein, er könne «keine Versprechungen» machen, sei aber hoffnungsvoll, dass es eine Einigung im Kongress geben werde. Gleichzeitig liess er keinen Zweifel an seiner grundsätzlichen Haltung, dass die USA die Ukraine unterstützen müssten. In der Nacht zu Mittwoch meldete die Ukraine derweil einen heftigen russischen Raketenangriff auf die Hauptstadt Kiew mit Dutzenden Verletzten.

Die Freigabe neuer US-Mittel für das von Russland angegriffene Land wird derzeit aber von einem Streit im US-Parlament zwischen Republikanern und Bidens Demokraten blockiert. Biden sagte, man sei in Verhandlungen mit den Republikanern. Er mahnte eindringlich, Kremlchef Wladimir Putin setze darauf, dass die USA der Ukraine nicht mehr helfen würden. «Wir müssen ihm das Gegenteil beweisen.»

Ukrainischer Präsident auf aussichtsloser Mission
Selenskyj war für Gespräche mit Blick auf weitere US-Militärhilfen in Washington. Es war sein dritter Besuch in der US-Hauptstadt seit Beginn des russischen Angriffskrieg im Februar 2022. Er traf dabei auch Mitglieder des US-Kongresses – darunter führende Republikaner. Sie stehen der Bewilligung neuer Hilfen im Weg, weil sie von Biden im Gegenzug mehr Mittel zum Schutz der US-Südgrenze und strengere Regeln in der Migrationspolitik fordern. Selenskyj sagte, die Signale bei den Gesprächen seien «mehr als positiv» gewesen. «Aber wir wissen, dass wir Wort und konkretes Ergebnis trennen müssen.» Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, machte jedoch im Anschluss der Zusammenkunft deutlich, dass sich an der Linie seiner Partei nichts geändert habe.

Das bedeutet konkret, dass sich eine mögliche Bewilligung weiterer Hilfen weiter verzögern dürfte. Johnson hielt daran fest, seine Abgeordneten bald in die Weihnachtspause zu schicken. Problematisch ist das vor allem deswegen, weil die bisher bewilligten US-Hilfen nach Angaben des Weissen Hauses bis zum Ende des Jahres aufgebraucht sein werden. Bemerkenswert ist, dass Biden offenbar von der bisherigen Sprachlegung seiner Regierung abwich. Er sagte: «Wir werden die Ukraine weiterhin mit wichtigen Waffen und Ausrüstung versorgen, solange wir können.» Zuvor hatte er immer betont, die USA würden die Ukraine «solange es nötig sei» unterstützen.

Der US-Präsident wurde aber nicht müde, mit deutlichen Worten vor einem Rückzug der Amerikaner zu warnen. «Die Ukraine wird aus diesem Krieg stolz, frei und fest im Westen verwurzelt hervorgehen, es sei denn, wir gehen.» Selenskyj lag bei seinem Besuch besonders das Thema Luftabwehr am Herzen. Darüber habe er sich mit Biden ausgetauscht. «Wir wollen die Luftschlacht gewinnen und die russische Luftüberlegenheit brechen», sagte der ukrainische Präsident. Wer den Luftraum kontrolliere, kontrolliere die Dauer des Krieges. Auf Kritik an der Kriegsführung sagte Selenskyj, es gebe einen klaren Plan.

Ukraine meldet Raketenangriff auf Kiew – Dutzende Verletzte
Derweil wurden infolge eines russischen Raketenangriffs auf Kiew ukrainischen Angaben zufolge in der Nacht zu Mittwoch mindestens 45 Menschen verletzt. 18 von ihnen seien in Krankenhäuser eingeliefert worden, darunter zwei Kinder, schrieb der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, in seinem Telegram-Kanal. Aus einem beschädigten Wohnhaus seien 15 Menschen evakuiert worden, darunter vier Kinder. Im Hof des Gebäudes seien Autos in Brand geraten. Auch mindestens zwei weitere Häuser hätten gebrannt, ein Kinderkrankenhaus sei beschädigt worden. Darüber hinaus sei in einem Bezirk das Wasserversorgungsnetz durch den Aufprall der Raketentrümmer auf die Fahrbahn beschädigt worden.

Die Ukraine wehrt seit über 21 Monaten eine russische Invasion ab. Das ukrainische Hinterland wird dabei fast täglich von russischen Drohnen und Raketen angegriffen. Die ukrainische Flugabwehr wurde inzwischen mit westlicher Hilfe massiv verstärkt.

Ukrainisches Militär meldet schwere Gefechte um Awdijiwka
Die Ukraine steht bei den Kämpfen im Osten des Landes weiter unter Druck. Speziell die Lage um die seit Wochen umkämpfte Stadt Awdijiwka im Osten der Ukraine hat sich nach Militärangaben noch einmal verschärft. «Es ist sehr heiss. Tatsächlich ist es heute noch heisser als gestern und vorgestern», sagte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Witalij Barabasch, im ukrainischen Fernsehen. Die neue Angriffswelle der Russen hängt seinen Angaben nach mit dem durch den jüngsten Frost hart gewordenen Untergrund zusammen, der den Angreifern den Einsatz gepanzerter Fahrzeuge erlaubt. Die Verteidiger haben seinen Worten nach Dutzende Fahrzeuge abgeschossen. Der Druck der Angreifer bleibe aber hoch, auch durch den Einsatz der Luftwaffe.

Dass Awdijiwka derzeit das Zentrum der russischen Angriffsbemühungen ist, geht auch aus dem abendlichen Lagebericht des ukrainischen Generalstabs hervor, der 37 Attacken allein in diesem Raum verzeichnet. Nach offiziellen Angaben aus Kiew wurden alle abgewehrt. Weiter südlich in der Region Donezk wurde auch die schwer zerstörte Stadt Marjinka weiter von russischen Truppen angegriffen. Im Norden, im Gebiet Charkiw, versuchen die russischen Angreifer, den Druck im Raum Kupjansk zu erhöhen. (awp/mc/pg)

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