Schweiz und Grossbritannien rücken als Finanzplätze zusammen
Bern – Die Finanzplätze Schweiz und Vereinigtes Königreich rücken näher zusammen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter und ihr britischer Amtskollege, Jeremy Hunt, unterzeichneten am Donnerstag in Bern ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Finanzdienstleistungen.
Das Abkommen umfasst die Anerkennung der Gleichwertigkeit in den Bereichen Banken, Wertpapierdienstleistungen, Versicherungen, Vermögensverwaltung und Finanzmarktinfrastrukturen für professionelle Kunden, wie es in einer Erklärung des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) vom Donnerstag hiess.
Bei den Finanzdienstleistungen, insbesondere der Vermögensverwaltung, wird demnach die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit für Schweizer Anbieter ermöglicht. So können auf Grundlage des Abkommens britische Privatkunden mit einem Vermögen über 2 Millionen britische Pfund künftig grenzüberschreitend direkt bedient werden.
Im Versicherungsbereich erfasst das Abkommen einzelne Bereiche des Nicht-Lebensversicherungsgeschäfts für grosse Unternehmenskunden, in denen britische Versicherungsunternehmen künftig grenzüberschreitend tätig sein können. Im Bereich der Anlageverwaltung bestätigt das Abkommen den bestehenden Zugang für die Werbung und das Angebot kollektiver Kapitalanlagen sowie die Delegation der Portfolioverwaltung und des Risikomanagements.
Keller-Sutter betont Pioniercharakter
Keller-Sutter strich vor den Medien die Vorzüge des Abkommens hervor. Es trage dazu bei, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz langfristig zu erhalten und zu stärken, sagte sie. Die beiden Länder hatten mehr als zwei Jahre verhandelt.
Erstmals hätten zwei Länder auf staatsvertraglicher Basis die Gleichwertigkeit ihrer jeweiligen Rechts- und Aufsichtsrahmen in ausgewählten Gebieten im Finanzbereich aufgrund einer eingehenden Überprüfung gegenseitig anerkannt, hiess es aus dem Finanzdepartement in Bern, das den Pioniercharakter des Abkommens betonte.
Hunt: Modell für weitere Abkommen
Der britische Schatzkanzler Hunt bezeichnete dieses Berne Financial Services Agreement als bahnbrechend («groundbreaking») und mit Modellcharakter für weitere Abkommen.
«Dieses Abkommen wäre nicht vereinbar gewesen mit einer EU-Mitgliedschaft», sagte der Finanzminister des vor gut drei Jahren aus der Europäischen Union ausgetretenen Landes. Zum 1. Februar 2020 hatte sich der sogenannte Brexit formell vollzogen.
Auch für die City of London, den Finanzbezirk der britischen Hauptstadt, einer der bedeutendsten Finanzplätze der Welt, sei das nun in Bern geschlossene Abkommen mit der Schweiz sehr vorteilhaft, so Hunt. Nach dem Brexit war es zu einem Exodus von Finanzinstituten aus London gekommen.
Economiesuisse: den Grundstein gelegt
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse begrüsste das Abkommen ausdrücklich und wies darauf hin, dass er zusammen mit verschiedenen Branchenverbänden beider Länder «den Grundstein für diesen neuen Ansatz gelegt» habe, wie es in einer Mitteilung vom Donnerstag hiess. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht habe das Abkommen «klar einen positiven Nutzen» und stärke den hiesigen Finanzplatz.
Zufrieden zeigten sich auch die Schweizerische Bankiervereinigung, die Asset Management Association und die Börsenbetreiberin SIX. Das Vereinigte Königreich (England, Schottland, Wales und Nordirland) sei einer der wichtigsten Exportmärkte für die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung von Schweizer Finanzinstituten, hiess es in einer gemeinsamen Erklärung.
Im Anschluss an die Unterzeichnung des Abkommens wird der Bundesrat eine Botschaft ausarbeiten und dem Parlament vorlegen. Bevor das Abkommen in Kraft tritt, müssen die Parlamente in beiden Ländern zustimmen. (awp/mc/ps)